Interessengemeinschaft und Beratung für Berliner Mieter
MieterEcho 406 / Dezember 2019

Kein Plan, kein Mut, keine Hoffnung

Die Berliner SPD distanziert sich auf ihrem Landesparteitag vom „Klassenkampf“ in der Wohnungs- und Mietenpolitik

Von Rainer Balcerowiak

Ist die SPD noch zu retten? Bei den letzten Wahlen zum Abgeordnetenhaus im Herbst 2016 musste sie zwar deutlich Federn lassen, konnte aber immerhin die Position als stärkste Partei behaupten und anschließend eine rot-rot-grüne Koalition unter ihrer Führung bilden. Mittlerweile liegt sie bei den Umfragen aber bei 16% und damit hinter den Grünen, der CDU und der Linken.                                    

Die Schwäche der SPD kann kaum verwundern, denn in keinem der großen Themenfelder, die Berlins Politik dominieren – Wohnen, Verkehr, soziale Infrastruktur, Bildung und innere Sicherheit – hat die Partei die Meinungsführerschaft inne. Dazu kommen immer wieder aufflammende interne Grabenkämpfe zwischen den verschiedenen „Parteiclans“ bis hin zu offenen Machtkämpfen zwischen dem Regierenden Bürgermeister und Landesvorsitzenden Michael Müller und dem Fraktionsvorsitzenden Raed Saleh. Vom Landesparteitag der Sozialdemokraten am 26. Oktober sollte ein Signal des Aufbruchs und der Geschlossenheit ausgehen. Doch die Gräben sind tief, und das zeigte sich vor allem bei der Auseinandersetzung um die Wohnungspolitik. Zwar ist der von Müller in seiner Rede beschworene „Dreiklang aus bauen, kaufen und deckeln“ in der Partei weitgehend unumstritten und wird der „Mietendeckel“ vor allem als eigener Erfolg gewertet. Doch bei der Frage von massiven Markteingriffen in Form der Vergesellschaftung von Wohnungsunternehmen scheiden sich die Geister. Dem Parteitag lagen mehrere Anträge der Jusos und einiger Kreisverbände vor, die sich für die Unterstützung des in der ersten Stufe erfolgreichen Volksbegehrens „Deutsche Wohnen & Co enteignen“ aussprachen, das derzeit von SPD-Innensenator Andreas Geisel blockiert wird. Andere verlangten eine klare Abgrenzung von der Initiative. In einem Antrag der AG Selbstständige wurde gefordert, „dass sich die Berliner SPD von jeder Form der Enteignung distanziert“. Man wolle „nicht zurück zu einer sozialistischen Planwirtschaft“. Auch Müller verwahrte sich gegen „Klassenkampf“ in der Wohnungspolitik, und Bundesfamilienministerin Franziska Giffey bezeichnete die Debatte als verheerendes Signal. „Eine moderne zukunftsfähige Stadt kann nicht für Enteignungen stehen.“ Man müsse vielmehr „deutlich machen, dass Investoren willkommen sind“.    
                      

 
Vor Konzernen eingeknickt        
Die Kreuzberger Bundestagsabgeordnete Cansel Kiziltepe forderte dagegen vom Parteitag „ein Zeichen zu setzen, an die Mieterinitiativen, an die Mieterinnen und Mieter“. Sie sei es „leid, dass die SPD immer wieder vor den Immobilienkonzernen einknickt“.  Ähnlich äußerte sich die Landesvorsitzende der Berliner Jusos, Bianca Klose.                 
Aus den unzähligen Anträgen zum Thema Vergesellschaftung wurden zwei Fassungen formuliert und zur Abstimmung gestellt. Dabei blieben die Unterstützer/innen der Initiative mit 97 zu 137 Stimmen deutlich in der Minderheit. Weiterhin bekannte sich die Partei zu verstärkter Neubautätigkeit und zu einer neuen Diskussion über die Randbebauung des Tempelhofer Feldes. Wie das konkret umgesetzt werden soll, blieb allerdings diffus.        
Beschlossen wurde auch eine Rückkehr zur Verbeamtung von Lehrer/innen, um den dramatischen Mangel an pädagogischen Fachkräften in der Stadt zu überwinden. Vergeblich wiesen einige Fachpolitiker/innen und Vertreter/innen der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) darauf hin, dass es eher die teilweise katastrophalen Arbeitsbedingungen und nicht der fehlende Beamtenstatus seien, die den Exodus von Lehrenden aus der Hauptstadt beförderten. Aber der von der Parteispitze forcierte Beschluss dient wohl eher der Profilierung gegenüber den Koalitionsparteien Linke und Grüne, die der Verbeamtung bislang ablehnend gegenüber stehen. Das machte jedenfalls Raed Saleh in Stellungnahmen nach dem Parteitag deutlich.Ein „Aufbruchssignal“ ging von dieser Veranstaltung jedenfalls nicht aus. Eher eine Manifestation der Plan- und Mutlosigkeit. Das gilt nicht nur, aber besonders für die Wohnungspolitik.        


MieterEcho 406 / Dezember 2019

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