Interessengemeinschaft und Beratung für Berliner Mieter
MieterEcho 408 /

Ein zwiespältiges Genossenschaftsmodell

Die BeGeno16 ist keine Wohnungsgenossenschaft sondern Projektentwickler

Von Elisabeth Voß                                   

 

Wohnungsgenossenschaften dienen der Versorgung ihrer Mitglieder mit Wohnraum. Sie stellen sich gerne als demokratisch dar, denn jedes Mitglied hat eine Stimme, unabhängig von der Höhe der finanziellen Einlage. Jedoch haben die Mitglieder meist nicht viel zu melden, die Vorstände regieren durch und die Aufsichtsräte stimmen zu. In manchen jüngeren Genossenschaften geht es demokratischer zu. Die 2016 gegründete Berliner Baugenossenschaft „Besser Genossenschaftlich Wohnen von 2016“ eG, kurz BeGeno16 hat allerdings die Rechte der Mitglieder, die bei der Genossenschaft wohnen, gleich vollständig abgeschafft.    

                                    
Die BeGeno16 versteht sich als „Social Business“. Ihr Ziel ist nicht die Versorgung ihrer Mitglieder mit Wohnraum, sondern „die Förderung der sozialen, ökologischen oder kulturellen Belange ihrer Mitglieder und die Unterstützung ihrer diesbezüglichen gemeinsamen wirtschaftlichen Aktivitäten.“ Wer in eine Genossenschaftswohnung im neu errichteten „Quartier Wir“ in Weißensee einziehen möchte, kann nur investierendes Mitglied ohne Stimmrecht werden. Pro Quadratmeter Wohnfläche müssen Genossenschaftsanteile von 500 Euro eingezahlt werden, die Miete beträgt nettokalt 11 Euro/qm.
Investierende Genossenschaftsmitglieder gibt es erst seit der Änderung des Genossenschaftsrechts im Jahr 2006. Diese Neuerung wurde schon damals kritisiert, weil damit die Genossenschaft einer Kapitalgesellschaft ähnlicher wurde. Während der Kern des Genossenschaftsgedankens der direkte Nutzen für die Mitglieder ist, übernehmen investierende Mitglieder üblicherweise finanzielle Einlagen mit der Erwartung einer Verzinsung. Dass diejenigen, die in einer Genossenschaftswohnung wohnen, nur investierende Mitglieder werden dürfen, ist hingegen sehr ungewöhnlich. Die Stiftung Warentest bemängelte dies in ihrer Zeitschrift Finanztest in einem Artikel über die BeGeno16 bereits im Dezember 2019 und stellte infrage, ob dies überhaupt mit dem Genossenschaftsgesetz vereinbar sei.        
Das ungewöhnliche Konstrukt begründeten die Vorstände der BeGeno16, Klaus Boemer und Michael Räder, auf Nachfrage des MieterEchos unter anderem damit, dass die Genossenschaft „für die solidarische Lösung sozialer Probleme unter Verzicht auf die Privatisierung von Gewinnen“ gegründet wurde. Zweck der Genossenschaft sei die Schaffung von Wohnraum. Sie kritisieren, dass andere Genossenschaften nicht bauen, was „eine milde Form der Privatisierung von Gewinnen“ sei.        

                                        
Geschäftsmodell Social Business    
Laut Satzung bezieht sich die BeGeno16 auf das Social-Business-Konzept von Muhammad Yunus. Dieser erhielt 2006 mit seiner Grameen Bank den Friedensnobelpreis für Mikrokreditprogramme in Bangladesch. Was einst als Weg aus der Armut galt, ist mittlerweile in Verruf geraten, weil vor allem Frauen durch diese Kredite in Verschuldungsspiralen geraten sind. Grameen kooperiert mit Konzernen wie Adidas (1-Euro-Turnschuh für Arme), BASF (Moskitonetze und Vitamine) oder Danone (Mini-Joghurts gegen den Hunger). Die Produkte, die soziale Probleme lösen sollen, funktionieren mitunter überhaupt nicht oder schaffen neue Probleme, aber darauf kommt es gar nicht an. Die Unternehmen verschaffen sich ein freundliches Image, erschließen sich neue Märkte und entwickeln profitable Geschäftsfelder rings um die Sozialprodukte  – oft zulasten heimischer Produzent/innen, die von den finanzkräftigen, sich als sozial vermarktenden „Guten“ verdrängt werden.        
Längst haben Investoren das Feld des Sozialen als lukrative Anlageklasse entdeckt. Philantrokapitalistische Unternehmen verbinden Weltrettung mit Gewinnerwirtschaftung, versprechen „soziale Innovation“ und mit ihrer „Wirkungsorientierung“ einen gesellschaftlichen „Impact“. Wenn es gelingt, vereinzelt soziale Probleme mit marktwirtschaftlichen Mitteln zu lösen, werden zwar immerhin Symptome für begrenzte Zielgruppen gelindert, jedoch nicht die Ursachen behoben.                                

