Das Bezirksamt als Investoren-Dienstleister
Interview mit den Mieter/innen Micky, Doreen und Henry
Die Skjerven Group ist für den schwedischen Vermieter Heimstaden in Berlin auf Einkaufstour. Unter anderem stehen zwei Altbauensemble in der Malmöer Straße im Prenzlauer Berg mit insgesamt rund 60 Wohneinheiten auf der Liste. Die Mieter/innen sind wenig begeistert, fürchten Mieterhöhungen oder sogar Verdrängung.
MieterEcho: Wie habt ihr euch organisiert?
Zunächst waren wir wenige, haben dann aber angefangen, bei den Nachbar/innen zu klingeln. Bei uns in der Malmöer 15 schien zunächst der Mut zu fehlen. Ein paar Mieter/innen fürchteten, dass der zukünftige Vermieter verstimmt werde. Jetzt sind aber viele mit dabei.
In der Malmöer 12 sind wir seit Januar organisiert, kennen uns alle gut, passen gegenseitig auf die Wohnungen auf, bringen die Post vorbei oder gießen die Blumen, über alle Etagen hinweg. Zu den Hinterhäusern braucht es noch mehr Kontakt. Dort sind auch große WGs, es gibt dort eben mehr Fluktuation.
Wie verhält sich die Mieterschaft nach dem Verkauf an die Skjerven Group?
Unsere starke Gemeinschaft ist jetzt mehr gefordert als bisher, der Investor kann ja jede Wohnung einzeln angehen, versuchen Menschen herauszukaufen oder hinauszuekeln, ungenehmigte Maßnahmen ankündigen. Auch die weniger Aktiven sollten die anderen zumindest bei Neuigkeiten informieren.
Jetzt nach dem Verkauf sich nach dem Motto „Jetzt geht’s erst richtig los“ wieder zu mobilisieren, ist selbstverständlich nicht so einfach, aber den meisten ist die Situation bewusst. Das breitere Vernetzungstreffen mit den anderen an Heimstaden verkauften Berliner Häusern und die Unterstützung durch die Stadtteilinitiative „Hände weg vom Wedding“ kamen jetzt genau zur rechten Zeit. Als Mieter/innen aus den beiden Häusern um die Malmöer Straße wollen wir jetzt als gemeinsame Initiative auftreten, um uns besser Gehör zu verschaffen.
Wie schätzt ihr den Investor ein?
Einar Skjerven stellt sich frech in der Abendschau hin und sagt, er nutze die Corona-Zeit, um groß einzukaufen. Das sagt ja schon einiges. Auch sein Tick sich zu brüsten, mit schnellen Autos durch den öffentlichen Verkehrsraum zu rasen, macht es den Bewohner/innen nicht leicht, ihn als verantwortungs- und vertrauensvollen Zeitgenossen zu sehen.
Habt ihr Kritik am Vorgehen des Bezirks?
Trotz Milieuschutz wurde von den Wohnungsbaugesellschaften Gewobag und Gesobau und einer angefragten Genossenschaft entschieden, der Vorkauf sei nicht wirtschaftlich. Es gebe einen Sanierungsstau und lohne sich daher angeblich nicht.
Gewundert hat uns, dass sowohl von der Wohnungsbaugesellschaft als auch vom Bezirk die Aussage kam, dass der Mietendeckel das Vorkaufsrecht aushebele, da auch die Öffentlichen die notwendigen Modernisierungen aufgrund der Mieterhöhungsbeschränkungen nicht durchführen können.
Auch die Informationspolitik ist zu kritisieren. Wir haben nicht mal ein Schreiben vom Bezirk bekommen. Bei der BVV gibt es aber wohl die Absprache, dass die betroffenen Mieter/innen sofort informiert werden, das ist hier aber nicht geschehen.
In der Verwaltung rühmt man sich sogar, es trotz Corona geschafft zu haben, dem Investor rechtzeitig seinen Negativbescheid, dass der Bezirk sein Vorkaufsrecht nicht ausüben wird, zuzustellen – als seien sie Investoren-Dienstleister.
Was sind eure Forderungen?
Dem Bezirksamt sind mit den momentanen Finanzierungsmodellen wohl Grenzen gesetzt, den städtischen Käufern auch. Es gelten auch teils Bundesgesetze, wie die viel zu kurze Vorkaufsfrist. Die Stadt ist nicht proaktiv – so könnten Boden- und Mietpreis getrennt werden und für deren Kauf jeweils ein Sonderfonds eingerichtet werden.
Auf Bundesebene soll es beim Ministerium gerade Vorarbeiten geben, um die Fristen zu verlängern, das wäre wichtig. Wegen Corona war in den Behörden häufig nur ein/e Mitarbeiter/in da. Und überall wurden Fristen verlängert, diese hier aber nicht.
Das Vorkaufsrecht ist keine gesellschaftliche Lösung: Mit jedem Vorkauf werden ja die Chancen für die Nachfolgenden kleiner. Die Wohnungsversorgung sollte als kommunale Daseinsvorsorge gestaltet werden.
Vielen Dank für das Gespräch.
Das Interview führte Matthias Coers.
MieterEcho 411 /