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MieterEcho 407 / Januar 2020

Zweckentfremdungsverbot: Ein zahnloser Tiger?

Im Bezirk Mitte will die zuständige Stadträtin die Kooperation mit Anwohnerinitiativen ausbauen

Von Heiko Lindmüller

Die Auseinandersetzung über den Mietendeckel hat das Thema Zweckentfremdung weitgehend an den Rand gedrängt. Dabei sind die Probleme keineswegs gelöst. Das im November 2013 beschlossene und im Mai 2018 novellierte Zweckentfremdungsverbotsgesetz, mit dem sowohl Leerstand als auch Nutzung von Wohnungen als Ferienapartments eingedämmt werden sollen, hat kaum Wirkung entfaltet. Zwar ist die zeitweise Vermietung von Zimmern und ganzen Wohnungen über einschlägige Portale wie Airbnb durch die Novelle teilweise legalisiert worden, doch die damit verbundene Anmeldepflicht wird weitgehend ignoriert.                                        

Nach Untersuchungen des rbb und des Tagesspiegel sind rund 85% aller  Angebote nicht bei den Bezirksämtern registriert worden und somit illegal. Bei vielen Anwohner/innen wächst der Frust über die Tolerierung von Zweckentfremdung und Leerstand. Bürgerhinweise versanden in Schubladen, die Arbeit der zuständigen Amtsstellen ist alles andere als transparent.      

             
Das war Anlass für die Bezirksgruppe Wedding der Berliner Mietergemeinschaft und die Moabiter Initiative „Runder Tisch gegen Gentrifizierung“, der Stadträtin für Bürgerdienste des Bezirks Mitte Ramona Reiser (Die Linke) bei einer öffentlichen Veranstaltung im Rathaus Tiergarten auf den Zahn zu fühlen. Denn die innerstädtischen Altbauquartiere in Moabit und Wedding gehören zu den Berliner Hotspots der Zweckentfremdung für touristische Nutzung.       

             
Dabei könnte das Zweckentfremdungsverbotsgesetz durchaus ein scharfes Schwert sein – wenn es denn konsequent angewendet würde. Es enthält ein „Rückführungsgebot“ zweckentfremdeter Wohnungen auf den Wohnungsmarkt und setzt dafür enge Fristen. Auch Räumungsanordnungen sind möglich. Bei Leerstand kann bei Überschreitung der genehmigungsfähigen Fristen die treuhänderische Verwaltung angeordnet werden. Zudem können Bußgelder von bis zu 500.000 Euro verhängt werden.                                        
Verwaltung ist überlastet       
Doch die Realität sieht anders aus. Wie Stadträtin Reiser erläuterte, sei zum einen die zuständige Fachabteilung vollkommen überlastet, da bisher nicht alle Stellen besetzt werden konnten. An systematische Anbieterrecherche oder Vor-Ort-Kontrollen sei nicht zu denken, da sich „auf den Schreibtischen riesige Aktenberge stapeln, die noch in Bearbeitung sind“, so Reiser. Es gebe aber auch keine Software, mit der die Angebote auf den einschlägigen Portalen entsprechend gefiltert werden können.               

Dazu kommt die lange Verfahrensdauer, die Reiser anhand eines Musterfalls erläuterte. Nach einer Verdachtsmeldung auf Zweckentfremdung erfolgt zunächst eine Anhörung. Führt diese zu einem Unterlassungsbescheid und einem Bußgeld, kann der oder die Betroffene Widerspruch einlegen. Wird dieser negativ beschieden, steht anschließend der Klageweg vor dem Verwaltungsgericht offen. Bis zu einer endgültigen Entscheidung und dann erst möglichen Wahrnehmung des „Verwaltungszwangs“ vergehen oft knapp zwei Jahre. Gerade bei Verfahren wegen Leerstands habe man es oftmals mit spezialisierten Anwält/innen zu tun, die mit immer neuen Gutachten die Wiederherstellung der Räumlichkeiten für den normalen Wohnungsmarkt zu verhindern suchen, so Reiser. Entsprechend mager sieht auch die Bilanz des Bezirks bei Rückführungen und Bußgeldern aus.         

  
Die Stadträtin räumte ein, dass weder die Schlupflöcher im Gesetz noch die Defizite in der Verwaltung kurzfristig zu beheben seien. Auch für die Kritik an der mangelnden Transparenz bei den laufenden Verfahren habe sie volles Verständnis, „aber da sind uns durch entsprechende Datenschutzbestimmungen die Hände gebunden“.                    


Reiser will daher vor allem die Zusammenarbeit mit den örtlichen Initiativen verbessern. Man müsse für die Profiteure der Zweckentfremdung „ein ungemütliches Klima schaffen“, auch durch öffentlichkeitswirksame Aktionen vor und in betroffenen Häusern. Bei den Teilnehmer/innen der Veranstaltung stieß dieses Kooperationsangebot auf allgemeine Zustimmung. Nun geht es darum, dem auch konkrete Taten folgen zu lassen.          


MieterEcho 407 / Januar 2020