Interessengemeinschaft und Beratung für Berliner Mieter
MieterEcho 410 /

Mieter/innen fragen – wir antworten: Genossenschaften und Mietrecht

Von Rechtsanwalt Hannes Poggemann

Ich interessiere mich für eine Wohnung bei einer Genossenschaft. Sind Genossenschaften als Vermieter zu empfehlen?                   
In vielerlei Hinsicht unterscheiden sich Wohnungsgenossenschaften nicht von anderen Vermietern. Im Vergleich zu herkömmlichen Vermietern bieten Genossenschaften jedoch einzelne Vorteile in Bezug auf den Schutz ihrer Bewohner/innen. Wohnungsgenossenschaften tragen beispielsweise eine Verpflichtung gegenüber ihren Mitgliedern, diese mit sozial angemessenem Wohnraum zu versorgen. Darin unterscheiden sich Wohnungsgenossenschaften grundlegend von den großen Vermietergesellschaften und Konzernen, die zumeist eine Gewinnmaximierung im Blick haben. 

Außerdem sind Wohnungsgenossenschaften dem genossenschaftlichen Gleichbehandlungsgrundsatz verpflichtet. Die Verpflichtungen einer Genossenschaft gegenüber ihren Mitgliedern ergeben sich aus dem Genossenschaftsrecht und sind in der Satzung der Genossenschaft niedergeschrieben. In Einzelfragen können sich die Satzungen der Genossenschaften unterscheiden.                                

Was kann ich mir denn unter dem
genossenschaftlichen Gleichbehandlungsgrundsatz vorstellen?       
Dieser Grundsatz besagt einerseits, dass bezüglich der genossenschaftlichen Rechte und Pflichten alle Mitglieder gleich zu behandeln sind (absolute Gleichbehandlung). Andererseits müssen unterschiedliche Sachverhalte auch unterschiedlich behandelt werden (relative Gleichbehandlung). Unter den relativen Gleichbehandlungsgrundsatz fallen beispielsweise Entscheidungen einer Genossenschaft über Mieterhöhungen, die nur nach sachlich nachvollziehbaren Kriterien getroffen werden dürfen. Das bedeutet am Ende nicht, dass alle Genossenschaftsmitglieder gleich behandelt werden müssen. Die Genossenschaften müssen unterschiedlichen Verhältnissen Rechnung tragen und zwischen den Mitgliedern nach sachlichen Kriterien in angemessener Weise differenzieren, so hat das der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung vom 14. Oktober 2009 (BGH VIII ZR 159/08) im Falle einer Mieterhöhung entschieden. Wenn eine Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes vorliegt, können Sie als Genossenschaftsmitglied verlangen, so gestellt zu werden, wie die bevorzugten Mitglieder.    

                       
Das klingt ja eigentlich gar nicht so schlecht. Wie komme ich denn an eine Genossenschaftswohnung heran?     
Zurzeit ist es nicht einfach, eine Genossenschaftswohnung zu bekommen, da Wohnraum allgemein knapp ist. In Berlin gibt es zwar über 80 Wohnungsgenossenschaften mit rund 188.000 Wohnungen. Meist haben die Genossenschaften jedoch lange Wartelisten, auf die sich Interessent/innen eintragen müssen. Wartezeiten von mehreren Jahren sind wohl keine Ausnahme mehr. Wie die Wartelisten abgearbeitet werden, hängt von der einzelnen Genossenschaft und eventuellen Regularien in der Satzung ab. Wenn Sie an der Reihe sind und Ihnen wird eine Genossenschaftswohnung angeboten, ist der Bezug der Wohnung mit einer Mitgliedschaft in der Genossenschaft verbunden. Das bedeutet, dass Sie neben dem Vertrag über die Wohnung auch eine Mitgliedschaft in der Genossenschaft eingehen müssen.      

