Interessengemeinschaft und Beratung für Berliner Mieter
MieterEcho 412 / Oktober 2020

Unter Druck

Corona, Mietendeckel und Proteste setzen Covivio zu

Von Philipp Möller

Die Durchschnittsmiete in Berliner Wohnungen der Covivio SE belief sich im Jahr 2018 auf 8 Euro/qm. Damit gehört das Unternehmen laut einer Studie der Rosa-Luxemburg Stiftung zu den börsennotierten Immobilienaktiengesellschaften mit den teuersten Wohnungen auf dem Berliner Markt. 2019 steigerte es durch die Neuvermietung zu Höchstpreisen seine Einnahmen aus dem Vermietungsgeschäft laut Geschäftsbericht um 47%. Der Mietendeckel schiebt diesem Geschäftsmodell für den Berliner Bestand nun einen Riegel vor.

77% der Mieten liegen laut Geschäftsbericht 2019 über den Obergrenzen des Gesetzes. 52% übersteigen sie sogar um über 120% und müssen ab Ende November abgesenkt werden. Für das laufende Jahr kalkuliert der Konzern mit Einbußen von 1,5 Millionen Euro und für 2020 mit 6 Millionen Euro. Auch der Aktienkurs des französischen Unternehmens Covivio SA brach im Jahresvergleich um mehr als 35% ein (Stand Anfang September 2020). Die Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung hinterlassen ihre Spuren an Europas viertgrößtem REIT (Real-Estate-Investment-Trust), dessen Portfolio zu 15% aus Hotelimmobilien in europäischen Metropolen besteht. Laut Halbjahresbericht 2020 waren auf dem Höhepunkt des europaweiten Lockdowns rund 80% der eigenen Hotels geschlossen und seit den Lockerungen im Juni sind ihre Kapazitäten nur zu 10% bis 20% ausgelastet. Der Erlös pro verfügbarer Zimmerkapazität brach gegenüber dem Vorjahreszeitraum um 65% ein.

Das Hauptgeschäft von Covivio liegt in der Verwertung von Gewerbeimmobilien. 60% seines Portfolios bestehen aus Gewerbeflächen in Frankreich, Italien und Deutschland. Laut konzerneigenen Angaben schlug die Corona-Krise in diesem Geschäftszweig bisher kaum durch. Gleiches gilt für die im ersten Halbjahr um 2,9% gestiegenen Einnahmen aus dem Geschäft mit deutschen Wohnimmobilien. Seit 2018 bewirtschaftet der Konzern dieses Segment unter dem Dach seines Tochterunternehmens Covivio SE. In der Unternehmensform als REIT darf der Mutterkonzern Covivio SA selbst auf dem deutschen Wohnungsmarkt keine Wohnimmobilien mit Baujahr vor 2007 erwerben. Deutschlandweit besitzt Covivio mehr als 40.000 Wohneinheiten. Berlin ist mit rund 16.000 Wohnungen und einem Anteil von 40% der wichtigste Standort. Zwischen 2014 und 2018 erwarb das Unternehmen Wohnimmobilien für insgesamt 2,06 Milliarden Euro in Berlin.

Geschäftsmodell Umwandlung

Die Einbußen durch den Mietendeckel werden nach Einschätzung des Unternehmens allerdings nur kurzfristig sein. Es verweist auf alternative Verwertungsmöglichkeiten wie den Verkauf von in Eigentum umgewandelten Mietwohnungen und die Projektentwicklung. Mehr als 50% des Berliner Wohnungsbestands sind laut konzerneigenen Angaben bereits in Wohneigentum umgewandelt. Für 850 Millionen Euro will der Konzern in den kommenden Jahren 3.150 Wohneinheiten in Berlin neu errichten und fokussiert sich dabei auf den Bau von Eigentumswohnungen. Am Alexanderplatz zieht er einen 130 Meter hohen Gebäudekomplex hoch. Auf 60.000 Quadratmetern entstehen hier Büro- und Einzelhandelsflächen, teure Wohnungen, Co-Living Apartments und Gastronomie.

Das Treiben von Covivio in Berlin stößt mittlerweile auf vermehrten Widerstand. Im Bezirk Mitte gründete sich im Herbst 2019 eine Vernetzung von Mieter/innen. Laut Initiative besitzt das Unternehmen mehr als 100 Häuser im Bezirk. Betroffene berichten von mangelhaften Instandhaltungsmaßnahmen. Nebenkosten würden oftmals fehlerhaft berechnet und leere Wohnungen nach Luxusmodernisierungen teuer vermietet. Die Mietpreisbremse werde systematisch umgangen. Den Abgeordneten der Bezirksverordnetenversammlung Mitte übergaben Mieter/innen Anfang März einen offenen Brief mit einer Zusammenfassung der Probleme sowie einen Forderungskatalog. Nach einer pandemiebedingten Pause will die Initiative ihre Arbeit nun wieder aufnehmen. In Kreuzberg haben sich einige Covivio-Mieter/innen, deren Wohnungen in Wohneigentum umgewandelt wurden, in der Initiative #200 Häuser organisiert. Neben Corona und Mietendeckel drohen Covivio demnächst wohl weitere Schwierigkeiten durch aufkeimende Proteste.


MieterEcho 412 / Oktober 2020

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