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MieterEcho 418 / Juni 2021

Sold City – der „Film von unten“

Mit einer Crowdfunding-Kampagne wollen 2 Filmemacher/innen ein anspruchsvolles Projekt zur Verdrängung in mehreren Städten realisieren

Von Rainer Balcerowiak

Die Produktion eines professionellen Films kostet Geld, viel Geld. Dafür stehen in Deutschland diverse Fördertöpfe zur Verfügung und auch die Etats der öffentlich-rechtlichen TV-Sender spielen eine Rolle. Doch wer die dafür notwendigen Kompromisse und Anpassungen scheut, muss einen anderen Weg gehen. Für ihr Projekt „Sold City“ haben die beiden Dokumentarfilmer/innen Leslie Franke und Herdolor Lorenz eine Crowdfunding-Kampagne gestartet. Spendenziel sind 160.000 Euro, um die bereits begonnenen Dreharbeiten wie geplant fortsetzen und beenden zu können. Ab einem Betrag von 20 Euro erhält jeder Spender eine DVD-Kopie mit der Lizenz zur nichtkommerziellen Vorführung.

Der Film wird an den Schauplätzen Berlin, Paris, Hamburg, München, London und Wien den Fragen nachgehen, wie die Menschen den Immobilienboom erleben, woher die Preissteigerungen kommen, welche Möglichkeiten und alternative Modelle es gibt, sich ihrer zu erwehren. Er will dokumentieren, wie gewachsene Stadtviertel zu herausgeputzten Hipster-Vierteln mit überall gleicher Kunst- und Kneipenkultur mutieren. Wo die dort Arbeitenden nachts wieder in die Randgebiete verschwinden, weil sie die Mieten hier nicht mehr bezahlen können. 

„Sold City“ macht nicht nur die Gefahren für die Stadtkultur sichtbar. Es geht um eine komplexe soziale Frage und eine immense Gefahr für die Demokratie. „Dabei bleiben wir nicht wie andere Filme zum Thema beim Klagelied zur Mieternot stehen. Wir helfen den Zuschauern zu verstehen, warum seit der Finanzkrise die Immobilien- und die Mietpreise so stark steigen. Wir zeigen Beispiele, wie sich Bürger erfolgreich gegen diese Entwicklung organisieren. Und der Film führt auch zur Frage, warum es nötig ist, über eine grundlegende Bodenreform zu diskutieren“ heißt es in der Ankündigung.

Bei ARD-Sendern unerwünscht

Entstehen soll ein „Film von unten“, finanziert von denen, die ihn sehen wollen, die ihn zeigen wollen, die dieses Hilfsmittel zur Aufklärung brauchen, beschreiben die beiden Filmemacher/innen ihr Konzept. 1989 gründeten sie die Produktionsfirma KernFilm als Plattform für engagierte Dokumentarfilme. Zuletzt entstanden „Water makes Money“, „Der marktgerechte Patient“ und „Der marktgerechte Mensch“. KernFilm produziert neben eigenen Projekten auch zahlreiche Filme in Kooperation mit anderen Filmemacher/innen und Autor/innen und hilft dabei, die Finanzierung zu organisieren, auch durch Crowdfunding-Kampagnen. 

Franke und Lorenz kennen das Dokfilm-Business sehr genau und haben auch diverse Filme für öffentlich-rechtliche Sender produziert, unter anderem für arte, WDR und NDR. Doch allmählich sorgten ihre engagierten Dokumentationen, z. B. über das Schicksal von Flüchtlingen und deren Ausbeutung in Deutschland, für beträchtlichen Unmut in den Chefetagen der Sender. Und nach einem Film über die Wasserprivatisierung intervenierte 2005 sogar der Konzern Veolia direkt bei der Intendanz. „Das war dann nicht nur unser endgültiges Aus beim NDR, sondern auch bei allen anderen Redaktionen in der ARD“ berichten die beiden Filmemacher/innen in einem Interview mit den Nachdenkseiten. Nur beim deutsch-französischen Kulturkanal arte habe man danach noch Projekte realisieren können. Zwar gebe es für einige Projekte noch Filmförderung, doch die 2005 begonnene Crowdfunding-Strategie sei inzwischen ein wichtiges Standbein ihrer Arbeit. Denn faule Kompromisse kommen nicht in Frage: „Wir wollen mit unseren Filmen aufklären. Wer nicht Bescheid weiß, kann sich nicht wehren. Widerstand muss von unten kommen – und der kommt nur auf, wenn die Menschen wissen, worum es geht“, beschreibt Lorenz die Motivation, die auch zu Ideen wie „Sold City“ geführt hat. Auch die Berliner MieterGemeinschaft beteiligt sich am Crowdfunding für den Film und ruft ihre Mitglieder dazu auf, das im Rahmen ihrer Möglichkeiten auch zu tun.  

 

Weitere Infos zum Film: www.sold-city.org
Spendenkonto. SOLD CITY, IBAN: DE49 4306 0967 2020 3462 00
BIC: GENODEM1GLS, GLS BANK


MieterEcho 418 / Juni 2021