                          
Meine Mutter wohnte in einer Genossenschaftswohnung und ist nun verstorben. Kann ich die Wohnung übernehmen?       
Hier gelten die allgemeinen Vorschriften der §§ 563, 564 BGB, wonach Erb/innen, Ehegatt/innen oder Haushaltsangehörige in das Mietverhältnis eintreten können. Für den Eintritt in das Mietverhältnis spielt es zunächst keine Rolle, ob Sie selbst Mitglied in der Genossenschaft sind. Allerdings könnte die Genossenschaft das Mietverhältnis kündigen, wenn Sie kein Mitglied in der Genossenschaft werden wollen.                                         
Wenn mir eine Wohnung angeboten wird, bekomme ich dann auch einen normalen Mietvertrag über die Wohnung?           
Bei Genossenschaftswohnungen spricht man von einem (Dauer-)Nutzungsvertrag. Darin ist geregelt, dass Ihnen die Wohnung gegen ein Entgelt zur Nutzung überlassen wird und diese Nutzung an die Mitgliedschaft in der Genossenschaft gebunden ist. Ansonsten wird sich der Nutzungsvertrag aber nicht von einem herkömmlichen Mietvertrag unterscheiden.             

               
Bin ich also ein normaler Mieter, wenn ich eine Genossenschaftswohnung beziehe? Oder was gibt es für Unterschiede?               
Als Bewohner einer Genossenschaftswohnung treffen auf Ihr Mietverhältnis grundsätzlich die allgemeinen Regeln aus dem Mietrecht zu. Das bedeutet, dass die Vorschriften zu Mieterhöhungen und Kündigungen aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) Anwendung auf Ihr Vertragsverhältnis mit der Genossenschaft finden. Wichtigster Unterschied zu einem normalen Mieter ist, dass Sie als Genossenschaftsmitglied Miteigentümer der Genossenschaft sind. Teilweise können deshalb das Genossenschaftsrecht und die Regularien aus der Satzung der Genossenschaft Einfluss auf Ihr Mietverhältnis haben.       

                                      
Ich möchte die Wohnung zusammen mit einer weiteren Person beziehen. Müssen wir beide Mitglied in der Genossenschaft werden?           
Üblicherweise reicht es, wenn eine Person Mitglied der Genossenschaft wird. Es ist grundsätzlich kein Problem, einen Nutzungsvertrag für eine Wohnung mit mehreren Personen abzuschließen, von denen nur eine Person Genossenschaftsmitglied ist. Einzelheiten hierzu finden sich in der Regel in der Satzung der Genossenschaft.



Kann ich meine Genossenschaftswohnung an eine Person untervermieten, die nicht Mitglied in der Genossenschaft ist?   
Mit Erlaubnis der Genossenschaft können Sie einen Teil der Wohnung oder die gesamte Wohnung an eine Person, die nicht Genossenschaftsmitglied ist, untervermieten. Im Übrigen ist hier – wie in jedem Mietverhältnis – zu prüfen, ob die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Erteilung der Erlaubnis zur Untervermietung vorliegen.                                 

             
Muss ich zu Beginn des Mietverhältnisses eine Kaution zahlen, wenn ich bei einer Genossenschaft eine Wohnung anmiete?               
Es ist möglich, dass Sie im Nutzungsvertrag zur Zahlung einer Mietsicherheit verpflichtet werden. Häufig wird von Ihnen jedoch nur der Kauf von Genossenschaftsanteilen verlangt. Wie bereits dargestellt, ist der Abschluss eines Nutzungsvertrags mit der Mitgliedschaft in der Genossenschaft verbunden. Die Mitgliedschaft wiederum verlangt den Ankauf von Genossenschaftsanteilen. In der Satzung ist geregelt, wie viele Anteile gekauft werden müssen und wie teuer ein Anteil ist. Häufig sind die Anzahl der Anteile und damit der Gesamtpreis von der Größe der Wohnung abhängig. Es ist nicht auszuschließen, dass neben dem Kauf von Genossenschaftsanteilen auch die Zahlung einer Kaution verlangt wird. Von der Rechtsprechung wird das jedenfalls zugelassen.                                                   


Ich habe gehört, bei Genossenschaften sind die Mieten immer billig. Stimmt das?       

