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MieterEcho 414 / Februar 2021

Teilerfolg mit bitterem Beigeschmack

Für die 82 Häuser von Heimstaden in Milieuschutzgebieten wird es Abwendungsvereinbarungen geben. Doch was passiert mit dem Rest?

Von Rainer Balcerowiak

Kein Immobilienunternehmen hat in den vergangenen Monaten für so viel Furore gesorgt wie die schwedische Heimstaden Bostad AB des norwegischen Multimilliardärs Ivar Tollefsen, die auf dem deutschen Markt gemeinsam mit der schwedischen Skjerven Group GmbH agiert.

Nach zunächst vereinzelten Ankäufen investierte Heimstaden im großen Stil und verfügt mittlerweile über ein Portefeuille von knapp 150 Mietshäusern mit über 4.000 Wohnungen. Mehr als die Hälfte der Objekte befinden sich in Milieuschutzgebieten, in denen die Bezirke über einige Interventionsmöglichkeiten bei derartigen Verkäufen verfügen. Weigert sich der Käufer, eine so genannte Abwendungsvereinbarung zu unterzeichnen, mit der den Mieter/innen ein – wenn auch beschränkter – Schutz vor Verdrängung durch Luxusmodernisierungen und Umwandlung in Einzeleigentum garantiert wird, kann der jeweilige Bezirk sein Vorkaufsrecht geltend machen und zugunsten Dritter in den Kaufvertrag eintreten. Doch dieses von der rot-rot-grünen Koalition wiederentdeckte und zwischenzeitlich als „Wunderwaffe gegen Spekulanten“ gepriesene Instrument  des Baugesetzbuchs ist inzwischen deutlich an seine Grenzen gestoßen. Denn die Verkaufspreise bewegen sich oftmals in schwindelerregenden Höhen, die eine sozialverträgliche Bewirtschaftung schier unmöglich machen.  In mehreren Fällen strebten die jeweiligen Bezirke zwar einen Vorkauf an, fanden aber kein städtisches oder anderes Wohnungsunternehmen, das in die Verträge einsteigen wollte. Bislang gibt es keine gesetzliche Möglichkeit, die Preise beim Vorkauf am Ertrags- oder Verkehrswert der Häuser zu orientieren. Der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg hat einen entsprechenden Musterprozess für ein Haus am Mehringdamm angestrengt, dessen Dauer und Ergebnis aber vollkommen unklar ist.

Für 20 Jahre keine Umwandlung

Senat und Bezirke orientieren deshalb auf Abwendungsvereinbarungen. Im Fall Heimstaden ging es dabei um eine Paketlösung für alle 82 in Milieuschutzgebieten befindlichen Häuser mit insgesamt 2.200 Wohnungen. Am 20. November wurde eine entsprechende Vereinbarung erzielt. Demnach verpflichtet sich Heimstaden unter anderem, auf die Umwandlung der Mietshäuser in Eigentumswohnungen für die Dauer von 20 Jahren zu verzichten. Zudem sollen möblierte Wohnungen mit befristeten Mietverträgen in reguläre Mietverhältnisse auf unbestimmte Zeit umgewandelt werden und Modernisierungskosten nur in einem Umfang auf die Mieter/innen umgelegt werden können, mit dem die Nettokaltmiete die Schwelle von 30% des Haushaltseinkommens nicht übersteigt.

Vertreter des Senats und der Bezirke zeigten sich sichtlich erleichtert über die Vereinbarung. Denn eine Ausübung des Vorkaufsrechts für alle betroffenen Häuser hätte mit einem mittleren dreistelligen Millionenbetrag zu Buche geschlagen und wäre angesichts der derzeitigen Haushaltslage und der großen coronabedingten Neuverschuldung wohl kaum realisierbar gewesen. 

Auch der Konzern, der in Verlautbarungen zuvor vor allem durch harsche Ausfälle gegen die „sozialistische Wohnungspolitik“ des Senats in Erscheinung getreten war, schlug ungewohnte Töne an. „Damit es gelingt, freundliche Wohnungen und Nachbarschaften zu schaffen, brauchen wir glückliche Kunden, die sich sicher fühlen und die sicher sind, dass sie ihre Wohnung so lange behalten können, wie sie wollen. Alle unsere deutschen Kunden können sicher sein, dass sie langfristig planen können, wenn sie eine Wohnung von Heimstaden mieten“, so der Vorstandsvorsitzenden Patrik Hall in einer Erklärung. Mit der Vereinbarung unterstreiche Heimstaden sein Versprechen, „sich langfristig als engagierter und fairer Partner auf dem Berliner Wohnungsmarkt zu engagieren“. Man freue sich darauf „die Zusammenarbeit mit den Bezirken weiter auszubauen“ und „in den nächsten Monaten viele positive Veränderungen gegenüber unseren Kunden einzuführen“. Da reibt man sich schon verwundert die Augen, denn der Konzern ist für seine ruppigen Verwertungsstrategien bekannt und berüchtigt. Im Mittelpunkt stehen dabei Entmietung, Luxussanierung, Umwandlung in Einzeleigentum oder in möblierte Apartments, die zu entsprechend hohen Preisen angeboten werden.

