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MieterEcho 413 / Dezember 2020

Mietendeckel bremst Verkauf von Eigentumswohnungen

Nur jede dritte angebotene Wohnung findet auch Käufer/innen

Von Andrej Holm

Die Einführung des Mietendeckels wurde in Berlin heftig diskutiert. Genossenschaften und Wohnungsunternehmen befürchteten hohe Einnahmeverluste und weniger Investitionen. Lobbyverbände sagten umfangreiche Insolvenzen von Kleinvermieter/innen voraus, weil die oft teuer gekauften Wohnungen nun nicht mehr aus den Mieterträgen refinanziert werden könnten. Ökonom/innen verschiedener Wirtschaftsinstitute beschworen zudem das Schreckgespenst zusammenbrechender Wohnungsmärkte und sagten einen Wechsel vom Vermieten zum Verkaufen voraus. Aktuelle Zahlen zum Verkaufsgeschehen zeigen nun, dass diese Prognosen nicht eingetroffen sind.

Eine feste Größe in den Szenarien der Mietendeckel-Skepsis waren Vorhersagen von steigenden Umwandlungszahlen und mehr Verkäufen von Eigentumswohnungen. Die Argumentation ging davon aus, dass an Gewinnen orientierte Eigentümer/innen unter den Auflagen des Mietendeckels die Lust am Vermieten verlieren und versuchen würden, ihre Wohnungen meistbietend zu verkaufen. Da zugleich davon ausgegangen wurde, dass immer weniger Wohnungen zur Vermietung angeboten werden, wurden eine erhöhte Kaufbereitschaft und steigende Zahlen von Verkaufsfällen vermutet.

Das Institut der deutschen Wirtschaft in Köln (IW) argumentierte in einer Studie für die CDU-Fraktion im Abgeordnetenhaus auftragsgemäß: „Vermieter reagieren auf solche Regulierungen vor allem dadurch, dass Wohnungen in Eigentumswohnungen umgewandelt und an Selbstnutzer verkauft werden. Damit verkleinert sich der Mietwohnungsmarkt, was wiederum den Zugang gerade für einkommensschwache Haushalte erschwert“. Auch andere Institute, die sonst keine Scheu vor der Werbung für mehr Wohneigentum hegen, griffen diese Argumentation auf. Das Forschungsinstitut empirica nahm an, dass „der Mietendeckel potenziell das Angebot an Kaufwohnungen durch Umwandlung (erhöht)“ und durch die Verknappung an den Mietmärkten eine „zusätzliche Nachfrage an den Kaufmärkten“ zu erwarten sei.

Weniger Mietangebote online

Ein Vergleich der Angebote für Miet- und Eigentumswohnungen scheint den prognostizierten Wechsel von der Vermietung zum Verkauf auf den ersten Blick zu bestätigen. Der Marktreport von Guthmann-Immobilien, der die Miet- und Eigentumswohnungsangebote von verschiedenen Online-Plattformen auswertet, zeigt für die ersten sechs Monate des Jahres einen deutlichen Rückgang der Mietangebote und eine Steigerung der Verkaufsangebote.

Im Vergleich zum Vorjahreszeitraum wurden fast 27.000 Mietangebote weniger auf den Plattformen registriert. Der Rückgang der Mietwohnungsangebote ist dabei kein Corona-Effekt, sondern vor allem ein Zeichen, dass viele Vermieter/innen nicht bereit sind, unter den Auflagen des Mietendeckels zu inserieren. Aus den Portalen verschwunden sind dabei vor allem die höherpreisigen Angebote. Zwar haben sich auch die wenigen Mietangebote zu Mieten unter 8 Euro/qm (nettokalt) zwischen 2019 und 2020 um 1.900 Angebote verringert (-15%), doch der größte Teil des Angebotseinbruchs geht mit einem Rückgang um etwa 25.000 Angebote auf das Konto der Mietangebote über 8 Euro/qm (-34%).

So dramatisch der Rückgang der Online-Inserate für Mietwohnungen im ersten Halbjahr 2020 insgesamt ausfallen mag, an der Angebotslage für preisgünstige Wohnungen hat sich wenig geändert. Auch weil viele Genossenschaften, Privatvermieter/innen und städtische Wohnungsbaugesellschaften die preiswerten Wohnungen nicht mehr über ImmoScout & Co. anpreisen müssen. Mietangebote zu Mietendeckel-Konditionen brauchen keine Werbung.

Die Daten der Immobilienportale geben also derzeit keine Auskunft über das tatsächliche Mietangebot in Berlin, werden aber von den Kritiker/innen des Mietendeckels gerne als Beleg für den angeblichen Zusammenbruch des Mietwohnungsmarktes ins Feld geführt.

