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MieterEcho 415 / März 2021

SPD will mehr Tempelhof wagen

Randbebauung soll ins Wahlprogramm. Schroffe Ablehnung bei Grünen und Linken

Von Rainer Balcerowiak

Die SPD will erneut das Thema Randbebauung des Tempelhofer Feldes in den Fokus der Öffentlichkeit rücken. Im vom Landesvorstand in einer Klausurtagung verabschiedeten Entwurf für das Wahlprogramm zur kommenden Abgeordnetenhauswahl gibt es einen entsprechenden Absatz im Kapitel „Wohnen und Bauen“. Dort heißt es: „Die SPD steht dem Wohnungsbau auf ausgewählten Randflächen des Tempelhofer Feldes offen gegenüber.“

„Dabei wollen wir den Erhalt der Freiflächen zur Erholung und Bewegung sicherstellen. Der Bau von bezahlbarem Wohnraum und der Erhalt von öffentlichen Grünflächen müssen sorgfältig miteinander abgewogen werden. Die Entscheidung darüber obliegt jedoch letztlich den Berlinerinnen und Berlinern. Wir werden deshalb eine Diskussion mit der Stadtgesellschaft darüber führen und sind für einen zweiten Volksentscheid offen. Sollte es eine Mehrheit für eine Randbebauung mit Wohnungen und sozialer Infrastruktur geben, ist es für uns zwingend, dass die Flächen nur für Wohnungsbau durch die landeseigenen Wohnungsunternehmen und Genossenschaften genutzt werden.“ Das Wahlprogramm soll nach umfassenden Beratungen an der Basis im April auf einem Landesparteitag verabschiedet
werden.

Besonders entschlossen klingt das allerdings nicht, wie aus der Formulierung „wir sind dafür offen“ ersichtlich ist. Auch klingen die Pläne eher wolkig. So wird weder der mögliche Umfang einer  Bebauung, noch ein Zeitplan genannt. Auch die Modalitäten eines eventuellen Volksentscheides bleiben im Dunkeln, denn einen Volksentscheid „von oben“ sieht das Landesrecht nicht vor.

Bei den Partnern einer möglichen Neuauflage der rot-rot-grünen Koalition wird man mit dem Vorhaben ohnehin auf Granit stoßen. Im Koalitionsvertrag für die laufende Legislaturperiode wurde eine Randbebauung des Feldes kategorisch ausgeschlossen. Und an der Haltung der Grünen und der Linken hat sich wenig geändert. „Corona hat nochmal verdeutlicht, wie zentral Freiflächen in einer dicht besiedelten Metropole sind. Der Vorschlag der SPD geht an den realen Problemen beim Neubau vorbei“, erklärte Katrin Schmidberger, Sprecherin für Wohnen und Mieten der Grünen im Abgeordnetenhaus, auf MieterEcho-Anfrage. Nicht das Bauland sei das Problem, man bräuchte „stattdessen vor allem Maßnahmen zur Wohnungsbaubeschleunigung“. Die SPD solle bei der Liegenschaftspolitik „endlich Konzept- bzw. Erbbaurechtsvergaben zu sozialen Konditionen in der Stadt voranbringen, statt sie auszubremsen“, so Schmidberger an die Adresse des Koalitionspartners. Und Volksentscheide „von oben“ lehnten die Grünen „aus demokratierechtlichen Gründen schon immer ab“.

Außer Tempelhof nur Ladenhüter

Auch Katalin Gennburg, stadtentwicklungspolitische Sprecherin der Linksfraktion im Abgeordnetenhaus, kann dem SPD-Vorstoß auf MieterEcho-Nachfrage wenig abgewinnen. „Gemeinwohlorientierte Stadtentwicklungspolitik passiert auf der Grundlage strategischer Raumverteilung und leider zeugen eingeschossige Supermarktlandschaften, brach gefallene Industrieareale oder verspekulierte Filetgrundstücke in unserer wiedervereinigten Stadt vom Gegenteil dieses Anspruchs“, so Gennburg. Das Tempelhofer Feld bebauen zu wollen, zeuge  „einfach nur von planungsrechtlichem Unvermögen oder Faulheit im Denken“. Im Zeichen der Klimakrise müssten „Freiflächen, Biotope und Grünflächen geschützt bleiben“. Abgesehen von dem Tempelhof-Absatz enthält das SPD-Wahlprogramm nur wenig Neues und begnügt sich mit Allgemeinplätzen wie „Es ist unser Fürsorgeauftrag für Berlin, ein bezahlbares und ausreichendes Wohnungsangebot zu schaffen und zu bewahren.“ Die Bekenntnisse zu mehr Neubau, schnelleren Planungsprozessen und Aufstockung der Bestände der kommunalen Wohnungsbaugesellschaften klingen wie aus früheren Programmen herauskopiert. Betont wird auch der Schulterschluss mit der privaten Immobilienwirtschaft. Gerne hätte man von der SPD mehr zu ihrem Tempelhof-Vorstoß und ihren wohnungspolitischen Vorstellungen erfahren, doch entsprechende Gesprächsanfragen blieben bis Redaktionsschluss unbeantwortet.


MieterEcho 415 / März 2021