Interessengemeinschaft und Beratung für Berliner Mieter
MieterEcho 427 / Oktober 2022

Eskalation am Molkenmarkt

Die Senatsbaudirektorin setzt sich über das Wettbewerbsverfahren hinweg

Von Matthias Grünzig

Das geplante Quartier am Molkenmarkt gehört zu den umstrittensten Projekten Berlins. Dieser Streit hat am 13. September eine neue Eskalation erfahren und ein Ausweg ist derzeit nicht in Sicht. 

Für die Brisanz des Molkenmarkt-Projektes gibt es vor allem zwei Gründe: Erstens ist der Molkenmarkt, der sich direkt hinter dem Roten Rathaus befindet, ein sehr zentral gelegenes Gebiet. Was hier entsteht, sagt viel über das Selbstverständnis Berlins aus. 

Zweitens prallen zwei völlig gegensätzliche Vorstellungen von Stadt aufeinander. Auf der einen Seite stehen konservative Kräfte, die die Stadt des 19. Jahrhunderts wieder aufleben lassen wollen, die von einer privatisierten Stadt für einkommensstarke Schichten träumen. Auf der anderen Seite stehen Akteure, die am Molkenmarkt ein soziales und ökologisches Modellquartier errichten wollen. Sie wollen, dass die landeseigenen Flächen nicht privatisiert werden und dort bezahlbare Wohnungen und kostengünstige Räume für die Kultur entstehen. Zudem soll das Quartier klimagerecht geplant werden. 

Bereits 2018 wurde entschieden, die landeseigenen Grundstücke nicht zu privatisieren, sondern durch die landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften WBM und Degewo mit rund 400 bezahlbaren Wohnungen zu bebauen. Zudem wurde ein Planungsprozess gestartet, der starke partizipatorische Elemente beinhaltete. Am Ende standen acht Leitlinien, in denen soziale und ökologische Ziele festgeschrieben wurden. Auf deren Grundlage wurde im August 2021 ein Wettbewerbs- und Werkstattverfahren Molkenmarkt gestartet, in dem ein städtebaulicher und freiraumplanerischer Entwurf erarbeitet werden sollte. 

Im November 2021wurden zwei Entwürfe ausgewählt, die in einer zweiten Phase qualifiziert werden sollten. Der erste prämierte Entwurf von OS arkitekter (Kopenhagen) mit czyborra klingbeil architekturwerkstatt (Berlin) entsprach von Anfang an den Leitlinien. Er plante flexible Gebäude auf Basis einer Skelettkonstruktion, begrünte und autoarme Straßen, Versickerungsmulden für das Regenwasser, begrünte Fassaden und großzügige Höfe mit zahlreichen Bäumen. 

Der zweite prämierte Entwurf des Büros Bernd Albers (Berlin) mit Vogt Landschaftsarchitekten (Zürich) orientierte sich ursprünglich an der Stadtstruktur von 1910. Deshalb stand er zunächst in einem Konflikt mit den Leitlinien. Im Laufe des Verfahrens übernahm das Team Albers/Vogt aber zahlreiche Ideen des Entwurfs von OS arkitekter. Am Ende des Prozesses stand also durchaus eine Annäherung der beiden Entwürfe, wobei der erste noch stärker den Leitlinien gerecht wurde.

Widerspruch zum Auslobungstext

Doch die seit Dezember 2021 amtierende Senatsbaudirektorin Petra Kahlfeldt verfügte am 13. September 2022, dass das Wettbewerbs- und Werkstattverfahren ohne Preisträger beendet werden sollte. Diese Entscheidung stand im klaren Widerspruch zum Auslobungstext, denn in diesem hieß es: „Zum Abschluss des Werkstattverfahrens tritt das Preisgericht erneut zusammen und berät über die Empfehlung eines der beiden Entwürfe als Grundlage einer Charta für die Entwicklung am Molkenmarkt.“ 

Wie geht es nun weiter? Der Rahmenplan für das Quartier soll nun durch die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen unter der Federführung der Senatsbaudirektorin Kahlfeldt erarbeitet werden. Diese Entscheidung lässt Schlimmes befürchten: Denn Frau Kahlfeldt hat bisher noch kein klimagerechtes Quartier geplant, und sie hat auch keinerlei Erfahrung mit bezahlbarem Wohnungsneubau. Sie hat aber durchaus Erfahrung mit rückwärtsgewandten Projekten, die viel Geld kosteten und die sich nur einkommensstarke Schichten leisten konnten. Sie war Mitglied im Gestaltungsbeirat für die Neue Altstadt in Frankfurt/Main und für die Potsdamer Mitte. Sie setzte sich für eine besonders kostspielige Gestaltung der Quartiere mit schmalen Parzellen und kleinen Einzelhäusern ein, die trotz Quadratmeterpreisen von bis zu 7.250 Euro in Frankfurt nicht einmal kostendeckend waren. Nun droht also auch Berlin ein weiteres teures Quartier für eine exklusive Klientel.      