Ladenhüter Eigentumswohnung

Auch die gestiegene Zahl der auf den Portalen angebotenen Eigentumswohnungen bestätigt die Prognosen der Mietendeckelkritik nur scheinbar. Im Vergleich zu 2019 hat sich die Summe der Verkaufsangebote der ersten sechs Monate um über 7.000 Inserate (+14%) erhöht. Doch ein inseriertes Angebot ist noch kein realisierter Wohnungsverkauf.

Schon eine Veränderung des Beobachtungszeitraums lässt die vielen Angebote für Eigentumswohnungen schrumpfen, weil bei der Erfassung der Angebote pro Jahr Mehrfachzählungen ausgeschlossen werden. In den letzten drei Jahren (2017 bis 2019) lag die Zahl der Angebote pro Jahr bei gerade einmal 33% der Monatssummen. Das bedeutet im Umkehrschluss, dass zwei Drittel der monatlich erfassten Angebote länger als einen Monat auf den Portalen angeboten und daher mehrfach gezählt wurden. Der erhebliche Unterschied zwischen den Inseraten in Monatsbetrachtung und im Jahresschnitt zeigt, dass viele Angebote eher Ladenhüter sind als ein Zeichen für einen Anstieg von Verkäufen.

Auch für die Inserate im 1. Halbjahr 2020 Jahr besteht ein Missverhältnis zwischen monatlich gezählten Verkaufsangeboten und der tatsächlichen Zahl der Inserate. Die knapp 60.000 ausgewiesenen Inserate in den Monaten bis Juni basieren tatsächlich auf etwa 18.000 Wohnungen, die zum Verkauf angeboten werden. Mit fast 70% ist das Ladenhüter-Symptom sogar noch stärker ausgeprägt als in den Vorjahren.

Seit der Einführung des Mietendeckels wurden demnach mehr Wohnungen zum Verkauf angeboten und blieben länger auf den Portalen. Die Zahlen belegen, dass mehr Eigentümer/innen auf einen Verkauf setzen. Doch die Hoffnung, eine angebotene Wohnung auch tatsächlich zu verkaufen, geht nur selten auf. Aktuelle Zahlen zum Immobilienmarktgeschehen weisen für das 1. Halbjahr 2020 einen Rückgang der Verkaufsfälle von Eigentumswohnungen um 20% aus. Wurden im Vergleichszeitraum 2019 noch fast 8.200 Eigentumswohnungen verkauft, waren es 2020 nur noch 6.500. Von den angebotenen Eigentumswohnungen wurde seit der Einführung des Mietendeckels nur noch jede Dritte verkauft.

Was sagen uns diese Zahlen? Nur ein kleiner Teil der auf den Immobilienportalen angebotenen Eigentumswohnungen können tatsächlich verkauft werden. Offensichtlich gibt es zu den derzeitigen Preisvorstellungen nur wenig Interesse am Erwerb einer Eigentumswohnung. Das ist kein Wunder, denn der größte Teil der Wohnungen wurde auch in den letzten Jahren als Anlageobjekt erworben, weil die Käufer/innen auf hohe Mieterträge hofften. Die steigenden Angebotszahlen an Eigentumswohnungen bestätigen – wie die rückläufigen Mietangebote – dass viele Eigentümer/innen nicht bereit sind, zu den Mietendeckelkonditionen zu vermieten und einen möglichen Verkauf als Exit-Strategie wählen. Letztendlich sind diese Verkaufsversuche in Reaktion auf den Mietendeckel nichts anderes als die Hoffnung, jemanden zu finden, der die Verwertungsrisiken zu einem höheren Preis übernimmt. Ein deutlicher Anstieg der Verkaufsaktivitäten ist zurzeit eher ein Wunschtraum derer, die nicht gewillt sind, ihre Wohnungen mit gedeckelten Mieten zu bewirtschaften.

 

Quellen:
Institut der deutschen Wirtschaft 2019: Volkswirtschaftliche Folgen des Berliner Mietdeckels. Gutachten im Auftrag der CDU Fraktion Berlin: https://www.iwkoeln.de/fileadmin/user_upload/Studien/Gutachten/PDF/2019/IW-Gutachten_2019-Mietendeckel.pdf
empirica 2020: Mietendeckel. Immobilienmarktdaten (Update Q0.5-2020): https://www.empirica-systeme.de/tag/mietendeckel/
Guthmann Immobilien 2020: Marktreport Berlin Immobilien 2020 (Stand 03.11.2020): https://guthmann.estate/de/marktreport/berlin/


MieterEcho 413 / Dezember 2020