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MieterEcho 400 / Februar 2019

Die finanzstarken Akteure hinter den Immobilien-AGs

Zu den Aktienhaltern der Immobilienkonzerne gehören billionenschwere Fonds wie BlackRock, der seinen Einfluss auf deutsche Immobilienunternehmen weiter ausbaut

Vom Ausschuss Immobilien-Aktiengesellschaften

Die in einzelnen Regionen zu mächtigen Playern erstarkten Unternehmen und deren wachsender Einfluss auf die Wohnungsmärkte und Politik sind sozial absolut unverträglich. Insbeasondere angesichts des Umstandes, dass mit den Privatisierungen die zuvor politisch regulierten Wohnungsbestände und damit die politischen Einflussmöglichkeiten verringert wurden und auf der anderen Seite mächtige Fonds die Politik vor sich hertreiben.

Es lassen sich verschiedene Typen von institutionellen Investoren bei börsennotierten Immo-AGs unterscheiden. Zu den Großaktionären dieser AGs gehören milliardenschwere Fonds wie BlackRock, Sun Life usw. Besonders am Beispiel von BlackRock lässt sich die beeindruckende Karriere der großen, global agierenden Vermögensverwalter beschreiben. Zu den sogenannten Ankeraktionären, das heißt langfristig operierenden Aktienhaltern mit Anteilen von mehr als 5% (ab 10% heißen sie Großaktionäre), gehören aber auch Staatsfonds und Versicherungen. Die Norwegische Staatsbank (Norges Bank) ist seit 2013 an der Vonovia und der Deutsche Wohnen (DW) beteiligt. Als drittgrößter Investor branchenweit gilt die kanadische Versicherung Sun Life.

Einer der mächtigsten Fonds der Welt

In das Norges Bank Investment Management fließen die Einnahmen aus dem staatlich kontrollierten Öl- und Gasgeschäft. Der Geschäftszweck des weltweit aktiven Fonds besteht darin, die bestmögliche Rendite zu erzielen und mit seinen Erträgen den Staatshaushalt bzw. den norwegischen „Wohlfahrtsstaat“ zu stützen. Die Regierung zog beispielsweise 2016 insgesamt 2,7 Milliarden Euro für den löchrigen Staatshaushalt ab. Verwaltet wird der Fonds von der norwegischen Zentralbank, die wiederum von den Anlagerichtlinien des Finanzministeriums abhängt. Die norwegische Regierung legt offiziell Wert auf ein „ethisch korrektes“ Wirtschaften, denn die vorgegebene Anlagestrategie sieht vor, dass nicht in die Produktion von Waffen und Tabak investiert wird. Dieses hehre geschäftliche Handeln darf aber nicht für bare Münze genommen werden. Denn Norges hat Kapital unter anderem bei Monsanto und RWE angelegt, die für Umweltzerstörung bekannt sind. Auch blieb die Bank Miteigentümerin von Rüstungsschmieden wie Rheinmetall, Daimler und des größten Rüstungskonzerns Italiens, Leonardo. Zur strategischen Ausrichtung gehört nun auch, dass zunehmend Immobilienkäufe getätigt und Aktienpakete börsennotierter Immo-AGs übernommen werden.    
                            

