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MieterEcho 427 / Oktober 2022

Die zweite Miete

Von Bruttomieten zu Nettokaltmieten und sonstigen Betriebskosten

Von Rechtsberaterin Maja Lachmund

Seit Jahren wird dagegen protestiert, dass die Mieten immer weiter steigen und für viele unerschwinglich werden. Die Maßnahmen der Politik, die Mietsteigerungen einzudämmen, sind bestenfalls halbherzig oder, wie beim Mietendeckel zu sehen, mangels ausreichender Vorbereitung erfolglos. Übersehen wird dabei, dass Mieter/innen nicht nur die Miete an sich zu tragen haben sondern je nach Vereinbarung auch die kalten und warmen Betriebskosten. Diese steigen jedoch kontinuierlich, wogegen seitens Politik und Rechtsprechung leider nichts unternommen wird.

Zwar wird es mittlerweile als selbstverständlich angesehen, dass neben der Miete auch die Nebenkosten zu tragen sind. Grundsätzlich ist dies jedoch vom Gesetz- und Verordnungsgeber nicht vorgesehen. Die grundsätzlichen Voraussetzungen für die Miete von Wohnraum sind im § 535 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) geregelt. Gemäß § 535 Abs 1 BGB hat der Vermieter die Mietsache dem Mieter in einem zum vertragsgemäßen Gebrauch geeigneten Zustand zu überlassen und in diesem Zustand zu erhalten. Darüberhinaus hat er die auf der Mietsache ruhenden Lasten zu tragen und zu diesen gehören auch die Betriebskosten, wie beispielsweise das Oberlandesgericht Düsseldorf anlässlich eines Urteils von 2015 betreffend Nebenkosten präzisiert hat. Der Mieter ist im Gegenzug verpflichtet, dem Vermieter den vereinbarten Mietzins zu entrichten. Das Gesetz geht somit davon aus, dass der Vermieter die aus der Gebrauchsgewährung herrührenden Kosten in die Miete einkalkuliert und diese mit dem Mietentgelt abgegolten werden. 

Dieser gesetzgeberische Wille ist inzwischen bis zur Unkenntlichkeit ausgehöhlt. Da es keine Verbotsnorm gibt, sind die Bestimmungen abdingbar, das heißt, sie können durch abweichende vertragliche Vereinbarungen ersetzt werden. Im Mietvertrag kann also vereinbart werden, dass bestimmte Nebenkosten vom Mieter zu tragen sind.

Nettomieten seit dem Jahr 1998 

Noch bis Ende der 1980er Jahre stellten Betriebskosten zumindest in Berlin kein großes Problem dar. Dies lag zum einen daran, dass in West-Berlin bis 1987 die Mietpreisbindung galt. Bis 1949 errichtete Gebäude unterlagen den Bestimmungen der „Altbaumietenverordnung“ (AMVOB). Danach waren besondere Nebenkosten nach § 17 bis § 20  AMVOB mit Genehmigung der Preisbehörde umlagefähig. Darüberhinaus gab es hauptsächlich Bruttomietverträge. Das heißt: Die Betriebskosten sind in der Miete enthalten.

Zwar konnten auch bei einer Bruttomiete die Betriebskosten gesondert erhöht werden, jedoch nur dann, wenn diese nicht schon zuvor durch eine Mieterhöhung mit erhöht worden waren. Es ist daher augenfällig, dass die Nebenkosten nicht weiter ins Gewicht fielen, denn vermieterseits mussten zunächst die Betriebskosten in die Kostenkalkulation einbezogen werden. Die Möglichkeit, diese direkt an die Mieter/innen weiterzugeben, hatten die Vermieter nicht. Dies änderte sich erst, als Ende 1987 die Mietpreisbindung entfiel und 1988 der erste Mietspiegel eingeführt wurde, der jedoch noch Bruttomieten aufwies.

Die einschneidende Änderung erfolgte jedoch 1998. Nach der Wende galt in Ost-Berlin und den neuen Bundesländern bis 1997 noch eine Mietpreisbindung für Wohnungen erbaut bis 1990. Die Mieten in der DDR waren staatlich reguliert und betrugen je nach Austattung zwischen 0,40 bis 1,20 Mark/qm. Da die Nebenkosten in der Miete enthalten waren, handelte es sich um Bruttomieten. Ab Oktober 1991 galt die Betriebskostenumlageverordnung. Danach war es rechtlich möglich, die Nebenkosten per einseitiger Erklärung zusätzlich zur Miete umzulegen. In diesem Fall musste die am 2. Oktober 1990 zulässige Grundmiete um die in der Miete enthaltenen Nebenkosten gekürzt werden. Somit gab es in den neuen Bundesländern Nettomieten.

