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MieterEcho 402 / April 2019

Viel Lärm um wenig

Der Genehmigungsvorbehalt für die Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen
in Milieuschutzgebieten ist weitgehend wirkungslos

Von Rainer Balcerowiak

 

Es war ein zähes Ringen in der rot-schwarzen Koalition. Doch schließlich konnte sich die SPD durchsetzen. Am 3. März 2015 trat in Berlin die Umwandlungsverordnung (UmwandV) in Kraft. Durch sie wurde die Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen in Milieuschutzgebieten unter einen Genehmigungsvorbehalt gestellt, das heißt Hauseigentümer müssen einen entsprechenden Antrag beim Bezirksamt stellen.

„Wir wollen lebendige und sozial durchmischte Kieze in Berlin. Jeder sollte die Möglichkeit haben, in allen Teilen der Stadt wohnen zu können. Mit der Umwandlungsverordnung schützen wir Mieterinnen und Mieter in besonders gefährdeten Gebieten vor Verdrängung”, erklärte seinerzeit ein sichtlich zufriedener Stadtentwicklungssenator Andreas Geisel (SPD).
Doch ein eher unscheinbarer Satz im § 2 der Verordnung machte deutlich, dass es sich kaum um ein wirksames Instrument gegen Verdrängung handelt. Dort heißt es: „Eine Genehmigungs-, Zustimmungs- oder Erlaubnispflicht nach anderen Vorschriften bleibt unberührt“. Gemeint ist § 172, Absatz 4 des Baugesetzbuchs (BauGB), der zahlreiche Ausnahmetatbestände aufzählt, bei denen die Umwandlung weiterhin erlaubt werden muss. Der Genehmigungsvorbehalt entfällt unter anderem:

  • wenn die Kosten der Bewirtschaftung des Gebäudes im bestehenden Zustand nicht durch seine Erträge oder den Nutzwert für den Eigentümer aufgewogen werden können,
  • wenn das Grundstück zu einem Nachlass gehört und Wohnungseigentum/Teileigentum zugunsten von Miterben begründet werden soll,
  • wenn das Wohnungseigentum zur eigenen Nutzung an Familienangehörige des Eigentümers veräußert werden soll

und

  • wenn der Eigentümer sich verpflichtet, innerhalb von 7 Jahren ab Begründung des Wohnungseigentums Wohnungen nur an Mieter zu veräußern.


Umwandlungsverordnung wird ausgehebelt

Besonders mit der letzten Einschränkung wird die Umwandlungsverordnung weitgehend ausgehebelt. Laut dem Monitoring der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung wurden im Jahr 2017 für 3.557 Wohnungen in Milieuschutzgebieten Umwandlungsgenehmigungen erteilt. Die höchsten Umwandlungsraten wiesen die Gebiete Sparrplatz (Wedding), Kaiser-Wilhelm-Platz (Schöneberg) und Boxhagener Platz (Friedrichshain) auf, mit steigender Tendenz im letzten Quartal. In 96% der Verfahren basierte die Umwandlung auf der Verpflichtung, ausschließlich an die Mieter/innen zu veräußern. In den Bezirken ist bekannt, dass diese Einschränkung eher ein Scheunentor als ein Schlupfloch ist. Mieter/innen werden mehr oder weniger sanft aus ihren Wohnungen gedrängt, anschließend werden „Strohmieter/innen“ eingesetzt, die dann schließlich die Wohnung kaufen. Dominiert wird das Umwandlungsgeschehen von professionellen Objektgesellschaften und Gesellschaften bürgerlichen Rechts (GbR).
Für das Jahr 2018 liegen noch keine vollständigen Zahlen vor. Erste Erhebungen zeigen, dass sich neue Hotspots entwickelt haben. So gab es in Neukölln zwischen Juli 2017 und Juni 2018 Umwandlungsanträge für 1.494 Wohneinheiten in den 7 Erhaltungsgebieten. Außerdem ist die Zahl der Umwandlungen in den unmittelbar an Milieuschutzgebiete angrenzenden Quartieren teilweise sprunghaft angestiegen, was in dem Bericht als „Verlagerungseffekt“ bezeichnet wird. Dieser dürfte vor allem von Investoren getragen sein, deren Geschäftsstrategie auf einem schnellen Verkauf der Wohnungen an Anleger basiert.
Der Senat zeigt sich gegenüber dieser Entwicklung weitgehend hilflos. Eine Bundesratsinitiave zur Streichung der Ausnahmeregelungen fand keine Mehrheit in der Länderkammer. Als vermeintliche Gegenstrategie auf Landesebene wird auf die Ausweisung immer neuer Milieuschutzgebiete verwiesen. Doch dies ist ein relativ langwieriges Verfahren, und schon die Ankündigungen der ersten Voruntersuchungen ließen in der Vergangenheit die Umwandlungen in diesen Quartieren sprunghaft ansteigen. Die 2015 geschürten Hoffnungen in die Umwandlungsverordnung haben sich jedenfalls nicht erfüllt. 

  • Richtigstellung

Im Artikel „Von der Mieterstadt zur Spekulantengoldgrube“ (MieterEcho Nr. 401/April 2019, S.4/5)  ist dem Autor leider ein sachlicher Fehler unterlaufen. Die Schutzfrist von Mieter/innen vor Eigenbedarfskündigungen nach Umwandlung in Eigentumswohnungen beginnt nicht mit der Teilungserklärung, sondern nach dem Erstverkauf der Wohnung. Wir bitten um Entschuldigung. 

 

 

 


MieterEcho 402 / April 2019

Schlüsselbegriffe: Umwandlung von Mietwohnung, Umwandlung,Milieuschutz,Milieuschutzgebiet,Umwandlungsverordnung