Interessengemeinschaft und Beratung für Berliner Mieter
MieterEcho 415 / März 2021

Monopoly an der Rummelsburger Bucht

Mieter/innen in Lichtenberg wollen Widerstand gegen drohende Verdrängung durch Investoren weiterführen

Von Peter Nowak

„Wir sind eine über die Jahre zusammengewachsene Hausgemeinschaft, die leider immer mehr anfängt zu bröckeln, da die Wohnungen gezielt entmietet werden, um die Gebäude abreißen zu können“. So beginnt ein offener Brief, den Mieter/innen der Hauptstraße 1 in Lichtenberg im Januar verfassten. Der Häuserblock gehört der Unternehmensgruppe Padovicz. Mängelanzeigen der Mieter/innen würden von der Hausverwaltung systematisch ignoriert, klagen die Bewohner/innen. So würden Gründe für die Kündigungen geschaffen, die mit der mangelnden wirtschaftlichen Verwertbarkeit der Immobilie begründet werden.

Die Mieter/innen kritisieren in dem Brief, dass ihr Haus hochpreisigen Wohnanlagen Platz machen soll. So sieht es der Bebauungsplan vor, der Ende April 2019 gegen die Proteste hunderter Anwohner/innen von einer Mehrheit aus Linken, SPD und CDU in der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) durchgesetzt wurde. Die Grünen und einige Abgeordnete der Linken stimmten dagegen. Unter dem Motto „Eine Bucht für Alle“ wehrten sich die Anwohner/innen gegen diesen Plan. Eine Onlinepetition für eine alternative Planung  fand 47.000 Unterstützer. Diese richtet sich auch gegen ein dort geplantes Großaquarium, das in dem Stadtteil als Touristenattraktion gebaut werden soll. Dahinter steht Coral World International (CWI), ein weltweit agierender Projektentwickler für maritime Vergnügungsparks. 

Kürzlich wurde allerdings bekannt, dass CWI-Eigentümer Benjamin Kahn für das Großaquarium in Lichtenberg noch keinen Bauantrag gestellt hat. Die Tageszeitung Neues Deutschland zitierte aus einer Mail von Kahn, in der wirtschaftliche Turbulenzen aufgrund der Corona-Pandemie als Grund für die Verzögerung benannt werden. Sollte der Bauantrag nicht bald eingereicht werden, ergibt sich nach Einschätzung des Bezirksverordneten Antonio Leonhardt (Linke) für das Land Berlin die Option zur Rückabwicklung des Kaufvertrags. „Dann stünde die Tür für neue Planungen mit dem Ziel einer öffentlichen Nutzung der Fläche offen“, so Leonhardt gegenüber MieterEcho. 

Auch Padovicz mischt mit 

Doch CWI ist nur ein Teil des Problems,  die Mieter/innen der Hauptstraße 1 wären trotzdem von Räumung bedroht. „Selbst wenn das Großaquarium nicht gebaut und über die Nutzung des dafür vorgesehenen Areals neu verhandelt wird, bleibt der Bebauungsplan weiterhin in Kraft und die übrigen Investoren können nach positiver Bescheidung ihres Genehmigungsantrags bauen“, so Leonhardt weiter. Also auch der besonders berüchtigte  Investor Padovicz, der unter anderem für die Räumung des queerfeministischen Hausprojekts Liebigstraße 34 in Friedrichshain im Oktober 2020 verantwortlich ist. 

Padovicz steht seit Jahrzehnten mit vielen Mieter/innen in verschiedenen Bezirken auf Kriegsfuß und ist bekannt für sein ruppiges Vorgehen. Daher ist es umso unverständlicher, dass Senat und Bezirk ausgerechnet diesem Investor neue Profitmöglichkeiten geschaffen haben. Dafür sollen nicht nur die Mieter/innen der Hauptstraße aus ihren günstigen Wohnungen verschwinden, sondern auch ein  Wagenplatz auf dem Areal.

Nicht nur die Padovicz-Gruppe sucht an der Rummelsburger Bucht neue Profitmöglichkeiten. Die Investa Real Estate will rund 200 hochpreisige Wohnungen errichten. Etwa 60 Eigentumswohnungen werden in dem Wohnprojekt MY BAY individuell zum Kauf angeboten. Baurechtlich kann der Bezirk keinen Einfluss auf die Miethöhe nehmen. „Die Preisgestaltung obliegt den Bauherren als späteren Vermietern“, so Leonhardt. Allerdings hätten sich die Investoren bereiterklärt, mindestens 25% der Wohnungen zu einem Preis von 6,50 Euro/qm Nettokaltmiete anzubieten. „Bessere Quoten wären nur bei einem Rückkauf durch das Land Berlin und eine Nutzung durch die städtischen Wohnungsbaugesellschaften möglich gewesen. Doch dafür gibt es weder im Senat noch im Abgeordnetenhaus eine Mehrheit“, stellt Leonhardt klar. Damit wollen sich die Mieter/innen aus Lichtenberg nicht abfinden. Sie planen im März weitere Proteste.


MieterEcho 415 / März 2021

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