Nach dem Wegfall der Mietpreisbindung wurde ein neuer Mietspiegel erstellt, jedoch, im Hinblick auf die in Ost-Berlin nunmehr geltenden Nettomieten auch basierend auf Nettomieten. Obwohl diese Änderung als Verbesserung für die Mieter/innen angepriesen wurde, da die Mieterhöhungen angeblich auf einer niedrigeren Basismiete berechnet und die Betriebskosten für die Mieter/innen überschaubarer würden, hat allein die Berliner MieterGemeinschaft e.V. diesen Mietspiegel nicht unterschrieben. Sie befürchtete damals, dass die Betriebskosten steigen würden und aufgrund der Möglichkeit Nachzahlungen zu fordern und sodann die Vorauszahlungen zu erhöhen, de facto jährlich zwei Mieterhöhungen zu erwarten wären. Diese Befürchtungen sind leider eingetreten.  

65 Arten „sonstiger Betriebskosten“

Seit 1998 steigen die Betriebskosten nicht nur, es kommen vielmehr laufend neue Betriebskostenarten hinzu. Zwar schreibt das Gesetz vor, dass vermieterseits das Gebot der Wirtschaftlichkeit einzuhalten ist, gleichzeitig wird von der Rechtsprechung jedoch gefordert, dass mieterseits die Unwirtschaftlichkeit nachzuweisen ist.

Seit zudem Konzerne wie Deutsche Wohnen, Vonovia, Akelius und Co. Mietshäuser und Wohnanlagen aufgekauft oder deren Bewirtschaftung übernommen haben, ist auch die Anzahl der Betriebskostenarten gestiegen. Insbesondere wurde die Position der „sonstigen Betriebskosten" (nach § 2, Ziffer 17 BtrKV) neu entdeckt.

In älteren Mietverträgen sind als sonstige Betriebskosten allenfalls Dachrinnenreinigung und Schneebeseitigung vereinbart. Neuerdings werden hingegen teilweise bis zu 65 Positionen unter sonstigen Betriebskosten aufgeführt wie etwa im Vertrag der Deutsche Wohnen. 

Hierunter finden sich Kosten für: Reinigung des Abwassers, Concièrges/Sicherheitsdienst, Wachschutz, Dach- und Dachrinnenreinigung, Dachrinnenbeheizung, Glashausschau, Wartung schlüsselloser Zutrittssysteme, Pflege der Müllbehälter und Müllsammelstellen, Wartung von Elektroanlagen, Müllmanagement,  Wartung von Steigleitungen und Wartung von Fenstern und Oberlichtern.

In einem Vertrag der Gewobag werden als sonstige Betriebskosten 34 Positionen vereinbart, darunter die Kosten für die Begrünung der Tiefgarage und die Reinigung der Fassade. In einem älteren Vertrag der GSW sind es zwar nur 17 Positionen, darunter jedoch die Kosten für die Wartung und Pflege von Türöffner und Türsprechanlagen.

In einem Vertrag der Vonovia sind es 34 Positionen, darunter neben Sicherheitsdienst und Müllmanagement auch die „Kosten für technische Prüfdienste“, die „Wartung von Elektro- und technischen Anlagen“. In einem Vertrag der Allod sind als „sonstige Betriebskosten“ wiederum 65 Positionen aufgeführt, darunter die Wartung elektrischer Anlagen, der Abwasseranlage und der Fernsehüberwachung, die Wartung der Gegensprech- und Türöffneranlage, sowie der Fenster und Innentüren und der Dachrinnen.

Bei vielen dieser Positionen erscheint die Durchführung rätselhaft. Wie soll die Wartung der Fenster, der Türen oder auch der elektrischen Anlagen und Steigleitungen vorgenommen werden? Weitere Maßnahmen wie etwa die Dachbegrünung haben mit Betriebskosten nichts zu tun oder dienen der Instandhaltung, wie die Reinigung von Abwasseranlagen.

In § 1 BetrKV ist jedoch eindeutig geregelt, dass die Kosten der Instandhaltung, der Instandsetzung und der Verwaltung nicht zu den umlagefähigen Betriebskosten gehören. Auf dem Umweg über die sonstigen Betriebskosten wird dies jedoch immer weiter unterlaufen. Dies wird dadurch erleichtert, dass per Definition die Wartung Teil der Instandhaltung ist (DIN Norm 31051) und sich daher eine klare Abgrenzung als schwierig darstellt. 

Aufsplitterung der Hauswartskosten

Bei den Hauswartskosten fällt auf, dass  die großen Hausverwaltungen zunehmend  Verwaltungstätigkeiten wie auch Instandsetzungstätigkeiten auf die Mieterschaft abwälzen.

Das Bild des Hauswarts oder der Hauswartin, wie es noch die Älteren unter uns kennen, hat sich vollständig gewandelt. Früher war Hauswart oder Hauswartin für die Hausreinigung, Hofreinigung, Mülltrennung sowie kleinere Instandsetzungen, Entgegennahme und Weiterleitung von Mängelmeldungen und andere kleinere Verwaltungstätigkeiten zuständig.

Da die Hauswarte hierfür als Entgelt eine Hauswartswohnung nutzen durften und die Kosten sich in einem überschaubaren Rahmen hielten, wurde der einzelnen Vertragsgestaltung keine große Bedeutung beigemessen. 

