Interessengemeinschaft und Beratung für Berliner Mieter
MieterEcho 409 /

Wer zahlt für die Corona-Krise?

Die Immobilienwirtschaft an den Kosten beteiligen

Von Philipp Mattern

Die Immobilienwirtschaft wird die Corona-Krise weitgehend unbeschadet überstehen. Die Frage ist, wie sie an den Kosten beteiligt werden kann. Denn im Gegensatz zu Arbeitnehmerhaushalten, kleinen Selbständigen und Gewerbetreibenden verfügen die Immobilieneigentümer/innen über enorme Sachwerte. Schon die unmittelbaren, durch den Lockdown angeordneten Maßnahmen hatten sozial äußerst selektive Folgen. So etwa die Verlagerung wesentlicher Bereiche des Lebens in die eigenen vier Wände – Stichwort: Homeoffice plus Kinderbetreuung.                                       


„Wo die Armut am größten ist, leben die Menschen auch auf engstem Raum“, fasste es die Stadtsoziologin Talja Blokland Anfang April in der Berliner Zeitung zusammen. Die Corona-Maßnahmen trafen die Mieter/innen ungleich härter als die Eigentümer/innen. Während Erstgenannte im Berliner Durchschnitt keine 37 qm Wohnfläche pro Person zur Verfügung haben, sind es bei Letztgenannten 49 qm. Haushalte mit einem monatlichen Einkommen von unter 2.000 Euro netto wohnen im Schnitt in höchstens 64 qm großen Wohnungen, Haushalte mit mindestens 4.500 Euro auf weit über 100 qm. Medien berichten über geschlossene Essenstafeln und hungrige Kinder aufgrund wegfallender Schulspeisungen. Wie unter einem Brennglas zeigten sich soziale Missstände angesichts der verordneten Maßnahmen.Vor allem prekär Beschäftigte und Kleinunternehmer/innen waren mit erheblichen Einnahmeeinbußen aufgrund wegbrechender Aufträge konfrontiert, ebenso Arbeitnehmer/innen in Kurzarbeit. Große Sorge bereiteten vor allem die anstehenden Mietzahlungen, die bei den meisten Haushalten den größten Posten auf der Ausgabenseite darstellen. Etwa ein Drittel der Mieter/innen in Berlin gibt schon im Normalbetrieb um die 40% und mehr des Einkommens für die Miete aus. Hierauf reagierte die Politik äußerst schnell mit Sofortmaßnahmen wie Zuschüssen, Krediten und einer zumindest vorübergehenden Herabsetzung der Hürden zur Beantragung von Hartz IV. Das ist gut, sofern es unmittelbare Existenzbedrohungen abwendet, aber Verteilungsdefizite werden so nicht behoben.      

     
Das gilt ebenso für das vom Bund kurzfristig beschlossene Gesetz, nach dem Mietschulden, die von April bis einschließlich Juni bedingt durch die Pandemie entstehen, für die Dauer von zwei Jahren nicht zur Kündigung und damit zum Verlust der Wohnung führen dürfen. Der Haken: Die Mietschulden verschwinden nicht, sie werden später fällig, und zwar zuzüglich recht hoher Verzugszinsen. Schnell wurde von verschiedenen Seiten der Ruf nach einer staatlichen Übernahme von Mietzahlungen laut, sofern die Mieter/innen sie nicht leisten können. Dass auch die Immobilienwirtschaft diese Idee unterstützte, ist kein Zufall, wären damit doch letztlich auch ihre hohen Gewinne gesichert. Statt um eine Win-win-Situation handelt es sich also um ein Dilemma. Eine staatliche Mietkostenübernahme, die nicht nur die Mieter/innen von Schulden befreit, sondern auch die Profite der Vermieter/innen garantiert, ist zudem wenig wert, wenn die einen anschließend unter Sparmaßnahmen und Sozialabbau leiden müssen, während die anderen es sich wie gewohnt gut gehen lassen.                   

               
Umverteilt wird hinterher       
„Das wird eine harte Debatte geben, wer die Kosten für die Rettungspakete trägt“, erklärte der Baden-Württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) Anfang April im Interview mit der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung. Denn „Geld fällt ja nicht vom Himmel“, sondern es muss „im Haushalt anderswo eingespart werden“. Das sind klare Worte zu einem außergewöhnlich frühen Zeitpunkt, denn umverteilt wird meist erst hinterher. Die Kosten für die diversen Hilfs- und Rettungsmaßnahmen sind erheblich. Zudem wird das Steueraufkommen in absehbarer Zeit deutlich niedriger ausfallen als erwartet. Die nun entscheidende Frage ist, wie die Kosten dieser Krise mittel- und langfristig verteilt werden. Große Aufmerksamkeit verdient hier die Diskussion um eine Vermögensabgabe. Sie verspricht eine durchaus passable Möglichkeit, auch die Immobilieneigentümer/innen mit ihren hohen Vermögensbeständen zur Kasse zu bitten.  


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