Interessengemeinschaft und Beratung für Berliner Mieter
MieterEcho 419 / August 2021

Editorial

Editorial MieterEcho

Liebe Leserinnen und Leser,

das Bundesministerium des Inneren sorgt sich um die Innenstädte und hat deswegen im Herbst letzten Jahres einen „Beirat Innenstadt“ einberufen. Weil die Sorge aber weniger der sozialen Nutzung der innerstädtischen Zentren, sondern dem Profitinteresse der Immobilienwirtschaft gilt, bilden deren Lobbyorganisationen Haus & Grund, der Bundesverband Freier Immobilien- und Wohnungsunternehmen (BFW) und der Zentralausschuss der Immobilienwirtschaft (ZIA) den harten Kern dieses Beirats. Die Innenstadt von morgen habe multifunktional, resilient und kooperativ zu sein, lautet ihre in einem Papier unlängst niedergelegte Strategie. Dies sei notwendig, denn „durch den Strukturwandel, verschärft durch die Corona-Pandemie, wird die Resilienz (Widerstand gegen Krisen) auf eine harte Probe gestellt.“

Wer als Opfer der Krise angesehen wird, erfährt man sofort: „Die immobilienwirtschaftlichen Veränderungen in den Innenstädten sind teilweise sehr groß. Auf Seiten der Immobilieneigentümer bedeutet eine sinkende Nachfrage nach Flächen größere Risiken bis hin zu Problemen bei der Mietzahlung. Es drohen Wertverluste und eine negative Wertentwicklung.“ Das ist betrüblich für das Immobilienkapital und deshalb bedarf es einer Problemanalyse und nachhaltiger Lösungen.

Das Problem, die monofunktionale Ausrichtung der Innenstädte auf den Handel, ist schnell erkannt. Aber mit der Lösung hapert es. Es sollte eine Nutzungsvielfalt sein, aber wie die aussehen soll, bleibt unklar. Schließlich handelt es sich um kapitalistische Städte und deren Zentren sind hochprofitabel. Es bedarf also Nutzungen, die für die gewünschten Profite sorgen. Das Strategiepapier möchte das nicht so unverblümt ausdrücken und bleibt vage: „Nutzungsmischung, Funktionsvielfalt und hohe Aufenthaltsqualität sind grundlegende Voraussetzungen für attraktive und lebendige Innenstädte. Es stellt sich die Frage, welche Anlässe neben dem Einkauf für einen Innenstadtbesuch gefunden bzw. gestärkt werden können. Der konsumfreie Besuch der Innenstadt wird wichtiger – das Bummeln und Flanieren, das kulturelle und soziale Erleben, das touristische Highlight, das „Sehen und gesehen werden“. Das klingt, als habe man sich verzweifelt an dem von Walter Benjamin beschriebenen Flaneur orientieren wollen.

In Berlin gibt es mehrere Stadtzentren. Neben dem Europazentrum, dem Kurfürstendamm nebst Tauentzienstraße bis zum KaDeWe am Wittenbergplatz auch das sogenannte Rathausforum direkt unter dem Fernsehturm. Dieses Innenstadtzentrum ist vollkommen frei von Inwertsetzungen jeglicher Art und bietet deshalb eine sehr „hohe Aufenthaltsqualität“. Es stellt einen Luxus dar, der kapitalistischen Städten gänzlich abhanden gekommen ist und ist daher das Objekt der Begierde für alle, die es zu einem kommerziellen Zentrum machen wollen mit Problemen, die den „Beirat Innenstadt“ notwendig werden ließ.


Ihr MieterEcho


MieterEcho 419 / August 2021

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