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MieterEcho 407 / Januar 2020

Baubeginn nicht vor 2022

Das Planungsverfahren für den Rathausblock in Kreuzberg geht in eine neue Phase

Von Jutta Blume      

Im Juli 2016 legte der Senat das Sanierungsgebiet Rathausblock fest. Dieses umfasst außer den 4,7 Hektar des Dragonerareals die Grundstücke des Finanzamts am Mehringdamm und des Rathauses an der Yorckstraße sowie ein Grundstück an der Obentrautstraße, auf dem eine Wohnanlage für Geflüchtete geplant ist. Auf das städtebauliche Werkstattverfahren folgt nun die Aufstellung des Bebauungsplans.                            

Vor beinahe acht Jahren wurde das Dragonerareal in Kreuzberg zum ersten Mal verkauft. Das Gelände befand sich im Besitz der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA). Der Kauf wurde letztlich rückabgewickelt, weil der Preis nicht hinterlegt wurde. Die BImA schrieb das Grundstück daraufhin erneut zum Verkauf an den Höchstbietenden aus, obwohl sich in Berlin zunehmend Protest gegen den Ausverkauf von Landes- und Bundesimmobilien regte. Der Investor Arne Piepgras bot 2014 36,8 Millionen Euro und erhielt den Zuschlag der BImA, durch öffentlichen Druck wurde das Geschäft aber verhindert. Die Länderfinanzminister/innen stimmten auf Initiative des Finanzsenators Matthias Kollatz im Bundesrat 2015 mehrheitlich gegen den Verkauf. Die Grundstücksübertragung an das Land Berlin zog sich bis in den Sommer 2019.    

 

Laut Ausschreibung für das städtebauliche Werkstattverfahren sind in dem Gebiet vielfältige Nutzungen zusammenzubringen. Unter anderem sollen mindestens 500 Wohnungen entstehen, davon 400 errichtet durch die Wohnungsbaugesellschaft Mitte (WBM) und 100 durch „gemeinwohlorientierte Dritte“, vor allem als gemeinschaftliches Wohnen. Die Flächen hierfür sollen im Erbbaurecht vergeben werden. Auch die auf dem Gelände ansässigen Gewerbetreibenden  sollen bleiben, aber so gebündelt, dass sich keine Konflikte mit der künftigen Wohnnutzung ergeben. Gewünscht sind auch eine Kita und eine Jugendfreizeiteinrichtung. Das Gelände soll auch „Lern- und Geschichtsort“ sein, und an die Vergangenheit der ehemaligen Garde-Dragoner-Kaserne erinnern. Die hier stationierten Regimente schlugen den Januaraufstand im Jahr 1919 blutig nieder. Dem Finanzamt – das im ehemaligen Kasernengebäude sitzt – wird eine Erweiterungsfläche zugedacht. Über die genannten Nutzungen hinaus gibt es zahlreiche Anforderungen an zugängliche Freiflächen, ökologische Gestaltung und Verkehrskonzept.
                        
Langer Beteiligungsprozess       
Anfang November wurden als Bestandteil eines umfassenden Werkstattverfahrens drei städtebauliche Entwürfe vorgestellt und diskutiert. In allen drei Modellen waren recht massive Baukörper zu sehen, zum Teil mit bis zu 13 Geschossen. Kontrovers wurde die Diskussion um die Entwürfe nicht, sondern ging eher ins technische Detail. Nach einer letzten Chance zum Nachbessern soll Ende Januar schließlich der Siegerentwurf präsentiert werden. Damit wäre die Grundlage für das anschließende Bebauungsplanverfahren gelegt. Baurecht wird für den Herbst 2021 anvisiert, erst auf der Grundlage könnte über Bauanträge entschieden werden. Mit Baubeginn in größerem Umfang kann wohl erst ab 2022 gerechnet werden. Bis die ersten Wohnungen bezugsfertig sind, werden also noch Jahre ins Land gehen.                

Maßgeblich am Planungsverfahren beteiligt war die Initiative „Stadt von Unten“, die erfolgreich gegen die Privatisierung des Geländes protestiert hatte. In einem Artikel in der Zeitschrift Común reflektiert sie ihre neue Rolle nach dem Protest: „Mit dem erfolgreichen Privatisierungsstopp ist dieses einigende Moment weggefallen.“ Der Beteiligungsprozess habe es auch mit sich gebracht, dass sich Leute aus der Initiative professionalisiert haben, andere aber aus Mangel an Zeit und Fachwissen außen vor blieben. Außerdem stellt Stadt von Unten die berechtigte Frage: „Wie kann also sichergestellt werden, dass auch die Interessen nicht direkt vor Ort Betroffener repräsentiert werden?“ Das Interesse tausender Berliner/innen mit geringem Einkommen könnte auch darin liegen, dass zügig günstiger Wohnraum geschaffen wird, was durch das lange Beteiligungsverfahren eher konterkariert wird.                                   

Weitere Informationen:
https://www.berlin.de/rathausblock-fk/


MieterEcho 407 / Januar 2020