Interessengemeinschaft und Beratung für Berliner Mieter
MieterEcho 406 / Dezember 2019

„Es gibt immer noch eine riesige Grauzone“

Interview mit Burkhard Zitschke

In Berlin gibt es über 8.000 offiziell registrierte Taxis. Das streng regulierte Gewerbe ist zunehmend der Konkurrenz durch neue Anbieter ausgesetzt.  

MieterEcho: Welche Folgen hat die neue Konkurrenz für die Taxibetriebe und die Fahrer/innen?
Burkhard Zitschke: Sie bedeutet vor allem, dass das Geschäft wegbricht. Anbieter wie Uber sind ja nicht an festgelegte Beförderungstarife gebunden und können daher mit Dumpingpreisen operieren. Die Kund/innen orientieren sich am Preis, das ist ja anscheinend das Einzige, was heute noch zählt.                                
Es gab in der Vergangenheit diverse Protestaktionen gegen die „Schmutzkonkurrenz“. Was fordern Sie denn konkret von der Politik?                
Die Proteste gingen in erster Linie von den Unternehmen und ihren Verbänden aus. Gefordert wird vor allem, dass die neuen Anbieter gezwungen werden, sich an das geltende Personenbeförderungsgesetz zu halten. Das beinhaltet, dass sie – anders als Taxis – nach jeder Fahrt an ihren Ausgangsstandort zurückkehren müssen und unterwegs keine Aufträge annehmen dürfen. Außerdem sollen wie bei Taxis nur in Berlin zugelassene Anbieter hier auch Fahrgäste transportieren dürfen. Derzeit kommen die ja aus allen Teilen Brandenburgs, das sind bis zu 3.000 Fahrzeuge, die hier wildern. Wir verlangen, dass die Behörden diesen Wildwuchs mit entsprechenden Kontrollen und Bußgeldern eindämmen. Denn die Rechtslage ist eindeutig.                                

Das Taxigewerbe gilt allgemein als Niedriglohnsektor mit oftmals prekären Arbeitsverhältnissen. Die betroffenen Fahrer/innen haben teilweise andere Interessen als die Taxiunternehmer/innen. Wie kommen Sie bei der gewerkschaftlichen Organisierung voran?   
Da kommen wir überhaupt nicht voran. Zum einen gibt es ein weit verbreitetes Desinteresse an „alten“ Organisationen wie Gewerkschaften. Viele Kolleg/innen haben die Befürchtung, sie würden dann von anonymen Funktionär/innen fremdbestimmt werden. Auch die Forderung nach Tariflöhnen ist nicht sonderlich populär. Lieber wollen viele Taxifahrer/innen das alte Modell verteidigen, bei dem sie 50% der Einnahmen einer Schicht erhalten. Da müssen wir als Gewerkschaft sagen, dass das nicht geht, weil es nicht legal ist.    

                                       
Gibt es keine Möglichkeit, die alte Praxis einzudämmen?                                
Zwar ist die früher weit verbreitete Steuer- und Sozialversicherungshinterziehung durch die neuen Fiskaltaxameter und den gesetzlichen Mindestlohn nicht mehr ganz so einfach, aber es gibt noch immer eine riesige Grauzone. Vor allem, weil es keine elektronische Arbeitszeiterfassung gibt. Die Unternehmen behaupten, das sei technisch nicht möglich, was erwiesenermaßen falsch ist. Unsere gewerkschaftliche Orientierung auf tarifliche Standards stößt auf wenig Resonanz. Auf der anderen Seite werden Fahrer/innen bei einer Bewerbung von den Unternehmer/innen ausgelacht, wenn sie auch nur den gesetzlichen Mindestlohn vertraglich fixieren wollen.
                                     
Wie sieht denn Ihrer Meinung nach die Zukunft des Taxigewerbes aus und welche Rolle kann es im Rahmen der angestrebten Verkehrswende spielen?    
Unsere Aufgabe war ja immer, Transporte zu ermöglichen, die von den öffentlichen Verkehrsmitteln nicht oder nur unzureichend angeboten werden können. Beispielsweise von einer Haltestelle zur Haustür, Arztbesuche, Nachtfahrten. Aber auch da wird uns das Geschäft abgegraben, etwa durch Sammelfahrten von Unternehmen wie BerlKönig oder CleverShuttle, die viel billiger als einzelne Taxen sind. Das könnte auch unsere Branche leisten, aber diese Entwicklungen haben unsere Verbände weitgehend verschlafen.
Ein Riesenproblem sind auch die Überkapazitäten. Es gibt mindestens 2.000 Taxis zu viel in der Stadt, dazu kommt noch die Schmuddelkonkurrenz. Dadurch sinkt die Auslastung der einzelnen Fahrzeuge, und das deckt dann einfach die Kosten nicht mehr. Dennoch können immer noch neue Konzessionen beantragt werden. Von daher sehe ich die Perspektiven des traditionellen Taxigewerbes nicht sonderlich rosig.                                     

Vielen Dank für das Gespräch.    

Die Fragen stellte Rainer Balcerowiak.

Burkhard Zitschke hat den größten Teil seines Berufslebens als Taxifahrer gearbeitet. Als Rentner ist er jetzt Sprecher der AG Taxi bei der Gewerkschaft ver.di.


MieterEcho 406 / Dezember 2019

Schlüsselbegriffe: Taxi

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