Das kann man so pauschal nicht sagen. Die Höhe der Mieten bei Genossenschaften ist nicht speziell geregelt. Die Mieten von Genossenschaftswohnungen unterliegen den allgemeinen Mietpreisregelungen. Allerdings sind Wohnungsgenossenschaften keine nach maximalem Profit strebenden Unternehmen. In der Regel orientiert sich eine Genossenschaft hinsichtlich der Mietpreise an den Interessen ihrer Anteilseigner/innen und Mieter/innen. Aus diesem Grund bieten Wohnungsgenossenschaften häufig noch Wohnungen zu moderaten Mieten an.           


Ich habe eine Genossenschaftswohnung angemietet und vermute, dass meine Miete zu hoch ist. Kann ich hier die Mietpreisbremse geltend machen?   
Ja, die sogenannte Mietpreisbremse gilt auch bei Mietverhältnissen mit Wohnungsgenossenschaften. Die Genossenschaften in Berlin sind wie alle Vermieter an die Vorschriften gebunden. Lassen Sie sich zum Vorgehen beraten.           

                     
Muss ich als Mieter einer Genossenschaftswohnung mit Mieterhöhungen rechnen, wie in einem normalen Mietverhältnis?               
Leider ja! Als Mieter einer Genossenschaft sind Sie nicht von Mieterhöhungen befreit. Aber auch hier kommt der genossenschaftliche Gleichbehandlungsgrundsatz zum Tragen. Wie oben bereits dargestellt, darf eine Mieterhöhung nur nach sachlich nachvollziehbaren Kriterien erfolgen. Die Genossenschaft darf allein von Ihnen zum Beispiel keine Mieterhöhung verlangen, nur weil Sie fleißig Ihre Rechte als Mieter/in wahrnehmen. Ansonsten finden auch hier die allgemeinen Vorschriften über Mieterhöhungen auf die ortsübliche Vergleichsmiete gemäß § 558 ff. BGB oder Modernisierung gemäß § 559 ff. BGB Anwendung.       

Welche Modernisierungen kann meine Genossenschaft durchführen und muss ich das dulden?               
Hier gelten die allgemeinen mietrechtlichen Vorschriften aus dem Modernisierungsrecht im BGB. Welche Maßnahmen als Modernisierungen gelten, wie diese von der Genossenschaft angekündigt werden müssen und wann sie zu dulden sind, regelt sich nach § 555a BGB. Darüber hinausgehende Baumaßnahmen, die keine Instandsetzung darstellen, müssen von Ihnen nicht geduldet werden. Beachten Sie während dessen Geltungsdauer auch die Regelungen des MietenWohnGesetzes Berlin (Mietendeckel) zu Modernisierungen. Lassen Sie sich vor Ihrer Entscheidung unbedingt beraten.                                   

Habe ich als Genossenschaftsmieter bei Mietminderung die gleichen Rechte wie andere Mieter/innen auch?        
Ja, auch als Mieter/in in einer Genossenschaft können Sie eine Mietminderung durchsetzen, wenn Ihre Wohnung von einem Mangel betroffen ist. Wenn Ihre Wohnung beispielsweise wegen Bauarbeiten am Gebäude von Lärm und Bauschmutz betroffen ist, könnten Sie gegenüber der Genossenschaft Mietminderungsansprüche geltend machen. Die Minderungsrechte richten sich hier nach den allgemeinen Vorschriften.                               

Nun gibt es in Berlin ja den Mietendeckel. Gilt der Mietendeckel auch für Genossenschaftswohnungen?       
Ja! Der Berliner Dachverband der Wohnungsgenossenschaften hat zwar darum gekämpft, dass diese nicht unter den sogenannten Mietendeckel fallen. Der Gesetzgeber hat sich aber dazu entschieden, den Mietendeckel auch auf Genossenschaftswohnungen anzuwenden. Die Genossenschaften sind deshalb nicht vom Anwendungsbereich des Gesetzes zur Mietenbegrenzung in Berlin (§ 1 MietenWoG Bln) ausgenommen.                                       


Bin ich als Genossenschaftsmieter besser vor Kündigungen geschützt?      
 
