Interessengemeinschaft und Beratung für Berliner Mieter
MieterEcho 419 / August 2021

An sich selbst gescheitert

Die geplatzte Fusion von Deutsche Wohnen und Vonovia offenbart die Widersprüche der finanzialisierten Wohnungswirtschaft

Von Philipp Möller

Der Aufstieg der Vonovia zu einem Immobiliengiganten mit einem Wohnungsbestand von mehr als 500.000 Wohnungen und einer Marktkapitalisierung von mehr 45 Milliarden Euro ist vorerst gestoppt.

Ende Juli teilte der Konzern mit, dass nicht genug Aktionär/innen das Übernahmeangebot von 52 Euro je Aktie angenommen hatten. Statt der benötigten 50% und einer Aktie als Anteilsschwelle für eine Übernahme erreichte Vonovia nur einen Anteil von 47,6%. Nach dem Scheitern wurden die eingereichten Aktien zurückgebucht. Die Fusion von Deutsche Wohnen und Vonovia ist damit jedoch noch nicht vom Tisch. Im Gegenteil kündigte die Vonovia Anfang August bereits einen erneuten Übernahmeversuch an. Noch am Tag des Scheiterns sicherte sie sich durch weitere Aktienkäufe einen Anteil von knapp 30% an der Deutsche Wohnen. 

Der missglückte Übernahmepoker zwischen den beiden börsennotierten Immobiliengesellschaften offenbart die selbstzerstörerische Kraft der finanzialisierten Wohnungswirtschaft. Diese ist ausschließlich von den teils divergierenden Interessen verschiedener Fraktionen des Finanzkapitals statt von Mieterinteressen geprägt. Gegenüber dem Handelsblatt gab Vonovia-Chef Rolf Buch Hedgefonds die Schuld am gescheiterten Übernahmeversuch. Diese auf sehr kurzfristige Renditen ausgerichteten Investmentfonds erwarben nach der Ankündigung der Fusion kurzfristig größere Anteile an der Deutsche Wohnen mit Hoffnung auf einen schnellen Gewinn. Dabei spekulierten sie auf eine hohe Differenz aus dem Kauf- und Verkaufskurs. Ihre starke Renditeorientierung führte jedoch letztendlich dazu, dass sie zu wenige Aktien bis zur Frist wieder verkauften. Als weiterer Faktor erschwerte der hohe Anteil an die passiven Beteiligungen durch sogenannte ETFs, die Indizes wie etwa den DAX abbilden, die Übernahme zusätzlich. Diese Indexfonds halten etwa 20% der Aktien der Deutsche Wohnen und hätten ihre Anteile erst nach dem Abschluss des Deals verkaufen dürfen. ETFs gewinnen auf den Aktienmärkten immer stärker an Bedeutung, da sie bei Kleinaktionär/innen als „sichere“ und „einfache“ Anlageoption und private Altersvorsorge angepriesen werden. Die Fusion scheiterte also schlussendlich an der Eigentümerstruktur der Deutsche Wohnen und damit quasi an sich selbst.  

Selbstverpflichtung ohne Mehrwert 

Während die Aktionär/innen der Vonovia vorerst auf den angestrebten Ausbau ihrer Marktmacht verzichten müssen, ändert das Scheitern der Fusionsabsichten für die Mieter/innen beider Unternehmen kaum etwas. In Berlin wollen Vonovia und Deutsche Wohnen vorerst an ihren Versprechungen des gemeinsam mit dem Regierenden Bürgermeisters Michael Müller (SPD) und des Finanzsenators Matthias Kollatz (SPD) verkündeten „Zukunfts- und Sozialpakts Wohnen“ festhalten. Jedoch weisen die Ankündigungen kaum über die bestehenden gesetzlichen Regelungen und die bisherige Geschäftspraxis der beiden Immobilienaktiengesellschaften hinaus. Demnach dürfen die Bestandsmieten in den Berliner Beständen der Immobilienriesen in den kommenden drei Jahren nur um 1% pro Jahr erhöht werden. Anschließend verpflichten sich die Unternehmen, die Mieten für weitere zwei Jahre lediglich an das Inflationsniveau anzupassen. Dies entspricht einer seit Jahren verfolgten Praxis der beiden Konzerne, die ihre Bestandsmieten durch die Anpassung an den Mietspiegel nur geringfügig erhöhten. So stiegen die Mieten bei der Deutschen Wohnen im Jahr 2020 deutschlandweit um 1,5%. Bei der Vonovia belief sich die Steigerung im selben Zeitraum auf 1%. Ohnehin lässt der neue Berliner Mietspiegel 2021 für die kommenden zwei Jahre nur Mietsteigerungen von 1,1% pro Jahr zu. 

