Interessengemeinschaft und Beratung für Berliner Mieter
MieterEcho 406 / Dezember 2019

Richtig deckeln

Zum vorläufigen Umgang mit dem Mietendeckel aus Mietersicht

Von Rechtsanwalt Marek Schauer   

Der Mietendeckel (MietenWoG Bln) liegt derzeit nur im Entwurf vor. Das Abgeordnetenhaus von Berlin muss das Gesetz noch beschließen. Bis zu diesem Zeitpunkt kann der Gesetzentwurf jederzeit noch geändert werden. Die folgenden Ausführungen sind daher vorläufige.     
                            
Zudem haben die Vermieter bereits angekündigt, das Gesetz einer gerichtlichen Prüfung unterziehen zu lassen. Da der Entwurf aber vom Senat dem Abgeordnetenhaus zur Beschlussfassung vorgelegt wurde, dürfte im Kern kaum mit Änderungen zu rechnen sein. Somit können erste praktische Tipps auf Grundlage des Gesetzentwurfs gegeben werden.           

                   
1. Keine Alleingänge – lassen Sie sich beraten!               
Der wichtigste Tipp zuerst: Aufgrund der Rechtsunsicherheit dürfen Sie keine Alleingänge im Mietverhältnis starten. Das bedeutet, dass Sie nicht ohne rechtliche Beratung „deckeln“ sollten. Die Miete eigenwillig zu reduzieren, ist immer ein Risiko für den Bestand des Mietvertrages. Sie riskieren die Kündigung. Ähnlich wie bei Mängeln sollte bei dem Verdacht, eine überteuerte Miete zu zahlen, die Zahlung der vollständigen Miete unter Vorbehalt der Rückforderung angekündigt werden. So können Sie eventuelle Rückforderungsansprüche vorsorglich sichern. Gehen Sie also in unsere Beratungsstellen und erarbeiten Sie eine Strategie zum richtigen Deckeln bevor Sie selbst handeln.                                            

2. Der Stichtag: Mietenstopp ab dem 18. Juni 2019               

Kernstück des Mietendeckels ist der Mietenstopp ab dem 18. Juni 2019. Vorbehaltlich einiger Ausnahmen sind Mieterhöhungen ab diesem Datum verboten. Egal, ob es eine Staffel in einem Staffelmietvertrag, eine Indexmieterhöhung, eine Mietspiegelmieterhöhung oder eine nach Modernisierung ist. Betriebskosten dürfen jedoch weiter – soweit gesetzlich zu-
lässig – erhöht werden, weil der Mietenstopp die Nettokaltmiete betrifft. So sollen die Mieten ab dem Stichtag für fünf Jahre eingefroren werden. Ausgenommen sind Neubauten, die ab Januar 2014 bezugsfertig wurden, öffentlich geförderter Wohnungsbau sowie Wohnungen, die mit Fördermitteln instandgesetzt und modernisiert wurden und die einer Mietpreisbindung eben wegen der Förderung unterliegen. (Praktisch eher nicht relevant sind Wohnheime und Wohnungen, die der Wohlfahrtspflege dienen – aber auch diese unterliegen nicht dem Mietendeckel, sollen aber der Vollständigkeit halber erwähnt werden.) Wenn Sie also eine der genannten Mieterhöhungen nach dem Stichtag erhalten haben oder zahlen sollen, ist dies verboten. Fraglich ist natürlich, wie dies bei den tausenden Mieterhöhungsverlangen nach Mietspiegel 2019 ist, die vor dem Stichtag verschickt worden sind. Die Senatsverwaltung selbst geht davon aus, dass auch dieser Vermieterschachzug keine Wirkung entfacht, so lange der Mieter der Mieterhöhung nicht vor dem 18. Juni 2019 zugestimmt hat. Das dürfte zutreffen. Denn der Gesetzentwurf verbietet die Forderung einer Erhöhung nach dem Stichtag, und die zahlreichen Mieterhöhungsverlangen selbst fordern eben genau so eine Erhöhung innerhalb einer nach dem Stichtag liegenden Frist.    Anders gesagt: Mieterhöhungen nach dem Berliner Mietspiegel, welche bis einschließlich 31. März 2019 zugegangen sind, wären nach dieser Auslegung vom Mietendeckel ausgenommen.        
Bei allen anderen Mieterhöhungen nach Mietspiegel, Modernisierung, Verbraucherindex oder Staffelmietvertrag sollten Sie in unsere Beratungsstellen kommen und die Deckelstrategie abklären. Bei einer Wiedervermietung nach dem Stichtag gilt der Grundsatz, dass eine vor diesem liegende Miete nicht überschritten werden darf, auch. Da es jedoch praktisch schon aktuell vollkommen überteuerte Mieten gibt, hat sich der Senat etwas Feines einfallen lassen: Die Obergrenzen. Diese definieren die maximale Wiedervermietungsmiete und senken bei Wiedervermietung somit den Mietzins, wenn dieser vorher über den Grenzen lag. Mehr dazu im folgenden Abschnitt.   

