Interessengemeinschaft und Beratung für Berliner Mieter
MieterEcho 406 / Dezember 2019

Der Investorenversteher

Ein wohnungspolitisches Porträt des Regierenden Bürgermeisters

Von Philipp Möller   

Die Karriere von Michael Müller (SPD) begann unter der Regentschaft seines Parteifreunds Klaus Wowereit. Der gelernte Drucker führte zwischen 2001 und 2011 die Fraktion und war zwischen 2004 und 2012 Landesvorsitzender der SPD. Gegen die Widerstände des linken Donnerstagskreises organisierte Müller seinem Ziehvater Wowereit die nötigen Mehrheiten in Fraktion und Partei für die großflächigen Privatisierungen von kommunalen Liegenschaften und Wohnungsbeständen.                 

In der großen Koalition übernahm Müller 2011 das Ressort für Stadtentwicklung. Zu seinen Verdiensten gehörte es, die Notwendigkeit wohnungspolitischer Maßnahmen nicht weiter zu leugnen. Sein Leitmotiv war die Partnerschaft mit privaten Investoren. Zwar schloss Müller mit den kommunalen Wohnungsbaugesellschaften ein „Mietenbündnis“, um sie etwas sozialer auszurichten und zum Ankauf von Wohnungen zu animieren. Kommunalen Neubau verschrieb er hingegen nur in homöopathischen Dosen. Über den Wiedereinstieg in die soziale Wohnungsbau-förderung und die 2014 eingeführte kooperative Baulandentwicklung, die zunächst eine Mindestquote von 10% Sozialbauten vorschrieb, lässt sich Ähnliches berichten. Müller setzte stattdessen auf den privaten und freifinanzierten Wohnungsbau. Das 2012 gegründete „Bündnis für Wohnungsneubau“ soll durch mehr Personal in den Bauämtern und Fertigstellungsprämien für die Bezirke den Neubau beschleunigen. Die gleiche Zielstellung verfolgt die unter Müller eingerichtete Wohnungsbauleitstelle.     

Tatsächlich verdoppelte sich die Zahl der Fertigstellungen zwischen 2011 und 2014 nahezu auf 8.744 Wohneinheiten pro Jahr. Auch die in den Jahren 2016 und 2017 errichteten rund 24.500 Wohnungen gehen auf Müllers Konto. Seine Wohnungspolitik folgte der neoliberalen Sickertheorie, derzufolge es zweitrangig ist, zu welchen Konditionen gebaut wird. Entscheidend ist allein die Quantität. 3.901 der 2014 errichten Wohneinheiten waren Eigentumswohnungen. Lediglich ein Drittel waren Mietwohnungen in Mehrfamilienhäusern. Die ersten 69 Sozialwohnungen wurden 2015 fertiggestellt. Zu einer Entlastung des Wohnungsmarkts, auf dem vor allem günstige Wohnungen zu 4 bis 6 Euro/m² fehlen, trugen die Maßnahmen nichts bei. Umzüge in neu fertiggestellte Wohnungen führten nur dazu, dass die frei werdenden zu Höchstpreisen neu vermietet wurden. Die Kleingeisterei, dass Neubau nicht die Probleme löst, erhielt dadurch Auftrieb. Ob Wohnungsbau den Markt entspannen kann, hängt jedoch davon ab, wer baut und für wen. In dem Kontext ist auch der Volksentscheid zur Randbebauung des Tempelhofer Feldes, Müllers größte politische Niederlage, zu verstehen.                 

Bundespolitische Ambitionen        
2014 trat Müller die Nachfolge von Wowereit an. Um den Wohnungsbau zu beschleunigen, setzte er einen Steuerungsausschuss auf Senatsebene ein, der bezirkliche Bauprojekte im Fall von Verzögerungen an sich ziehen kann. Bei der Auseinandersetzung um den Stadtentwicklungsplan Wohnen 2030 erzwang er die Ausweisung von vier Entwicklungsgebieten, die im ursprünglichen Plan nicht vorgesehen waren. In der Debatte um den Mietendeckel zeigte er sich offen an der Seite der Immobilienwirtschaft. Auf einer Veranstaltung der Lobbyorganisation ZIA sprach sich Müller gegen die Möglichkeit zur Mietabsenkung aus. Die Wiederaufnahme der Lage als Faktor zur Berechnung der Mietobergrenzen geht jedoch auf sein Konto. In seiner Rede auf dem SPD-Landesparteitag im November lud er die private Wohnungswirtschaft als „Partner“ für die Zeit des Mietenstopps zu Investitionen in Neubauten ein. Der Mietendeckel wird Teil Müllers politischen Vermächtnisses werden, auch wenn Obergrenzen und Absenkungsmöglichkeit gegen ihn durchgesetzt wurden. Post-neoliberale Gehversuche in der Wohnungspolitik, wie der Aufbau eines öffentlichen, marktfernen Wohnungsbestands sind jedoch nicht seine Politik. Angesichts der schwachen Umfrageergebnisse der SPD und Müllers jüngst im Tagesspiegel geäußerten bundespolitischen Ambitionen erledigt sich diese Personalie wahrscheinlich spätestens bei den Wahlen 2021 von selbst.


MieterEcho 406 / Dezember 2019

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