Christian, einer der Sprecher der „Mieter:innengewerkschaft“, die sich auch als Vernetzungsplattform für die betroffenen Bewohner/innen der Heimstaden-Häuser versteht, bewertete das gegenüber MieterEcho als Teilerfolg der zahlreichen Proteste mit Kundgebungen und Demonstrationen in vielen Bezirken.  Allerdings sei es nicht hinnehmbar, dass es keine Lösung für jene 48 Häuser gebe, die sich nicht in Milieuschutzgebieten befinden. Aber „trotz allem Frust: Wir haben starke Hausgemeinschaften gewonnen, an denen Heimstaden sich die Zähne ausbeißen wird. Und wir haben gesehen, dass wir nicht machtlos sind! Ohne unseren Kampf hätten sie die Häuser umsonst bekommen“, heißt es in einer bei Twitter verbreiteten Stellungnahme. 

Die Proteste sollen weiter gehen, bis alle Bewohner/innen von Heimstaden-Häusern zumindest mittelfristig vor Verdrängung geschützt sind. Darüber wird derzeit verhandelt, doch der Senat ist in keiner starken Position, und daher ist kaum zu erwarten, dass Heimstaden für diese Häuser zu ähnlichen Zugeständnissen bereit sein wird. Der Senat solle die für eine Gesamtlösung  notwendigen Mittel bereitstellen, so Christian. Außerdem müsse das Vorkaufsrecht  über die Milieuschutzgebiete hinaus ausgeweitet werden, um Mieter/innen in der ganzen Stadt vor Verdrängung durch Spekulanten zu schützen. Der Preis dieser Immobilien müsse bei ihrem Ertragswert gedeckelt werden, der anhand des Bodenrichtwertes und der zu erwartenden Mieteinnahmen ermittelt wird. Christian räumt ein, dass sowohl ein allgemeines Vorkaufsrecht als auch die Deckelung des Verkaufspreises nicht in der Kompetenz des Landes Berlin liegen. Dies seien vielmehr „langfristige politische Forderungen, die über die aktuellen Kämpfe der Mieter/innen um ihre Häuser hinausgehen“. 

Keine Lösung in Sicht

In der gegenwärtigen Situation ist die Orientierung auf Vor- oder Ankäufe seitens des Landes und seiner Wohnungsbaugesellschaften oder anderer, weitgehend regulierter Vermieter allerdings nicht die Lösung, sondern Teil des Problems. Zwar ist es aus Sicht der jeweils betroffenen Mieter/innen nachvollziehbar, dass sie der permanenten Angst vor möglichem Wohnungsverlust durch einen renditeorientierten Investor entgehen wollen, doch die Immobilienspekulation wird damit nicht eingedämmt, sondern eher noch weiter beflügelt. Investoren gehen faktisch kein Risiko ein. Entweder, sie ziehen ihre Pläne zur Verwertung der Häuser einfach durch oder sie diktieren bei Vor- und Ankäufen die zu zahlenden Preise. Beim Vorkaufsrecht kommt ein weiterer Faktor dazu. Nur Häuser mit einer eloquenten, politisch und medial gut vernetzten Mieterschaft haben eine realistische Chance, in den Genuss dieses Instruments zu kommen, alle anderen gehen leer aus. Zudem geht bei der Orientierung auf Vorkauf oft unter, dass zumindest keine unmittelbare Gefahr für die Mieter/innen besteht, da sie durch Milieuschutzsatzungen lange Fristen für Eigenbedarfskündigungen und nicht zuletzt durch den Mietendeckel und das geltende Mietrecht einen gewissen Schutz haben. Zurück zu Heimstaden. Die Verhandlungen zwischen dem Senat und dem Konzern über die verbleibenden Häuser haben bisher noch zu keinem Ergebnis geführt. Derzeit ist vollkommen unklar, ob es zu einer Paketlösung, zu Teilankäufen oder zu einer Art Kooperationsvereinbarung kommt. Der Konzern signalisierte auch Gesprächsbereitschaft mit den Mieterinitiativen, die ihre Protestaktionen unter anderem vor der Berliner Niederlassung am Kurfürstendamm auch nach der Einigung über die Abwendungsvereinbarungen in den Milieuschutz-Häusern fortsetzten. Zu dem Forderungskatalog gehören ein „generelles und ausnahmsloses Umwandlungsverbot, ein Mitbestimmungsrecht durch Mieter/innenbeiräte, ein Einfrieren der Mieten auf dem Stand des 24. November, sowie die unverzügliche Neuvermietung leerstehender Wohnungen“.  Das klingt nach einem Wunschzettel, der in dieser Form von dem Konzern wohl kaum erfüllt werden wird. Heimstaden signalisierte zwar prinzipiell „Gesprächsbereitschaft“ mit der Initiative, sagte aber einen Termin am 10. Dezember kurzfristig ab.


MieterEcho 414 / Februar 2021