BlackRock und die Macht der „Schattenbanken“

BlackRock ist keine Bank und auch kein Versicherungsunternehmen. Aber niemand anders beherrscht derzeit mehr Kapital als dieser weltweit mächtigste Finanzdienstleister – aktuell über 6,3 Billionen US-Dollar. Die Summe ist fast doppelt so hoch wie das deutsche Bruttoinlandsprodukt aus dem Jahr 2017. Der US-Konzern ist aktuell bei zehn der dreißig finanzstärksten deutschen Unternehmen (alle vertreten im Dax) der größte Anteilseigner und auch Großaktionär bei den meisten hiesigen börsennotierten Immobiliengesellschaften. Die Journalistin Heike Buchter bezeichnet BlackRock deshalb als einen der größten Vermieter Deutschlands. Als solcher tritt der Finanzkonzern natürlich nur indirekt auf, denn er kauft nicht in erster Linie Wohnungsbestände sondern Aktienpakete der Wohnungsgesellschaften – und streut dabei das Risiko, indem er nicht einzelne Unternehmen ins Visier nimmt sondern die Branche insgesamt.
Der phänomenale Aufstieg von BlackRock als führender sogenannter Vermögensverwalter ist ohne die Finanzkrise ab 2007 nicht erklärbar. Die Politik versprach der Öffentlichkeit damals größtmögliche Transparenz. Der Bankensektor wurde durchleuchtet („Stresstests“) und reguliert. Je mehr dort aber kontrolliert wurde, umso stärker wanderten Bankgeschäfte in weniger regulierte Finanzinstitute ab. Vermögensverwalter jenseits der klassischen Kreditinstitute erlebten einen unglaublichen Aufschwung – die große Zeit des „Shadow-Banking“ brach an. Damit tat sich eine paradoxe Entwicklung auf.
Im Zuge der Aufklärung über das undurchsichtige Agieren der Banken eroberten sich neue Finanzfirmen weitgehend unbeobachtet von der Öffentlichkeit eine dominante Position in der globalen Ökonomie. Während Banken einer stärkeren Aufsicht unterzogen wurden, konnten BlackRock & Co als „Schattenbanken“ relativ unbemerkt in die freigewordenen Geschäftsfelder vorstoßen. BlackRock agiert dabei treuhänderisch mit dem Geld von Versicherungen, Pensions- und Staatsfonds, Stiftungen und superreichen Einzelpersonen. Der unglaublich schnelle Aufstieg der neuen Finanzgiganten basiert dabei auf mehreren Voraussetzungen:                 
Massen an weltweit „vagabundierendem“ Kapital suchen permanent nach renditeträchtigen Anlagemöglichkeiten. Die miteinander konkurrierenden Finanzkonzerne sind zugleich auf den kontinuierlichen Zufluss frischen Kapitals angewiesen und setzen sich erfolgreich dafür ein, dass Teile der Erwerbseinkommen zwangsweise dem Kapitalmarkt zugeführt werden (private Altersvorsorge).
Der Immobiliensektor (Wohnen, aber auch Gewerbe) bietet sich seit einigen Jahren bevorzugt als sichere Anlagesphäre an („Betongold“).
Eine enge Kooperation zwischen privatem Kapital und Staat führt zu günstigen rechtlichen Rahmenbedingungen für die Finanzindustrie („industriell-politischer Komplex“).                                        

Doppeltes Privatisierungsgeschehen

Der Gesetzgeber ebnete den Vermögensverwaltern durch eine doppelte Privatisierung den Weg zu einem lukrativen Geschäftsfeld. Zum einen wurde seit Anfang der 2000er Jahre die gesetzliche Altersvorsorge demontiert. Ziel war es, Kapital bereitzustellen, um das deutsche und internationale Börsengeschäft anzukurbeln. Zum anderen verscherbelte die öffentliche Hand einen großen Teil ihrer Wohnungsbestände an Privatinvestoren, um private Anlagemöglichkeiten zu schaffen. Der lohnabhängige Teil der Bevölkerung wird somit in die Zange genommen zwischen kapitalgedeckter Altersvorsorge und finanzmarktorientierten Vermietern. Die Rentenreform, die von der rot-grünen Bundesregierung im Jahr 2000 auf den Weg gebracht wurde, stellte den größten Durchbruch für die Finanzmärkte dar. Sie besiegelte das Ende der paritätisch finanzierten Sicherung der Altersversorgung, die in den 1950er Jahren erst nach dem längsten Streik in der Geschichte der Bundesrepublik durchgesetzt werden konnte. Die private Altersvorsorge ist zwar formal freiwillig, faktisch aber zwingend erforderlich. Mit einem sinkenden Niveau der staatlichen Alterssicherung steigt die individuelle Nachfrage nach privaten Altersvorsorgeprodukten unausweichlich. Ein Teil der Ersparnisse landet über Pensionsfonds auf dem Finanzmarkt, von dem aus in das renditeorientierte Wachstum der Immo-AGs investiert wird. Diese treten den privat Vorsorgenden dann als mietpreistreibende Vermieter gegenüber und machen ihnen das Leben schwer.
Es ist daher kein Zufall, dass der Vorstandsvorsitzende von BlackRock, der New Yorker Larry Fink, seit vielen Jahren als Lobbyist für die Privatisierung der Altersvorsorge - nicht nur in den USA - auftritt und die öffentlichen Alterssicherungssysteme attackiert. Sein Ziel lautet: Kapital, das bislang in die öffentlichen und staatlichen Altersvorsorgesysteme fließt, soll in die eigenen Kassen umgeleitet werden. „Das Unterfangen gilt als der Heilige Gral der Finanzindustrie“, so die Autorin Heike Buchter in ihrem 2015 veröffentlichten Buch über den Finanzriesen („BlackRock - Eine heimliche Weltmacht greift nach unserem Geld“). Eine treffende Umschreibung angesichts der Tatsache, dass die 300 größten Pensionsfonds der Welt zusammen rund 13 Billionen Euro verwalten. Die (Teil-)Privatisierung der Altersvorsorge ist deshalb die wohl wichtigste Quelle für den Aufstieg von Firmen wie BlackRock. Nach eigenen Angaben stammen nicht weniger als drei Viertel der über sechs Billionen verwalteten Dollar aus staatlichen und betrieblichen Pensionsfonds. Fink setzt sich deshalb auch seit Jahren für ein einheitliches europaweites Rentensparprodukt ein, für das er die EU-Kommission gewinnen will und das seine weiteren Expansionspläne garantieren soll.
Um sein Ziel zu erreichen, hat Larry Fink in den letzten Jahren ehemaliges politisches Spitzenpersonal in sein Haus geholt, das für direkte Verbindungen in Regierungskreise und beste Insiderinformationen sorgen kann. Der frühere Fraktionschef der Union im Bundestag, Friedrich Merz, fungiert seit 2016 als Vorsitzender des Aufsichtsrats von BlackRock. Der ehemalige britische Finanzminister George Osborne – Lobbyist für die Rentenprivatisierung in Großbritannien – arbeitet seit Februar 2017 bei BlackRock als Berater. Dirk Schmitz, früherer Manager der Deutschen Bank, ist seit Januar 2018 Chef des Unternehmens in Deutschland, Österreich und Osteuropa. Philipp Hildebrand, bis 2012 als Präsident der Schweizer Notenbank tätig, gehört seitdem zur Spitze des größten Investors der Welt.
Vor dem Hintergrund der Versprechungen der Finanzmärkte und seiner Lobbymacht überrascht es nicht mehr, dass BlackRock allein im Jahr 2017 gewaltige 367 Milliarden US-Dollar an neuem Geld dazugewinnen und das verwaltete Vermögen um 22% steigern konnte.         
                                        