Größere Mietsteigerungen im Bestand können beide Unternehmen zukünftig auch mit Modernisierungen erzielen, die sie in den kommenden fünf Jahren auf 2 Euro/qm begrenzen wollen. Was zunächst sozial klingt, entpuppt sich bei genauerem Hinsehen als herrschende Gesetzeslage. Der §559 Baugesetzbuch sieht eine Kappung der Umlage von Modernisierungskosten bei 2 Euro/qm vor, wenn die Ausgangsmiete unter 7 Euro/qm beträgt. Die Berliner Wohnungsbestände der Vonovia liegen mit 6,87 Euro/qm unter dieser Marke. Auch die Mieten der Deutsche Wohnen sind mit 7,09 Euro/qm nur knapp drüber. Gerade für Quartiere mit einfacher Wohnausstattung und ärmerer Bevölkerungsstruktur hat die Begrenzung der Modernisierungsumlage kaum einen Mehrwert. Eine Regelung für die mietpreistreibenden Neuvermietungen gibt es dagegen nicht. Hierbei nutzen sowohl die Deutsche Wohnen als auch die Vonovia die gesetzlichen Spielräume maximal aus. Bei der Ankündigung handelt es sich zudem um eine freiwillige Selbstverpflichtung, auf die der Senat nicht unmittelbar Einfluss nehmen kann. Bei Verstößen gegen die selbstgesteckten Regeln haben die Unternehmen keine Sanktionen zu befürchten. 

Laut einer Pressemitteilung der Deutsche Wohnen und Äußerungen von Rolf Buch gegenüber dem Handelsblatt sollen auch die weiteren Bestandteile des Zukunfts- und Sozialpakts, der Neubau von 13.000 Wohnungen in Berlin sowie die Re-Kommunalisierung von 20.000 Wohnungen weiterverfolgt werden. Von den Neubauten soll ein Drittel als Sozialwohnungen entstehen. Jedoch wurden dafür weder konkrete Bauvorhaben noch ein fester Zeitplan für das Vorhaben genannt. Zudem schreibt das Modell der kooperativen Baulandentwicklung ohnehin eine Quote von einem Drittel geförderter Wohnungen für Bauvorhaben mit Bebauungsplanverfahren vor. 

Das eigentliche Kernstück des Deals zwischen der Berliner SPD und den Konzernchefs von Vonovia und Deutsche Wohnen ist das Angebot von 20.000 Wohnungen, die durch die landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften gekauft werden sollen. Dabei handelt es sich laut Informationen des Tagesspiegels allen voran um Siedlungen mit einem hohen Anteil von Sozialwohnungen, darunter die High-Deck-Siedlung in Neukölln, die Thermometer-Siedlung in Lichterfelde, das Falkenhagener Feld in Spandau sowie die Wohnblöcke am Kottbusser Tor in Kreuzberg. Für den Kauf dieser oftmals stark vernachlässigten und teilweise asbestbelasteten Bestände sollen nach Angaben des Manager Magazins zwischen 3 bis 5 Milliarden Euro gezahlt werden. Als Käuferinnen sind die landeseigenen Unternehmen Degewo, Howoge und Berlinovo vorgesehen. Momentan verhandelt eine Arbeitsgruppe bestehend aus Vertreter/innen der Senatsverwaltung für Finanzen, der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und der beteiligten kommunalen Wohnungsbaugesellschaften mit den privaten Konzernen über die Verkaufssumme. Welche Bestände zum Verkauf stehen, ist dagegen nicht Teil der Verhandlungen.                                          

Kaum Widerstand von Grünen und Linken

Gegen den von der SPD eingefädelten Deal regt sich in der rot-rot-grünen Koalition bislang nur zarter Widerstand. Die Linksfraktion im Abgeordnetenhaus forderte Ende Juni in einem Positionspapier, das Angebot „offensiv zu prüfen. Für das Land und die Berliner Mieter/innen sind möglichst optimale Vertragskonditionen auszuhandeln.“ Auch wenn die Motive nicht uneigennützig seien, gelte es, möglichst viele Wohnungen zu rekommunalisieren. Katrin Schmidberger, wohnungs- und mietenpolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion, sagte gegenüber MieterEcho: „Um negative Folgen für die Zukunft zu vermeiden, muss es eine ergebnisoffene Prüfung geben, sonst würde sich das Land Berlin unglaubwürdig machen.“ Jedoch stellte sie infrage, „ob überhaupt der gesamte Senat darüber entscheiden wird, bisher sind nur zwei Senatsverwaltungen eingebunden bzw. werden die Aufsichtsräte der drei Unternehmen final abstimmen“. 

Eine Ablehnung des Angebots wurde bislang öffentlich jedoch von keinen Senatsvertreter/innen ernsthaft ins Spiel gebracht. Die Fraktionen von Grünen und Linken fordern eine größtmögliche Transparenz für die Verhandlungen und eine Beteiligung des Abgeordnetenhauses. In den Kaufpreis müssten Abschläge für bauliche Mängel und fehlende Instandhaltungen einbezogen werden. Jedoch fehlt der Politik seit der geplatzten Fusion jegliches Druckmittel gegenüber den Immobilienriesen, die einen Teil der Übernahmekosten durch die Einnahmen aus dem Wohnungsverkauf refinanzieren wollten. Vielmehr besteht die Gefahr, dass diese Preise weiter in die Höhe schießen. Ein Scheitern der Verhandlungen von Seiten der Politik ist dennoch kaum zu erwarten. Zu groß sind die Erwartungen der betroffenen Mieter/innen und der öffentliche Druck, die Rekommunalisierung voranzutreiben.


MieterEcho 419 / August 2021

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