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Signa und René Benko

Ein kleines Porträt des Immobilien- und Handelsunternehmens und seines Gründers

Von Ahmad Gharibi

Zurzeit ist Galeria Karstadt Kaufhof in Berlin wieder in aller Munde. Man sollte meinen, dass vor allem der Mutterkonzern Signa aufgrund der deutschlandweit angekündigten Schließung dutzender Filialen und der Entlassung tausender Angestellter öffentlich an den Pranger gestellt würde. Doch weit gefehlt.

 

Nachdem der Konzern über Monate hinweg bereits Staatsgelder erhalten hat, signalisiert die Politik, weitere Zugeständnisse machen zu wollen. So hat der Bezirksbürgermeister von Mitte, Stephan von Dassel (Grüne), Hilfe bei der Sanierung des Gebäudes an der Müllerstraße angeboten. Anfang August verkündete der Senat, sich mit der Signa-Gruppe auf ein Gesamtpaket verständigt zu haben, wonach die Filialen Ringcenter, Müllerstraße, Tempelhofer Damm und Wilmersdorfer Straße für die nächsten drei bis zehn Jahre geöffnet bleiben sollen, betriebsbedingte Kündigungen währenddessen ausgeschlossen. Für Signas Bauprojekte am Hermannplatz, am Kurfürstendamm und am Alexanderplatz sichert der Senat im Gegenzug eine enge Kooperation zu und das, obwohl die zuständigen Bezirke die Pläne bereits abgelehnt haben.Am Hermannplatz möchte Signa beispielsweise eine halbe Milliarde Euro investieren. Das ist exakt dieselbe Summe,die der Konzern im April in einem Brief an die Angestellten als zu erwartende Umsatzeinbuße benennt und darin zukünftige Filialschließungen bereits ankündigt!

Wie passt das zusammen? Umsatzeinbußen als Schließungsgrund angeben, währenddessen Staatsgelder abgreifen und gleichzeitig hohe Summen neu investieren? Und das Projekt am Hermannplatz ist nur eines unter vielen, allein in Berlin plant Signa weiterhin mehrere Milliarden Euro zu investieren. Offensichtlich stimmt es nicht, dass der Konzern finanziell angeschlagen ist.

Dass darüber nicht geredet wird und Signa öffentlich sogar teils als Wohltäter dargestellt wird, liegt in Berlin neben der Investitionsaffinität der rot-rot-grünen Koalition an einer ausgeklügelten PR-Strategie.
Der Konzern schafft es, mit Hilfe der Beratungsfirma Joschka Fischer & Company eine breite Debatte über seine langfristigen Ziele, seine Geschäftsbeziehungen und die Geschichte des Konzerngründers René Benko zu vermeiden. Das Wissen um diese Aspekte ist aber notwendig, um Signas Vorgehen verstehen und gesamtgesellschaftlich einordnen zu können.

 

Die Signa-Holding

Im Jahr 2000 als reiner Immobilienkonzern gegründet, gehören mittlerweile unzählige Tochterunternehmen, Privatstiftungen und eine in Delaware angemeldete Briefkastenfirma zur Signa-Holding. Seit 2013 existieren zwei getrennte Kerngeschäftsbereiche unter den Namen Signa Real Estate (Immobilien) und Signa Retail (Handel). Die Immobiliensparte verwaltet einen Vermögenswert von 19 Milliarden Euro und gehört zu den aggressivsten Akteuren bei der „Aufwertung” von innerstädtischen Immobilien. Signa plant und baut in dutzenden Städten Bauprojekte in zentralen Lagen, so unter anderen ein zweites KaDeWe in Wien, den Elbtower in Hamburg oder den Stream Tower für Zalando in Berlin.

Die Handelssparte hat circa 45.000 Beschäftigte, ist in 20 Ländern aktiv und erwirtschaftet einen jährlichen Umsatz von 7,2 Milliarden Euro. In letzter Zeit investiert die Signa Retail vermehrt in Firmen aus teils sehr unterschiedlichen Wirtschaftsbereichen. Die Spanne reicht dabei vom Logistikunternehmen Fiege-X-Log über das Immobilienanalyse-Start-up realxdata bis hin zur Kooperation mit Amazon. Das langfristige Ziel von Signa ist es, analogen und digitalen Handel zu kombinieren und dabei „das innerstädtische Flächenangebot bedarfsorientiert zu nutzen und somit noch näher am Kunden zu sein”, so der ehemalige Vorstandsvorsitzende von Galeria Karstadt Kaufhof, Stephan Fanderl. Wie aktuell sichtbar, kann das als Immobilienkonzern auch bedeuten, Filialen zu schließen, das Gebäude an andere Firmen zu vermieten oder gar ganz zu verkaufen.

 

Der Konzerngründer

Der Kopf hinter diesen Entwicklungen ist der 42-jährige René Benko aus Innsbruck. Aus bürgerlichen Verhältnissen stammend, gehört er mittlerweile mit geschätzten 5 Milliarden Euro Vermögen zu den reichsten Menschen der Welt. Neben seiner Betätigung im Immobilien- und Handelssektor hält Benko je 25% an der Kronen Zeitung und dem Kurier in Österreich. Er begann Anfang der 2000er Jahre Geld zu machen, indem er Dachböden in Innenstädten renovierte und anschließend weiterverkaufte. Federführend machte er Signa mit dieser Geschäftslogik immer größer, nur dass er bald vom Handel mit Dachböden zu Hotels, Ärztehäusern und ganzen Einkaufszentren wechselte.

