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MieterEcho 414 / Februar 2021

Milieuschutz bietet keinen Schutz

An der Weberwiese in Friedrichshain versucht eine Mieterinitiative die Nachbarschaft gegen die drohende Verdrängung zu organisieren

Von Rainer Balcerowiak

Eine Mieterinitiative im Milieuschutzgebiet Weberwiese in Friedrichshain wehrt sich gegen die befürchtete Verdrängung aus ihrem Kiez. Der betroffene, 1954 errichtete denkmalgeschützte Gebäudekomplex befindet sich in dem Gebiet zwischen Warschauer Straße, Frankfurter Tor und dem Ostbahnhof, also in bester Lage. Er umfasst 35 Aufgänge mit knapp 500 Wohnungen.

Die jüngere Geschichte dieses Areals ist nahezu prototypisch für das wohnungspolitische Versagen in Berlin. 2007 verkaufte der Bund die Häuser als Insolvenzverwalter an den berüchtigten Investor Jörn Tækker, der mit dem üblichen „Dreiklang“ aus Mieterhöhungen, vernachlässigter Instandhaltung und Umwandlungen in Eigentumswohnungen operierte.

Im März 2015 beschloss der Bezirk, in dem Bereich eine Milieuschutzsatzung zu erlassen, was allerdings erst im Juni 2016 erfolgte. Die Umwandlung der Wohnungen und auch deren Verkauf gingen derweil weiter und schließlich wurde der Komplex im Rahmen eines Share Deals an die dänische Firma White Tulip GmbH verkauft. Neben dem Verkauf der entmieteten Wohnungen etablierte sich ein weiteres Geschäftsmodel. Die in dem Block aktive Mieterinitiative „Weberwiese-Milieu sind wir“ geht davon aus, dass mittlerweile rund ein Drittel der Wohnungen über einen zwischengeschalteten Pauschalmieter oder durch Käufer möbliert zu horrenden Preisen an „Wohngemeinschaften“ für Studenten aus dem Ausland untervermietet werden. Entsprechend hoch ist die Fluktuation. „Doch zu diesen Bewohnern, darunter viele Inder, haben wir so gut wie keinen Kontakt“ bedauert ein Sprecher der Initiative gegenüber dem MieterEcho. Dabei verstößt diese Art der Vermietung eindeutig gegen das Mietendeckelgesetz.

Bezirksamt reagiert nicht

Vom Bezirk kam bislang keinerlei Unterstützung. Auch auf Zweckentfremdungsanzeigen erfolgte keine Reaktion, die entsprechenden Mitarbeiter/innen hätten bei entsprechenden Nachfragen lediglich auf ihre permanente Überlastung verwiesen, so der Sprecher.
Zeitweise war die Initiative in dem Komplex recht gut vernetzt, es wurden Infoflyer verteilt und Mieterversammlungen durchgeführt, um gemeinsam gegen die schleichende Verdrängung aktiv zu werden. Doch die Verunsicherung und die Angst davor, seine Wohnung wegen Eigenbedarfs irgendwann zu verlieren, seien enorm. Viele Mieter/innen hätten sich gegen geringe Abfindungen aus ihren Mietverträgen rauskaufen lassen, wenn sie die Chance hatten, woanders unterzukommen. Vielen älteren Mieter/innen sei auch nicht bewusst , dass ihnen beim Erstverkauf der Häuser im Jahr 1998 an eine später privatisierte  Wohnungsbaugenossenschaft lebenslanges Wohnrecht vertraglich zugesichert wurde. Und in die frei werdenden Wohnungen ziehen dann die neuen Eigentümer oder besagte „Wohngemeinschaften“ ein, die kaum für Aktionen gegen Verdrängung zu mobilisieren seien. Zudem habe die Corona-Krise die Kontaktmöglichkeiten gerade zu älteren Mieter/innen sehr stark eingeschränkt, da diese oftmals auch nicht an Online-Kommunikation teilnehmen könnten.   

Doch jetzt will die Initiative trotz dieser schwierigen Rahmenbedingungen einen neuen Anlauf starten, Anwälte einschalten, neue Info-Flyer erstellen, sich  verstärkt um Medienberichterstattung kümmern und an Bezirkspolitiker herantreten. Man habe die bittere Erfahrung machen müssen, dass Milieuschutz, Mietendeckel und Zweckentfremdungsverbot zu viele Schlupflöcher aufweisen bzw. nicht konsequent umgesetzt werden, „um wirksam gegen Totalausverkauf und Verdrängung vorzugehen“, so der Sprecher. Aber „wir wollen hier bleiben und unseren sozial durchmischten Kiez erhalten“ und nicht kampflos der Profitgier internationaler Spekulanten überlassen. Auch müsse die Forderung nach einem Umwandlungsverbot für Mietwohnungen stärker in den Fokus der Öffentlichkeit gebracht werden. 


MieterEcho 414 / Februar 2021