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MieterEcho 420 / September 2021

Zukunft der „Rigaer 94“ weiter ungewiss

Juristisches Tauziehen um Vollmacht des vermeintlichen Eigentümers

Von Sandra Schönlebe

Das seit 1990 existierende linksalternative Hausprojekt „Rigaer 94“ in Berlin-Friedrichshain beschäftigt seit Jahren nicht nur die Landespolitik, sondern auch die Berliner Gerichte. Nach einigem Hin und Her erfolgte Mitte Juni nach einer Entscheidung des Verwaltungsgerichts eine Brandschutzbegehung durch einen vereidigten Gutachter. Der Weg dahin verdeutlicht, wie kompliziert die Situation um das Objekt in juristischer und politischer Hinsicht ist.

Im Dezember 2020 hatte der zuständige Baustadtrat von Friedrichshain-Kreuzberg, Florian Schmidt (Bündnis 90/Die Grünen), angeordnet, dass der Eigentümer eine Brandschutzbegehung durchführen und Mängel beheben soll. Das Kammergericht erließ eine einstweilige Verfügung, die der britischen Briefkastenfirma, der das Haus gehört, den Zutritt zum Haus erlaubt. Diese sollte am 11. März 2021 stattfinden. Hierfür hatte die Polizei bereits Kräfte aus dem Bundesgebiet angefordert und deren Unterbringung geplant. Das Berliner Verwaltungsgericht entschied jedoch zwei Tage vorher, dass die Bewohner/innen erst behördlich zu einer Duldung der Begehung zu verpflichten sind. Diese lag nicht vor, also wurde das Unterfangen verschoben. 

Auch der Berliner Senat beschloss zeitgleich, dass eine Anordnung des Bauamtes zur Duldung einer Begutachtung an die Bewohner/innen zu erlassen ist, und drohte, sonst selbst mit einer sogenannten Ersatzvornahme Tatsachen zu schaffen. Innensenator Andreas Geisel (SPD), der die Vorlage einbrachte, hielt laut einer Pressemitteilung des Senats die bereits durchgeführte Besichtigung „für widersprüchlich und unzureichend" und stellte sich somit offen gegen Schmidt. Der wollte einen großen Polizeieinsatz verhindern und schickte ebenfalls am 9. März eine Mitarbeiterin der Bauaufsicht zum Objekt. Der Eigentümer hatte gegen eine solche Begehung durch den Bezirk geklagt. Die Bewohner/innen kooperierten und ließen eine vollständige Augenscheinnahme ihres Hauses zu, ein Mängelprotokoll wurde erstellt, eine Nutzungsuntersagung jedoch nicht ausgesprochen. Dies geschieht bei eklatanten Mängeln, die eine Gefahr für Leib und Leben darstellen.

Keine gravierenden Mängel

Doch das alles reichte nicht und am 17. Juni erfolgte mit großem Polizeiaufgebot und gegen den Widerstand der Bewohner/innen des teilbesetzten Hauses die Begutachtung. Ihr Anwalt Lukas Theune gegenüber MieterEcho: „Gravierende Mängel hat auch dieser Gutachter nicht festgestellt.“ Ein zugemauerter Durchgang in den Garten, der noch zu Ostzeiten verschlossen worden war, sei beispielsweise bemängelt worden. Laut Theune wurden diese jedoch bereits weitestgehend behoben. Er ergänzte, dass die Bewohner/innen weiter mit dem Bezirksamt in Kontakt stünden. „Ihnen selbst ist sehr daran gelegen, bei einem Brand, wer auch immer den legen würde, sicher zu sein.“ 

Die Begehung stellt jedoch nur eine Etappe in dem Konflikt dar. Aktuell sind noch eine Klage gegen die im Haus befindliche Kneipe „Kadterschmiede“ sowie zwei Klagen bezüglich Wohnungen im Vorderhaus des Objektes anhängig. Termine für die mündliche Verhandlung gibt es noch keine.

Doch auch hier droht eine Verschlechterung für das Projekt. Das Landgericht war in der Vergangenheit der Auffassung von dessen Anwälten Lukas Theune und Benjamin Hersch gefolgt und hatte die Bevollmächtigung des Eigentümeranwalts Markus Bernau angezweifelt. 

Diese ist von Mark Robert Burton unterzeichnet. Burton gibt an, Geschäftsführer der Eigentümerfirma „Lafone Investments Limited“ zu sein, die das Gebäude 2015 für 1,2 Millionen Euro erwarb. Argumentiert wurde, dass dem zugrunde liegenden englischen Handelsregister nicht die gleiche Zuverlässigkeit zukäme wie dem deutschen. Dadurch kassierte der Eigentümer, der durch die Verschleierung seiner Identität enorme Steuerersparnisse verzeichnen dürfte, mehrere abweisende Urteile. Das Kammergericht hat nun ausdrücklich nur für den einstweiligen Rechtsschutz entschieden, die Vollmacht zu akzeptieren, weil diese Verfahren schnell gehen müssten. „Es sieht aber zurzeit so aus, als ob andere Gerichte das ignorieren und den Beschluss auf das Hauptsacheverfahren übertragen. 

Dagegen kämpfen wir an“, so Theune. 


MieterEcho 420 / September 2021