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MieterEcho 424 / Mai 2022

Innovatives Wohnmodell

Clusterwohnen bei Stadt und Land

Von Matthias Coers

In Nord-Neukölln hat Stadt und Land ein für eine städtische Wohnungsbaugesellschaft ungewöhnliches Gemeinschaftswohnen-Projekt mit leistbaren Wohnungen realisiert. Bei einer Veranstaltung mit dem Titel „Innovative Wohnmodelle – Gemeinwohl statt Rendite-Orientierung“ im April 2022 hat die Bewohnerin und Stadtaktivistin Marieke Prey von ihren Erfahrungen, wie Gemeinschaft und Mitbestimmung praktiziert werden, berichtet.

Zwischen Karl-Marx-Straße und Hermannstraße an der Kienitzer Straße/ Ecke Briesestraße liegt der weißgraue fünf- bis siebengeschössige Bau. In der Mitte befindet sich ein schöner Lichthof. 

Der Hauskomplex verfügt über 77 Ein- bis Vierzimmerwohnungen. Der Großteil sind Einzimmerwohnungen. Es gibt 17 Atelierwohnungen, die zu 50% als Gewerbeeinheiten markiert sind – hier mischen sich Wohn- und Arbeitsraum. „Das ist extra für kreative, selbständige Leute, die dort sowohl ihr Atelier als auch ihre Wohnung haben können“, führt Marieke Prey aus. Weiterhin gibt es sieben große Gemeinschaftswohnungen, von jeweils 300 qm die Platz für circa 10 Menschen bieten. Diese haben eine große Gemeinschaftsfläche sowie -küche mit anliegenden sogenannten kleinen Clustern, jeweils ausgestattet mit einem eigenen Bad und der Möglichkeit des Einbaus einer kleinen Küchenzeile, sodass es laut Prey eine sinnvolle Mischung zwischen Rückzug und Gemeinschaft gibt.

Von den Wohnungen sind 30 geförderte WBS-Wohnungen zu 6,50 Euro/qm nettokalt. Die anderen sind freifinanzierte Wohnungen, die zwischen 9 und 12 Euro/qm nettokalt kosten.

Zwei Charakteristika dieser Architektur fallen laut Prey ins Auge: Es gibt keine innenliegenden Hausflure, sondern Laubengänge, die zugleich auch teilweise als Balkone für die Mieter/innen dienen. Dies sind „auch die Orte, auf denen man sich immer über den Weg läuft und begegnet“. Außerdem besitzt das Gebäude sehr viele große Glasstrukturen und Glastüren. Die hatten zuerst zu Verwunderung geführt, wurden aber inzwischen gut angenommen. „Man bekommt also mit, was passiert, und hier kann niemand umkippen und in der Wohnung liegen, ohne dass Menschen es merken“, so Prey.

Initiative der Senatsverwaltung

Das Bauprojekt wurde schon 2014 auf Initiative der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung gestartet, im Rahmen der Initiative „Urban Living – neue Wohnformen für Berlin”. Die landeseigenen Unternehmen sollten Projekte realisieren, in denen neue Wohn- und Lebensformen praktiziert werden können, die sich an Klimawandel und demografischem Wandel orientieren und gerade auch in der Innenstadt bezahlbares Wohnen schaffen.

Doch um das „Wunder von Stadt und Land noch mal in den Kontext zu setzen“, muss bedacht werden, dass ursprünglich noch ziemlich marktkonform von „Aufwerten und Monostrukturen weiterentwickeln“ die Rede war.

Ein Schweizer Architekturbüro hatte dann den Zuschlag bekommen und von 2016 bis 2020 mit Stadt und Land geplant und gebaut. Das Büro stach wegen eines besonders guten Konzepts für gemeinschaftliches Wohnen sowie aufgrund der sehr günstigen und innovativen Materialien hervor.

Im Zuge der Umsetzung hatte das Management von Stadt und Land wohl Sorgen, die Wohnungen nicht vermietet zu bekommen. So konnten die Erstbezieher/innen gerade der großen Cluster einige bauliche Veränderungen fordern, „um das kollektive Wohnkonzept umsetzen zu können“, so Prey. Andere wichtige Anpassungen wie Verkleinerungen der Bäder für mehr persönliche Nutzfläche blieben aber aus.

Positiv hervorzuheben sei eine starke Vernetzung im Objekt – Prey dazu: „Die Idee des gemeinschaftlichen Wohnens ist hier tatsächlich stark umgesetzt worden.“ Auch Wohnungstausch gab es innerhalb des Hauses. „Viele, mit denen ich hier zusammenwohne, sagen, sie kannten vorher nie so viele Nachbar/innen wie hier in diesem Haus“. 

Kritisch anzumerken ist, dass aufgrund der Konzeption und Vergabepraxis die Mieterschaft für Nord-Neukölln eher privilegiert ist und das Haus immer noch ein wenig wie ein in der Nachbarschaft gelandetes UFO erscheint.

Wichtig aber ist zu betonen, dass dies kein Hausprojekt sondern ein Mietshaus ist, mit allen dazugehörigen Vorzügen, Nachteilen, Konflikten und Lösungen.  


MieterEcho 424 / Mai 2022