Für die Brisanz des Molkenmarkt-Projektes gibt es vor allem zwei Gründe: Erstens ist der Molkenmarkt, der sich direkt hinter dem Roten Rathaus befindet, ein sehr zentral gelegenes Gebiet. Was hier entsteht, sagt viel über das Selbstverständnis Berlins aus. Zweitens prallen zwei völlig gegensätzliche Vorstellungen von Stadt aufeinander. Auf der einen Seite stehen konservative Kräfte, die die Stadt des 19. Jahrhunderts wieder aufleben lassen wollen, die von einer privatisierten Stadt für einkommensstarke Schichten träumen. Auf der anderen Seite stehen Akteure, die am Molkenmarkt ein soziales und ökologisches Modellquartier errichten wollen. Sie wollen, dass die landeseigenen Flächen nicht privatisiert werden und dort bezahlbare Wohnungen und kostengünstige Räume für die Kultur entstehen. Zudem soll das Quartier klimagerecht geplant werden. Bereits 2018 wurde entschieden, die landeseigenen Grundstücke nicht zu privatisieren, sondern durch die landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften WBM und Degewo mit rund 400 bezahlbaren Wohnungen zu bebauen. Zudem wurde ein Planungsprozess gestartet, der starke partizipatorische Elemente beinhaltete. Am Ende standen acht Leitlinien, in denen soziale und ökologische Ziele festgeschrieben wurden. Auf deren Grundlage wurde im August 2021 ein Wettbewerbs- und Werkstattverfahren Molkenmarkt gestartet, in dem ein städtebaulicher und freiraumplanerischer Entwurf erarbeitet werden sollte. Im November 2021wurden zwei Entwürfe ausgewählt, die in einer zweiten Phase qualifiziert werden sollten. Der erste prämierte Entwurf von OS arkitekter (Kopenhagen) mit czyborra klingbeil architekturwerkstatt (Berlin) entsprach von Anfang an den Leitlinien. Er plante flexible Gebäude auf Basis einer Skelettkonstruktion, begrünte und autoarme Straßen, Versickerungsmulden für das Regenwasser, begrünte Fassaden und großzügige Höfe mit zahlreichen Bäumen. Der zweite prämierte Entwurf des Büros Bernd Albers (Berlin) mit Vogt Landschaftsarchitekten (Zürich) orientierte sich ursprünglich an der Stadtstruktur von 1910. Deshalb stand er zunächst in einem Konflikt mit den Leitlinien. Im Laufe des Verfahrens übernahm das Team Albers/Vogt aber zahlreiche Ideen des Entwurfs von OS arkitekter. Am Ende des Prozesses stand also durchaus eine Annäherung der beiden Entwürfe, wobei der erste noch stärker den Leitlinien gerecht wurde.
 Widerspruch zum Auslobungstext
Doch die seit Dezember 2021 amtierende Senatsbaudirektorin Petra Kahlfeldt verfügte am 13. September 2022, dass das Wettbewerbs- und Werkstattverfahren ohne Preisträger beendet werden sollte. Diese Entscheidung stand im klaren Widerspruch zum Auslobungstext, denn in diesem hieß es: „Zum Abschluss des Werkstattverfahrens tritt das Preisgericht erneut zusammen und berät über die Empfehlung eines der beiden Entwürfe als Grundlage einer Charta für die Entwicklung am Molkenmarkt.“

Wie geht es nun weiter? Der Rahmenplan für das Quartier soll nun durch die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen unter der Federführung der Senatsbaudirektorin Kahlfeldt erarbeitet werden. Diese Entscheidung lässt Schlimmes befürchten: Denn Frau Kahlfeldt hat bisher noch kein klimagerechtes Quartier geplant, und sie hat auch keinerlei Erfahrung mit bezahlbarem Wohnungsneubau. Sie hat aber durchaus Erfahrung mit rückwärtsgewandten Projekten, die viel Geld kosteten und die sich nur einkommensstarke Schichten leisten konnten. Sie war Mitglied im Gestaltungsbeirat für die Neue Altstadt in Frankfurt/Main und für die Potsdamer Mitte. Sie setzte sich für eine besonders kostspielige Gestaltung der Quartiere mit schmalen Parzellen und kleinen Einzelhäusern ein, die trotz Quadratmeterpreisen von bis zu 7.250 Euro in Frankfurt nicht einmal kostendeckend waren. Nun droht also auch Berlin ein weiteres teures Quartier für eine exklusive Klientel.

 

Matthias Grünzig arbeitet als als freier Journalist und Bauhistoriker und engagiert sich in der Initiative Offene Mitte Berlin.


MieterEcho 427 / Oktober 2022

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