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MieterEcho 409 /

Solidarität in der Krise

Der Sammelband „Umkämpftes Wohnen“ verschafft Einblicke in die nachbarschaftliche Organisierung

Von Philipp Möller          

Während der COVID-19-Pandemie haben sich in vielen Kiezen und Hausgemeinschaften Solidaritäts-Netzwerke gegründet. In Chatgruppen oder per Aushang bieten Nachbar/innen besonders gefährdeten Menschen Hilfe bei Einkäufen an, es werden Anleitungen zum Nähen von Masken geteilt oder gemeinsam eine Zeitung gestaltet. Die Initiative dafür geht häufig von Gruppen und Zusammenschlüssen aus, die wie „Hände weg vom Wedding“, die „Kiezkommune“ oder die „Solidarische Aktion Neukölln“ bereits seit Längerem in ihren Kiezen politisch arbeiten. In den vergangenen Jahren entstanden in Berlin wie auch bundes- und europaweit neue Stadtteilgruppen, die der gesellschaftlichen Vereinzelung im Neoliberalismus mit dem Aufbau solidarischer Strukturen begegnen.

 

Diese Bewegung begleitete von Anfang an eine lebendige Debatte. Der vom Filmemacher und MieterEcho-Bildredakteur Matthias Coers gemeinsam mit dem Journalisten Peter Nowak herausgegebene Band „Umkämpftes Wohnen“ versammelt nun verschiedene Beiträge dieser Diskussion. Darin finden sich theoretische Analysen, Erfahrungsberichte und Strategiepapiere verschiedener Gruppierungen aus dem ganzen Bundesgebiet. Sie erzählen die Geschichten von gemeinsamen Kämpfen gegen die Zumutungen von Jobcentern, der Verhinderung von Zwangsräumungen und dem Aufbau von Stadtteilläden. Berichtet wird von Erfolgen wie Niederlagen im zähen Ringen um eine Alternative zum Kapitalismus. Die Hinwendung zu sozialen Kämpfen und die Organisierung von populären Klassen außerhalb der linken Szeneblase werden dabei als Grundlage dieser Alternative gesehen. Gemeinsamer Bezugspunkt ist dabei der Kiez beziehungsweise die Nachbarschaft. Interviews mit Initiativen, die die Herausgeber auf ihren Reisen für Filmvorführungen und Vorträge quer durch Europa befragten, erweitern den Blick über Deutschland 
hinaus. Sie verdeutlichen, dass bei allen lokalen Unterschieden der neoliberale Stadtumbau und die Folgen jahrelanger Austeritätspolitik eine grenzübergreifende Erfahrung darstellen und zugleich eine gemeinsame Perspektive des Widerstands eröffnen: Solidarität – lokal wie international.    


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