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MieterEcho 400 / Februar 2019

Kündigungen erschüttern linke Kollektive

Potse, Liebig, Syndikat – gleich drei alternative und gemeinschaftlich genutzte Räume sind akut von Räumungen bedroht

Von Tim Zülch 

Der Eigentümer des Hausprojekts Liebig34 in Friedrichshain war am schnellsten: Bereits Mitte November erhob er Räumungsklage – da war der Pachtvertrag für das Hausprojekt in der Liebigstraße Ecke Rigaerstraße noch gar nicht abgelaufen. Dieser endete nämlich – wie bei den anderen Projekten auch – mit Ablauf des letzten Jahres.

Vor zehn Jahren schloss das queere Wohnprojekt Liebig34 in Anbetracht einer drohenden Räumung den Pachtvertrag mit dem stadtbekannten Immobilienunternehmer Gijora Padovicz. Diese zehn Jahre sind nun vorbei, und Padovicz verweigerte seitdem alle Verhandlungen mit den Bewohnerinnen um eine Verlängerung des Vertrages.     
Milli Weigel* wohnt seit rund einem Jahr in der Liebig34. Gegenüber dem Mieter- Echo bekräftigt sie, dass die Hausgemeinschaft das Haus nicht kampflos aufgeben werde. „Wir werden das Haus verteidigen!“, ist sie sich sicher und schiebt hinterher: „wenn es sein muss auch militant“.  Knapp 30 Menschen bewohnen das Haus- projekt, das bereits seit Anfang der 1990er Jahre existiert und immer ein wesentlicher Bezugspunkt der Häuserszene in Friedrichshain war. Seit 1999 hat sich das Projekt zu einem geschützten Raum zunächst für Frauen, dann verschiedenste queere Personen entwickelt.  
Eine akute Räumung des Hauses stehe nach Ansicht des Bezirks, trotz Räumungsklage, nicht bevor. „Für die L34 besteht keine akute Räumungsgefahr“, so die Pressestelle des Bezirks. Baustadtrat Florian Schmidt sei „mit dem Eigentümer und dem Senat über eine sich abzeichnende Lösung im Gespräch“. Hauseigentümer Padovicz solle ein Ersatzgrundstück angeboten werden, um das Wohnprojekt Liebig34 zu sichern. Allerdings gebe es dazu aktuell „keinen neuen Sachstand“, so die Pressestelle.    
Direkte Verhandlungen mit ihnen würden allerdings nicht geführt, so die Bewohnerinnen. „Padovicz sagte zu uns, dass er nicht mit uns reden wolle, weil er glaubt, dass wir hinter der Kampagne gegen ihn stecken“, so Weigel. Auf der Webseite https://padowatch.noblogs.org/ vernetzten sich Mieter/innen gegen den Investor.  
     

Von Punks für Punks   

Das Jugend- und Kulturprojekt Potse in der Potsdamer Straße soll, nach Auslaufen seines Vertrags Ende 2018, Rent24 weichen, einem internationalen Anbieter von Büroflächen und Coworking-Spaces (MieterEcho 399/ November 2018). Nach 39 Jahren selbstverwalteter Jugendarbeit erhielt das Projekt mit dem Leitspruch „Von Punks für Punks“ die Kündigung. Die Aktivist/innen akzeptierten diese aber nicht und ließen die Schlüsselübergabe platzen. Nach wie vor befinden sie sich, wie auch Liebig34 und Syndikat, in ihren Räumen.      
Das auch in den Räumen der Potse ansässige Drugstore hat hingegen, als öffentlich gefördertes Jugendzentrum, die Schlüssel zum Ende des Jahres abgegeben, um den Trägerverein ssb e.V. nicht zu gefährden. Dieser betreibt noch andere Projekte in Berlin, zum Beispiel die „Rote Insel“ und das Wohnkollektiv Tommy-WeisbeckerHaus. Im Bezug auf Potse und Drugstore gibt es eine Diskussion über Ersatzflächen. Als künftiger Veranstaltungsort für die selbstverwalteten Jugendtreffs sei, laut rbb, auch die Zollgarage auf dem ehemaligen Flughafen Tempelhof in der Diskussion.  Zu allem Überfluss geht es auch der linken Szenekneipe Syndikat in der Weisestraße an den Kragen. Die Betreiber/innen haben ebenfalls die Schlüsselübergabe zum Ende des letzten Jahres verweigert und betreiben die Räumlichkeiten momentan ohne Mietvertrag weiter.           
   

Zusammen kämpfen   

Für Milli Weigel aus der Liebig34 ist es wichtig, dass alle bedrohten Projekte zusammen kämpfen. Aktuell gebe es regelmäßig Vernetzungstreffen und es sei eine Demonstration für März geplant. Sie wünscht sich allerdings, dass im Straßenbild der Widerstand gegen die Kündigung linker Projekte sichtbarer werde.  Von Nachbar/innen würden sie aktuell viel Zuspruch bekommen. „Eine ältere Nachbarin sagte mir zum Beispiel, dass sie sich nirgendwo so sicher fühle wie in der Rigaer Straße, weil es hier so viele linke Wohnprojekte gebe“.


MieterEcho 400 / Februar 2019

Schlüsselbegriffe: linke Kollektive,Potse,Liebig,Liebig34,Syndikat,Räumung,Padovicz