Die Kündigung einer Genossenschaftswohnung richtet sich zunächst mal nach den allgemeinen Kündigungsvorschriften des BGB. Das bedeutet für eine ordentliche Kündigung durch die Genossenschaft, dass diese ein berechtigtes Interesse gemäß § 573 BGB haben muss. Für eine außerordentliche Kündigung muss ein wichtiger Grund gemäß § 543 BGB vorliegen. Häufig finden sich in Nutzungsverträgen mit Genossenschaften besondere Kündigungsklauseln. Darin ist etwa geregelt, dass eine Kündigung nur in besonderen Ausnahmefällen unter Einhaltung der gesetzlichen Fristen möglich sein soll, wenn wichtige berechtigte Interessen eine Beendigung des Mietverhältnisses notwendig machen. Dadurch wird der Mieter mehr geschützt, denn neben dem berechtigten Interesse aus § 573 BGB wird noch ein besonderer Ausnahmefall für eine Kündigung gefordert.      

                             
Kann mich meine Genossenschaft wegen Eigenbedarfs kündigen?   
    
Grundsätzlich kann auch eine Wohnungsgenossenschaft in einer besonderen Situation eine Kündigung wegen Eigenbedarfs aussprechen. Eine solche Situation kann eintreten, wenn Sie wegen genossenschaftswidrigen Verhaltens aus der Genossenschaft ausgeschlossen werden und die von Ihnen genutzte Wohnung für ein anderes Mitglied benötigt wird. In diesem Fall kann für die Genossenschaft ein berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses vorliegen.  

                              
Wann kann mich meine Genossenschaft denn von der Mitgliedschaft ausschließen?   

Für den Ausschluss aus der Genossenschaft wird ein genossenschaftswidriges Verhalten von erheblichem Gewicht verlangt. Die Gründe für einen Ausschluss müssen in der Satzung der Genossenschaft bestimmt sein. Ein Ausschluss könnte gerechtfertigt sein, wenn Sie öffentlich „übermäßige Kritik“ an der Genossenschaft üben. Wann dies anzunehmen ist, hängt vom Einzelfall ab. Jedenfalls muss die Genossenschaft Ihnen eine Abmahnung schicken und Sie in der Angelegenheit anhören, bevor ein Ausschluss aus der Genossenschaft ausgesprochen wird.                        


Wann bekomme ich die gekauften Genossenschaftsanteile zurück?   
   
Die Genossenschaftsanteile werden zurückgezahlt, wenn die Mitgliedschaft in der Genossenschaft endet. Wenn Sie die Mitgliedschaft kündigen, werden die
 Anteile erst nach Ablauf der Kündigungsfrist zurückgezahlt. Die Kündigungsfrist ist in der Satzung niedergeschrieben und kann bis zu 5 Jahre betragen. Die Auszahlung hat innerhalb von 6 Monaten nach Beendigung der Mitgliedschaft zu erfolgen.                                       
Wenn ich Mitglied in einer Wohnungsgenossenschaft bin, muss ich dann noch Mitglied in der Berliner MieterGemeinschaft sein?           
Das ist dringend zu empfehlen. Wie oben dargestellt, gelten für Sie als Mitglied einer Wohnungsgenossenschaft die allgemeinen Rechte und Pflichten wie für alle Mieter/innen. Damit besteht nicht weniger Anlass für Genossenschaftsmitglieder, als Mitglied der Berliner MieterGemeinschaft organisiert zu sein.              

Rechtsanwalt Hannes Poggemann berät in den Beratungsstellen Kreuzberg, Adalbertstraße; Charlottenburg, Mierendorffplatz und Steglitz, Osdorfer Straße.



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Berliner MieterGemeinschaft e.V.
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Tel.: 030 - 21 00 25 84
Fax: 030 - 216 85 15

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