Wachsender Einfluss auf die Immo-AGs

BlackRock und Co agieren zwar gerne im Hintergrund und überlassen die großen Reden auf Hauptversammlungen anderen. Dennoch versuchen sie die Unternehmensführung nach Aktionärsinteressen auszurichten, indem über informelle Gesprächskanäle Abstimmungen zwischen Investoren und Geschäftsführungen getroffen werden. Die aktuelle Studie „Finanzinvestoren und Mitbestimmung“ von Alexander Sekanina bei der Hans-Böckler-Stiftung zeigt auf, wie dadurch nicht zuletzt die Mitbestimmung in den Aufsichtsräten unterwandert wird.
Zum hintergründigen Agieren der Investoren passt die Börsenmeldung vom April 2018, nach der BlackRock seinen Einfluss auf deutsche Immobilienunternehmen weiter ausbauen will. So auch auf Berlins größten Wohnungskonzern DW: Auf Vorstands- und Aufsichtsratsentscheidungen wird der US-Aktionär zukünftig wohl verstärkt direkt einwirken. Auch seine Stimmrechte bei den Hauptversammlungen werde der Großaktionär wahrnehmen. BlackRock hält inzwischen über 10% der Anteile an der DW und kann damit einen prägenden Einfluss auf die Geschäftsführung ausüben.
Die Konzentration wirtschaftlicher Macht bei BlackRock & Co erklärt sich auch dadurch, dass ein „horizontaler“ Aktienbesitz über ganze Branchen hinweg angestrebt wird – auch im Immobiliensektor. Das Finanzkapital kontrolliert häufig eher kleine Anteile, dafür aber in vielen Unternehmen. Das Augenmerk gilt deshalb der profitträchtigen Entwicklung der Branche insgesamt. Die Interessen und Bedürfnisse von Beschäftigten oder von Mieter/innen haben in dieser Strategie keinen Platz. Die börsennotierten Immo-AGs sind allein ihren Aktionären verpflichtet – die aber wiederum auch ihren eigenen Aktionären. BlackRock gehört zu etwa 21% der amerikanischen PNC Bank (an der BlackRock selbst Anteile hält), zu über 5% dem zweitgrößten Vermögensverwalter der Welt, der Vanguard Group, und mit weiteren 5% der Norwegischen Staatsbank, die selbst als Großanleger und Konkurrent von BlackRock in allen Wirtschaftssegmenten unterwegs ist. Die Überkreuzbeteiligungen und Querverbindungen zeigen, dass sich fast alle Finanzunternehmen gegenseitig steuern, besitzen und kontrollieren. Es ist ein Leichtes für die Finanzkonzerne, sich auf diese Weise gegen demokratische Kontrolle von außen wasserdicht abzuschließen. Deshalb wird zurzeit selbst von marktliberalen Ökonomen intensiv über die „Bedrohung des freien Wettbewerbs“ durch die Monopolisierungstendenz bei den Finanzdienstleistern diskutiert.


MieterEcho 400 / Februar 2019

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