Wohnungen für Geflüchtete        
Die BeGeno16-Vorstände versichern, dass ihrer Arbeit „die von Yunus entwickelte allgemeine Definition eines Social Business zu Grunde“ liege, was aber „explizit nicht (bedeutet), dass wir uns alle seiner Aktivitäten zu eigen machen“. In der Tat zeigt sich im ersten Bauprojekt der Genossenschaft ein glaubwürdigerer Ansatz sozialen Wirtschaftens. Im Quartier Wir in Weißensee vermietet die BeGeno16 Räume an soziale Projekte und für nachbarschaftliche Aktivitäten. Darüber hinaus wurden auf 300 Quadratmetern Wohnungen für Menschen mit traumatisierenden Kriegs- und Fluchterfahrungen geschaffen, die Anfang 2020 bezugsfertig wurden. Dies ist das Ergebnis einer Kooperation der Genossenschaft mit dem Projekt „Wohnraum für Geflüchtete“ des Vereins Xenion. In fünf Wohnungen konnten Familien und alleinstehende Frauen einziehen, in einem Fünfer-Cluster mit Einzelapartments und Gemeinschaftsflächen leben ehemals unbegleitete Minderjährige. Alle haben eigene Mietverträge und sind investierende Mitglieder. Die erforderlichen Genossenschaftseinlagen hat Bea Fünfrocken von Xenion eingesammelt: „Wir haben 2019 eine Werbekampagne gestartet und investierende Genossenschaftsmitglieder als Pat/innen für die Wohnungen gesucht – insgesamt waren 240.000 Euro nötig. So haben sich 13 Geldgeber/innen gefunden. Mit kleinen Beträgen ab 3.000 Euro und großen Summen haben sie zusammen dieses Geld unverzinst für zehn Jahre in die BeGeno16 für die Wohnungen für Geflüchtete eingelegt.“ Weil die Mieten der Neubauwohnungen für Menschen mit Fluchtbiografie zu teuer sind, berechnet die Genossenschaft für diesen Personenkreis nur 8,75 Euro/qm.                   

                     
Projektentwicklung als Ziel        
Stimmberechtigtes Mitglied der BeGeno16 darf werden, wer aus der Social-Business-Welt kommt, die entsprechenden Ziele teilt oder über Fachkenntnisse verfügt „und diese im Dienste der Genossenschaft und nicht auf einen persönlichen Vorteil zielend einbringt“. Der gemeinschaftliche Geschäftsbetrieb besteht darin, Bauprojekte zu entwickeln und umzusetzen. Die BeGeno16 ist demnach keine Wohnungs-, sondern eine Projektentwicklungsgenossenschaft, die als Social Business auch Benachteiligten etwas von ihrem Erfolg abgibt.            
Die nächsten Wohnungen sollen in der Gartenfelder Straße in Spandau und in Lichtenrade an der Alten Mälzerei in der Steinstraße entstehen. Ebenso wie das Quartier Wir sind es Bauprojekte der UTB Projektmanagement GmbH von Thomas Bestgen, die auch ein neues Quartier in Greifswald plant. Die UTB hat in Weißensee in fünf Gebäuden 38 Eigentumswohnungen und 75 Wohnungen für die BeGeno16 gebaut. Bestgen ist Aufsichtsratsvorsitzender der Genossenschaft, dessen Aufgabe es ist, den Vorstand zu berufen und zu kontrollieren – den Vorstand, der auch Verträge mit Bestgens Firma UTB abschließt.    
Gründungsvorstände der BeGeno16 waren Jochen Hucke – langjähriger Mitarbeiter der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, der Anfang 2019 zum Genossenschaftsbeauftragten des Senats berufen wurde – und Richard Schmitz – auch Vorstand der Wohnungsbaugenossenschaft Am Ostseeplatz eG. Die derzeitigen Vorstände Klaus Boemer und Michael Räder waren früher in verantwortlichen Positionen für die städtische Gewobag tätig, Boemer zwischenzeitlich auch leitend in der UTB-Firmengruppe.    
Wer bei der BeGeno16 wohnen möchte, wird per Satzung ideologisch eingeschworen, denn auch für investierende Mitglieder ist es erforderlich, „dass der Antragsteller die Ziele von Social Business (…) unterstützt“. Stimmrechte haben diese Mitglieder nicht, aber der Vorstand betont, er habe selbst den Nutzungsvertrag mit den Bewohner/innen diskutiert und es gäbe im Quartier durchaus „Mitbestimmung der Bewohner in eigenen Belangen“. Dies sind allerdings keine Mitgliederrechte, sondern die Beteiligungsmöglichkeit wird – typisch Social Business – freiwillig gegeben.             
Insgesamt handelt es sich um ein zwiespältiges Genossenschaftsmodell. Keine Rechte für wohnende Mitglieder, Verquickung mit Vertragspartnern, Nähe zur öffentlichen Verwaltung und lautstarke ideelle Ziele machen skeptisch. Anzuerkennen ist, dass der BeGeno16-Neubau ohne öffentliche Förderung zu zwar nicht günstigen, aber doch moderaten Mietpreisen gelingt, sowie die Schaffung von Wohnungen für Menschen mit Fluchtgeschichte. Das ist mehr als viele andere Genossenschaften tun.       


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