Im Juni 2013 zog sich Benko urplötzlich aus der operativen Führung der Signa-Holding zurück und wurde Vorsitzender des eher informellen Beirats. Nach eigenen Angaben stand das in keinem Zusammenhang zu einem Gerichtsverfahren, das kurz zuvor gegen ihn aufgrund von Korruptionsverdacht eröffnet worden war. Italienische Fahnder/innen hatten im Zuge anderer Ermittlungen eine schriftliche Vereinbarung zwischen dem ehemaligen Premier von Kroatien Ivo Sanader und Benkos Steuerberater aus dem Jahre 2009 gefunden. In dieser steht Medienberichten zufolge, das Sanader 150.000 Euro erhält, sollte ein in Italien anhängiges Steuerverfahren zu einem „positiven Ende“ kommen.

Auch wenn es anscheinend nie zu der Zahlung an Sanader kam, reichte das Dokument als Beweis, um 2012 ein Verfahren gegen Benko und seinen Berater zu eröffnen. Die Richterin Marion Zöllner spricht in erster Instanz von einem „Musterfall an Korruption” und verurteilt beide zu einem Jahr Haft auf Bewährung. Benkos Anwälte legen Einspruch ein, doch das Urteil wird 2014 in letzter Instanz vom Obersten Gerichtshof in Wien bestätigt und René Benko ist von da an rechtskräftig wegen Korruption vorbestraft.

 

Benko und die Politik

Benkos damaliger Steuerberater und einer seiner Anwälte im Verfahren sind sehr aufschlussreich in Bezug auf sein politisches Umfeld. Sein Steuerberater Michael Passer war von 1989 bis 1993 für die FPÖ Vizebürgermeister in Innsbruck, Benkos Geburtsort und die Stadt, in der er sein erstes großes Kaufhausprojekt umgesetzt hatte. Außerdem war Passer von 1995 bis 2011 mit Susanne Riess verheiratet, die von 2000 bis 2003 in der ersten ÖVP/FPÖ-Regierung Vize-Kanzlerin und Bundesparteiobfrau der FPÖ war. Sie sitzt mittlerweile im Beirat von Signa.

Benkos zeitweiliger Anwalt, Dieter Böhmdorfer, war unter derselben Regierung wie Riess Justizminister. Davor war Böhmdorfer langjähriger Anwalt des ehemaligen FPÖ-Obmanns Jörg Haider. Und zu alledem wird im Mai 2019 das „Ibiza-Video” veröffentlicht, in dem Heinz-Christian Strache im Sommer 2017 behauptet, dass Benko über illegale Konstrukte Geld an die FPÖ gespendet hat. Unmittelbar vor der anstehenden Veröffentlichung des Skandalvideos hat Strache Benko angerufen.

Doch auch außerhalb der FPÖ hat Benko sehr gute Kontakte in der Politik. Der ehemalige Bundeskanzler Alfred Gusenbauer (SPÖ) sitzt im Beirat von Signa und zum aktuellen Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) hat Benko ein sehr enges Verhältnis. Den lukrativen Einstieg beim Möbelhändler Kika-Leiner verdankt er der Intervention des Kanzleramts. Bei Regierungsreisen sitzt Benko gelegentlich mit im Flugzeug und am Verhandlungstisch.

 

Internationale Kriminalität

Im Mai 2018 und im März 2019 fliegen Kurz und Benko gemeinsam in die Vereinigten Arabischen Emirate. Nach dem ersten Besuch schrieb Signa auf Twitter, dass man „die Gelegenheit für Gespräche u.a. mit dem Staatsfonds Mubadala” genutzt habe. Dem Staatsfonds von Abu Dhabi gehört die Falcon Private Bank, die wiederum bis 2016 die zweitgrößte Gesellschafterin der Signa-Holding war. Die Familie Benko Privatstiftung kaufte der Bank alle Anteile ab, nachdem deren Verwicklung in einen globalen Geldwäschering öffentlich wurde.

Ein weiterer enger Geschäftspartner von Benko war Beny Steinmetz. Er ist durch den Handel mit Diamanten aus Angola reich geworden und weltweit aktiv im Minengeschäft. Aufgrund verschiedener Vorfälle laufen gegen ihn in mehreren Staaten Ermittlungen wegen Korruption, Urkundenfälschung, Geldwäsche und Bestechung. Er war einer der wichtigsten Geldgeber Benkos während dessen Einstieg bei Karstadt. Als die Ermittlungen öffentlich bekannt wurden, kaufte Signa Steinmetz‘ Anteile auf. Beim dafür notwendigen Geld half zum damaligen Zeitpunkt die Falcon Private Bank.

So schließt sich der Kreis. Auch das Wort „systemrelevant“ ist zurzeit in aller Munde. Diese Menschen und diese Konzerne sind es definitiv nicht, denn sie wollen ausschließlich ihre Profite maximieren.

 

Dieser Artikel erschien ursprünglich im Lower Class Magazine (https://lowerclassmag.com/2020/02/17/das-benko-netzwerk-portraet-eines-oesterreichischen-milliardaers/) und wurde vom Autor für das MieterEcho aktualisiert.

Zur Ankündigung des Senats: www.berlin.de/rbmskzl/aktuelles/pressemitteilungen/2020/pressemitteilung.968666.php


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