Interessengemeinschaft und Beratung für Berliner Mieter
MieterEcho 419 / August 2021

Keine Tarifbindung, keine Mitbestimmung

Bei privaten Immobilienkonzernen wie Vonovia haben die Gewerkschaften einen schweren Stand

Von Rainer Balcerowiak

Manchmal sind es Kleinigkeiten, die viel über den Umgang von großen Konzernen mit Gewerkschaften und Arbeitnehmervertreter/innen aussagen. Von der am 25. Mai offiziell angekündigten Übernahme der Deutsche Wohnen durch Vonovia habe auch sie erst am Morgen danach in den Medien erfahren, sagt Annette Berger, ver.di-Bundesfachgruppenleiterin für besondere Dienstleistungen und zuständig für die Wohnungswirtschaft, im Gespräch mit dem MieterEcho. Und bis jetzt seien alle Anfragen zu den Plänen den Konzerns in Bezug auf die Mitarbeiter/innen unbeantwortet geblieben. Bislang gibt es nur eine rechtlich unverbindliche Absichtserklärung, auf betriebsbedingte Kündigungen im Zusammenhang mit der Übernahme bis Ende 2023 zu verzichten.

Die Übernahme ist bekanntlich gescheitert. Doch bei ver.di ist man sich bewusst, dass die Wohnungswirtschaft generell ein extrem schwieriges Terrain ist. Viele Mitarbeiter/innen fühlen sich den Geschäftsinteressen der Unternehmen verpflichtet, auf entsprechend wenig Gegenliebe stoßen dort – auch von ver.di unterstützte – Kampagnen für einen bundesweiten Mietenstopp oder – wie in Berlin – für die Vergesellschaftung großer Wohnungskonzerne.

Knapp 60.000 Menschen arbeiten insgesamt in der Branche, davon zwei Drittel in Wohnungs-Genossenschaften und kommunalen Wohnungsunternehmen. Besonders im privaten Sektor ist der gewerkschaftliche Organisationsgrad sehrgering. Das wirkt sich dann natürlich auch auf die Tarifbindung aus. Zwar gibt es für die Branche einen Flächentarifvertrag, der aber nicht allgemeinverbindlich ist. Das bedeutet, dass er in vielen Betrieben keine Anwendung findet. Bei Vonovia gibt es zwar einen Haustarifvertrag „in Anlehnung“ an den Flächenvertrag, doch auch der findet bei zahlreichen Tochterfirmen in dem verschachtelten Konzern keine Anwendung oder gilt nur für einen Teil der Mitarbeiter/innen. Da sowohl Vonovia als auch Deutsche Wohnen als europäische Aktiengesellschaft (Societas Europaea, SE) verfasst sind, unterliegen sie nicht der Unternehmensmitbestimmung. Das heißt, es gibt keine Arbeitnehmervertreter/innen im Aufsichtsrat. Beide Unternehmen genießen „Bestandsschutz“, da sie zum Zeitpunkt ihrer Registrierung  als SE noch zu klein für die Mitbestimmung waren. Als deutsche Aktiengesellschaften hätten sie ab 500 Mitarbeitern Arbeitnehmer in den Aufsichtsrat aufnehmen und ab 2.000 Mitarbeitern mit der Zahl der Kapitalvertreter gleichstellen müssen. Nach der gescheiterten Fusion wird es wohl auch bei diesem Status bleiben. 

Hoffnung auf die Tarifrunde

Es gibt bei Vonovia zwar Betriebsräte, die aber oftmals nicht gewerkschaftlich organisiert sind und auch nicht unbedingt die gewerkschaftlichen Ziele unterstützen, so Berger. Und der Umgang mit Gewerkschaften sei mitunter „ausgesprochen ruppig“. So wurde 2015 eine hauptamtliche ver.di-Sekretärin, die an einer Betriebsversammlung bei einer Service-Tochter teilnahm, sogar tätlich angegriffen. Zwar kam es bei einigen Tochterunternehmen im Laufe der Jahre auch zu Warnstreiks, aber die gewerkschaftliche Durchsetzungsmacht ist relativ gering. Bei der Deutsche Wohnen sieht das ähnlich aus.

Von den beiden Konzernen verlangen ver.di und die IG BAU derzeit die Rückkehr in den Flächentarifvertrag. Und zwar für alle Beschäftigten, also auch die in den Tochterfirmen. Doch auch darauf gibt es bislang keine Reaktion.  Am 8. August beginnt in der Branche die neue Tarifrunde. Der alte Vergütungstarifvertrag läuft zum 31. Oktober 2021 aus. Die beiden gemeinsam agierenden Gewerkschaften fordern unter anderem Lohnerhöhungen um 5,4%, mindestens 160 Euro monatlich.

Bei Vonovia wird das wohl nur ein müdes Schulterzucken auslösen. Und die nunmehr am Widerstand der Aktionäre von Deutsche Wohnen gescheiterten Fusionspläne sollen zu einem späteren Zeitpunkt erneut auf den Tisch kommen. Der politischen Rückendeckung dafür kann man weiterhin sicher sein. Und von den Beschäftigten  des Konzerns ist wohl kaum Gegenwind zu erwarten.  


MieterEcho 419 / August 2021

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