Editorial
Editorial MieterEcho
Liebe Leserinnen und Leser,
die Auffassung, dass durch Sanktionen Kriege beendet werden können, wird von vielen bürgerlichen Wirtschaftswissenschaftlern für naiv gehalten. Wem sie aber mehr schaden, der Seite, die sie verhängt, oder der Seite, gegen die sie sich richten, beurteilt man unterschiedlich. Michael Hüther, Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft (DIW) und frei von linken Neigungen, meint im Handelsblatt-Podcast „die moralische Überhöhung der Sanktionen müsse man relativieren“. Bei der aktuellen Sanktionsdebatte handle es sich um „eine Mischung von rein moralischen Attitüden und faktischer Interessenpolitik“. In der Geschichte könnten kaum Beispiele wirksamer Sanktionspolitik gefunden werden, die Gefahr der Selbstschädigung sei hingegen sehr hoch. Die Außenministerin Frau Baerbock scheint das anders zu sehen. Sie warnt vor einer Lockerung der Sanktionen und glaubt, der Westen würde dadurch doppelt erpressbar werden. Offenbar handelt es sich bei ihren Einlassungen um das, was Michael Hüther eine rein moralische Attitüde nennt.
Ihr Kollege, der als Wirtschaftsminister fungierende Schriftsteller Robert Habeck, wird deutlicher: „Niemand soll frieren.“ Private Haushalte müssten aber hinsichtlich der Versorgung mit Gas ihren Anteil leisten. Ihre Priorisierung gegenüber der Wirtschaft solle aufgehoben werden und sie müssten sich demnächst auf Mehrkosten von 300 bis 1.000 Euro jährlich für Gas und Heizung vorbereiten, so die niedrigste Schätzung. Es können aber auch bis zu 2.400 Euro für einen vierköpfigen Haushalt werden. Damit ist die Frage, zu wessen Lasten die Sanktionen gehen, ansatzweise beantwortet: zu Lasten der Mieter/innen. Als Verbraucher/innen sind sie aber zudem den exorbitant steigenden Preisen ausgeliefert und nicht wenigen droht der Verlust des Arbeitsplatzes. Wenn dies die Folgen der Sanktionen sind, dann sollte schleunigst über ihre Aufhebung nachgedacht werden.
Ihr MieterEcho
MieterEcho 426 / August 2022