                               
3. Obergrenzen und Kappung der  aktuellen Miete               
Ein weiteres Kernstück des Mietendeckels sind die „Obergrenzen“. Danach wird für jede Wohnung, die der Regelung zum Mietendeckel unterliegt, festgelegt, wie teuer sie sein darf. Das wirkt sich zunächst auf die Wiedervermietung nach dem 18. Juni 2019 aus.                
Es kommt hier auf Baualtersklasse und Ausstattung an. Beispiel: Sie haben eine Wohnung mit Sammelheizung und mit Bad im Altbau, welcher bis 1918 fertiggestellt wurde. Dann beträgt die Miete pro Quadratmeter 6,45 Euro. Ein Euro kann hinzukommen, wenn mindestens drei von fünf Sonderausstattungsmerkmalen wie etwa eine Einbauküche vorhanden sind. Vor Abschluss eines Mietvertrages haben die Vermieter Auskunft über die Berechnung der Mietobergrenze zu erteilen. Eine Altbauwohnung bis 1918 kostet dann zunächst nie mehr als 7,45 Euro/m2 bei Wiedervermietung. Die Obergrenzen werden nach zwei Jahren fortgeschrieben und können dann erhöht werden. Für Bestandsmieter besteht die Möglichkeit, eine über den Obergrenzen liegende Miete zu „kappen“ auf eine Überschreitung von maximal 20%. Bei der Berechnung wird die Lage der Wohnung zusätzlich berücksichtigt. Die Kappung erfolgt über einen Antrag bei der für das Bauwesen zuständigen Senatsverwaltung und wirkt ab dem folgenden Monat im Falle der Bewilligung. Wichtig: Die Kappungsmöglichkeit gilt erst neun Monate nach Inkrafttreten des Gesetzes. Die Obergrenzen sind richtiger Sprengstoff. So werden überteuerte Mieten gesenkt und dürfen keine solchen mehr bei Wiedervermietung verlangt werden. Auch hier gilt: Wie Sie richtig vorgehen, erfahren Sie bei uns in der Beratungsstelle.                            

4. Modernisierungen           
Auch die Möglichkeit, die Mieten über Modernisierungen zu verteuern, werden begrenzt. Einerseits dadurch, dass nur bestimmte – insbesondere klima- und barrierefreie – Modernisierungen als „nötig“ anerkannt werden. Die Modernisierungen müssen der Investitionsbank Berlin angezeigt werden.        Andererseits gilt die Faustformel, dass die Modernisierungsmieterhöhung die Obergrenze um nicht mehr als einen Euro pro Quadratmeter überschreiten darf. Tut sie das bereits, wäre eine weitere Erhöhung nicht mehr möglich. Eine Ausnahme bis zu einem weiteren Euro pro Quadratmeter ist zwar möglich, aber hier sollen Förderprogramme in Kraft treten. Ob diese den weiteren Mietanstieg um eben jenen weiteren Euro pro Quadratmeter abfedern, ist derzeit dem Gesetz nicht zu entnehmen – hier müssen wir abwarten. Es scheint daher, dass die Obergrenze plus ein Euro pro Quadratmeter die maximal zulässige Nettomiete sein soll und das dann der „Deckel“ ist.     

                              
5. Härtefälle und Mietzuschuss       
Die Gesetzesvorlage sieht auch den Schutz von Vermieter/innen vor unbilliger Härte vor. Diese kann vorliegen, wenn die gedeckelte Miete zu Verlusten für sie oder zur Substanzgefährdung der Mietobjekte führen würde. Die Investitionsbank kann dann auf Antrag eine angemessene Erhöhung der Mieten genehmigen. Die betroffenen Mieter können dafür einen Mietzuschuss beantragen. Der Mietzuschuss wird entsprechend den Bedingungen des Wohnraumschutzgesetzes einkomensabhängig gewährt.                                        
6. Ordnungswidrigkeiten       
Positiv ist zu erwähnen, dass das Gesetz sehr strafbewehrt aufschlägt. Verstöße gegen die Verbote, die Miete zu erhöhen, werden mit Bußgeldern bis zu einer halben Million Euro geahndet.            
Besonders hervorzuheben ist die Pflicht der Vermieter, die ebenfalls sanktionsbewehrt ist: Sie haben zwei Monate nach Inkrafttreten des Gesetzes den Mieter/innen unaufgefordert vor Abschluss eines neuen Mietvertrages die zum Stichtag oder bei zu diesem unvermietetem Wohnraum die zum Ende der letzten Vermietung vereinbarte Miete mitzuteilen. Sie haben zudem Auskunft über die Berechnung der Mietobergrenze zu erteilen (§3 Abs. 1 Satz 5; §5 Abs. 4). Es dürfte zu erwarten sein, dass sich nicht wenige Vermieter dieser Pflicht entziehen werden. Man kann nur jedem raten, dieses Verhalten gnadenlos anzuzeigen. Wir hoffen, dass die Behörden mit den Bußgeldern hinterherkommen, aber wenn dies passiert, sollten im besten Fall die Wuchermieten von berüchtigten Vermietern fallen und – so das Gesetz der zu erwartenden verfassungsgerichtlichen Prüfung standhält – auch für fünf Jahre auf dem Stand des Mietendeckels bleiben.


MieterEcho 406 / Dezember 2019

Schlüsselbegriffe: Mietendeckel

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