Interessengemeinschaft und Beratung für Berliner Mieter
MieterEcho 414 / Februar 2021

Immobilienbesitzer sind Krisengewinnler

Während das Armutsrisiko in der Corona-Pandemie steigt, bleiben Mieter/innen weiter ungeschützt

Von Philipp Mattern

Die Armutsquote hat in Deutschland mit fast 16% einen neuen Höchstwert seit der Wiedervereinigung erreicht, das zeigt der jüngste Armutsbericht des Paritätischen Wohlfahrtsverbands. Die Armut sei demzufolge vor allem bei den ohnehin seit Jahren besonders betroffenen Gruppen wie Alleinerziehenden, Arbeitslosen und kinderreichen Familien gestiegen. Hervorzuheben ist, dass der überwiegende Teil der erwachsenen Armen erwerbstätig ist.

Diese Situation droht sich angesichts der Corona-Krise erneut zu verschärfen, denn die armutsgefährdeten Haushalte werden in den aktuellen Rettungspaketen weitgehend ignoriert, kritisiert der Verband. „Corona hat jahrelang verharmloste und verdrängte Probleme, von der Wohnraumversorgung einkommensschwacher Haushalte bis hin zur Bildungssegregation armer Kinder, ans Licht gezerrt“, meint Geschäftsführer Ulrich Schneider. Die Schwächen der sozialen Sicherungssysteme träten nun noch einmal deutlicher zutage. 

In eine ähnliche Richtung weisen die Daten, die im Dezember von der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung veröffentlichte wurden. Demnach ist die Zahl der Erwerbspersonen, die durch die Pandemie Einkommensverluste erlitten haben, weiter gestiegen. Im November waren es rund 40 Prozent der Befragten, gegenüber 32 im Juni. Besonders betroffen seien Erwerbstätige mit bereits zuvor niedrigen Einkommen. Von den Befragten mit einem Nettoeinkommen unter 1.500 Euro pro Monat beklagten im November mehr als die Hälfte einen Einkommensausfall, bei einem Nettoeinkommen von mehr als 2.000 Euro traf dies noch auf gut ein Drittel zu. Neben den Umsatzverlusten bei Selbständigen ist es vor allem die Kurzarbeit bei abhängig Beschäftigten, die zu den Einbußen führte. Die Zahlen seien ein Indiz dafür, dass die Einkommensungleichheit in Deutschland zunehmen werde, lautet das Fazit der Untersuchung. Dementsprechend fällt die Zufriedenheit mit dem Krisenmanagement der Regierung bei den Befragten mit niedrigen Einkommen deutlich geringer aus als bei den Besserverdienenden.

Kündigungsschutz nicht verlängert

Dennoch wurde der Schutz von Mieter/innen in der Krise nicht gestärkt. Die Diskussion, die darüber noch im Frühjahr geführt wurde, ist weitgehend verstummt. Die Miete ist bei Erwerbstätigen der mit Abstand größte regelmäßige Ausgabenposten. Haushalte mit niedrigen Einkommen kratzen auch ohne Corona-Krise nicht selten an der Grenze der Bezahlbarkeit. Zwar wurde erst kürzlich die Position von Gewerbemieter/innen gestärkt. Sie haben nun bessere Chancen auf Minderung, Stundung oder Erlass der Miete, wenn die Nutzung der Mietsache aufgrund staatlicher Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung eingeschränkt ist. Für Wohnungsmieter/innen hingegen wurden keine besonderen Vorkehrungen getroffen, die außergewöhnlichen Belastungen gerecht werden. Selbst der vormalige Kündigungsschutz für Zahlungsrückstände, die von April bis Juni aufgelaufen sind, gilt im neuerlichen Lockdown nicht mehr. Die Bundesregierung erklärt hierzu: „Die Regelungen sind zum 1. Juli 2020 ausgelaufen, sie wurden nicht verlängert. Denn es hat sich gezeigt, dass sich Mieter und Vermieter in sehr vielen Fällen auf privater Basis einigen konnten“. Auf der Grundlage dieses Arguments könnte man gleich eine Vielzahl von Gesetzen abschaffen, im Zweifelsfall gilt halt das Recht des Stärkeren. Die äußerst geringen Mietausfälle, die die Vermieterseite bisher zu beklagen hatte, zeigen, wie die einvernehmliche Lösung auf privater Basis in aller Regel aussehen dürfte: Die Mieter/innen zahlen aus Angst um die Wohnung brav weiter, während sie an anderer Stelle schmerzhaft sparen müssen. Hieraus erklärt sich die absurd wirkende Tatsache, dass trotz ärmer werdender Kundschaft die Immobilienbranche zu den Wirtschaftszweigen gehört, die weitgehend unbeschadet durch die Krise kommen wird. Sollte man ernsthaft über eine wirkungsvolle Umverteilung zur Krisenfinanzierung nachdenken, wäre daher vor allem das Immobilieneigentum in den Blick zu nehmen. 


MieterEcho 414 / Februar 2021

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