Neuerdings werden die einzelnen Tätigkeitsfelder voneinander getrennt in die reine Hauswartstätigkeit, die Hausreinigung, Gartenpflege und Schneebeseitigung. Ebenfalls nach Umstellung des Mietspiegels auf Nettomieten und dem zunehmenden Abschluss von Nettomietverträgen wurden eigene Wirtschaftszweige gegründet, die obige Tätigkeiten übernehmen. Zum Teil werden diese Tätigkeiten wie bei der Degewo oder auch der Vonovia von eigenen Subunternehmen durchgeführt. Auch das sogenannte „Müllmanagement“ wird von, wie es scheint, extra hierfür gegründeten Firmen vorgenommen.

Besonders bei den Hauswartstätigkeiten fällt auf, dass die Entlohnung hauptsächlich für Sichtkontrollen und andere Kontrolltätigkeiten wie Überprüfung der Schlösser, der Beleuchtung oder der Einweisung und Überwachung von Handwerker/innen gewährt wird. Zum Teil werden sogar bei den Hauswart/innen Materialkostenpauschalen geltend gemacht. Dies fällt allerdings erst nach Überprüfung der Verträge auf.

Auch die Kosten der Sach- und Haftpflichtversicherung sind, nachdem überregionale Firmen auftreten, enorm gestiegen. Dies liegt daran, dass Firmen wie Deutsche Wohnen, Vonovia und andere sogenannte kombinierte Sach- und Haftpflichtversicherungen abschließen, in denen zu den versicherten Gefahren auch solche gehören, die mit der Lage des eigenen Wohnhauses nichts zu tun haben.

Ebenso wurden von der Politik neue Positionen wie „Elementarschadenversicherungen“ eingeführt. Dies führt dazu, dass in Berlin Versicherungsprämien für die Schäden von Erdrutsch, Erdsenkung, Schneedruck, Lawinen, Vulkanausbruch oder Sturmflut mit zu tragen sind. 

Auch die Prämien für eine Versicherung vor „Terror, radioaktivem Niederschlag, Schäden im Zusammenhang mit inneren Unruhen, Graffiti, und Überschallknall“ werden aufgeführt.  In den Verträgen wird ausdrücklich benannt, dass die Kosten zur Ungezieferbeseitigung, die nicht als Betriebskosten umgelegt werden können, mitversichert sind. Das Gleiche gilt für die Kosten zur Beseitigung von Gebäudeschäden bei Einbruch und den Kosten für Inventarversicherungen.

Dies hat nicht nur zur Folge, dass die Nebenkosten steigen, sondern auch mit der Behauptung der Erhöhung der Schadensfälle die Versicherungsprämien regelmäßig erhöht werden.

Die Politik muss Grenzen setzen 

Von der Politik wird ein Übriges getan, um die Nebenkosten weiter zu erhöhen. So wurden vor Jahren die Kosten der Schornsteinreinigung freigegeben. Waren zuvor nur die öffentlichen Gebühren umlagefähig, sind die Kosten aufgrund der Kehr- und Überprüfungsordnung nunmehr fast frei verhandelbar. Ein Anstieg der Kosten pro Haus von zuvor circa 300 Euro auf nunmehr durchschnittlich 2.000 bis 3.000 Euro ist die Folge. 

Ähnliches ist bei den Heizkosten zu bemerken. Hier wurde geregelt, dass Wärmecontracting eingeführt werden kann. Nicht eindeutig geregelt wurde jedoch, dass auch hier nur die gesetzlich zulässigen Kosten umlagefähig sind. Die insofern vorliegende Regelung, dass es bei einer Umstellung nicht zu einer Kostenerhöhung kommen darf, reicht nicht aus. Denn bei Durchsicht der Verträge ist festzustellen, dass auch Instandsetzungs- und Instandhaltungskosten und weitere Kosten in die Grundumlage einfließen.

Auch bei der Anmietung von Heiz- und Warmwasserkostenerfassungsgeräten ist lediglich geregelt, dass der Mieter über eine entsprechende Absicht informiert werden muss. Bei der Anmietung von Heiz- und  Warmwassererfassungsgeräten handelt  es sich jedoch ebenfalls um verkappte Anschaffungskosten. Und Anschaffungskosten sind vom Mieter nicht zu tragen, was gesetzlich präzisiert werden müsste.

Man erhält den Eindruck, dass bei Rechtsprechung und Politik der Wille fehlt, im Sinne der Mieterschaft tätig zu werden und geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um die immer höher werdenden Nebenkosten einzudämmen.

Obwohl es am besten wäre, zum Prinzip der Bruttokaltmieten zurückzukehren, wäre ein erster Schritt, die Position „sonstige Betriebskosten“ sowie Hauswartskosten zu streichen und die Rechtsprechung bei der Überprüfung von Betriebskosten und Nebenkosten an den Grundgedanken des § 535 BGB zu erinnern, denn dieser hat weiterhin Bestand.     

 

Maja Lachmund war als Anwältin mit dem Schwerpunkt Mietrecht tätig. Seit 2015 berät sie zum Thema Betriebskosten bei der Berliner MieterGemeinschaft.


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