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MieterEcho 394 / April 2018

Wie sich eine neue Asset-Klasse etabliert

Mit möblierten Wohnungen lassen sich Renditen jenseits von Normalmietverhältnissen erzielen

Von Hermann Werle

Seit Jahren ist der angespannte Berliner Wohnungsmarkt eine der weltweit beliebtesten Anlagesphären für in- und ausländisches Kapital. Da sich durch die rasant steigenden Immobilienpreise die Gewinnaussichten eintrüben, wurde mit den möblierten Wohnungen ein Segment geschaffen, mit dem sich die Mieten ungebremst in die Höhe treiben lassen.      

 

Es klingt zunächst plausibel, wenn Roland J. Stauber als Geschäftsführer der landeseigenen Berlinovo Immobilien Gesellschaft erklärt, dass „Wohnen auf Zeit“ ein Trend der wachsenden Metropole mit seiner Attraktivität für Start-ups und Studierende sei. Die Zunahme berufsbedingter Mobilität, befristeter Arbeitsplätze und freiberuflicher Tätigkeiten würden „neue Wohnformen“ entstehen lassen und damit die Nachfrage nach „flexiblem Wohnraum“ befördern. Dass es der Berlinovo allerdings nicht um die Bedürfnisse prekarisierter Lohnabhängiger und Studierender geht, wird in ihrem Geschäftsbericht 2016 angedeutet. „Die angespannte Lage auf dem Berliner Wohnungsmarkt, das stabil hohe Niveau der Studierendenzahlen sowie den großen Erfahrungsschatz der Berlinovo Apartment nutzend, erfolgte in 2016 der Markteintritt im Segment ,studentisches Wohnen‘.“

Laut diverser Marktberichte aus der Immobilienbranche zeichnen sich verschiedene Tendenzen auf dem deutschen Wohnungsmarkt ab. Dazu gehören die Expansion der großen Player wie Vonovia, die weiterhin steigenden Immobilienpreise sowie das Entstehen der neuen Asset-Klasse „Möbliertes Wohnen“. 2017 wurde bei bundesweit über 7.600 Wohnungsverkäufen in dieser Asset-Klasse bereits über eine Milliarde Euro investiert. Hinzu kommen millionenschwere Investitionen in Bauprojekte, die inzwischen regelmäßig möblierte Apartments vorsehen. Zielpublikum sind Studierende und andere Singlehaushalte, auf deren Mietzahlungen es neben der Berlinovo auch Projektentwickler wie die Groth- oder CG-Gruppe abgesehen haben. In einer Studie vom Juni 2017 erläutert die HSH Nordbank den Hintergrund des lukrativen Geschäftsfelds, welches viele ihrer Kunden und Investoren im Blick haben, „um ihr Portfolio zu diversifizieren und damit ihre Risiken zu verringern“. Im Anstieg der 1-Personen-Haushalte sieht die HSH die entscheidende Triebkraft des möblierten und temporären Wohnens, da „in kaum einem Segment des Immobilienmarktes Angebot und Nachfrage so weit auseinanderfallen“ und der Wohnungsbau hinterherhinke.    

 

Studentisches Wohnen investmentfähig        

Auch das Moses Mendelssohn Institut (MMI) beschäftigt sich im Rahmen seiner Forschungstätigkeit insbesondere mit diesem Marktsegment und fordert angesichts steigender Mieten in Universitätsstädten die Erhöhung der Bafög-Wohnkostenpauschale. Das sozial klingende, aber durch und durch wirtschaftsliberale Ansinnen verwundert nicht, wurde das MMI doch 2016 von der Gesellschaft für Beteiligungen und Immobilienentwicklung (GBI AG) gegründet, die unter anderem mit „Smartments-Student“ ihr Geld verdient. Die GBI agiert als Investmentgesellschaft und brüstet sich damit, ihren Fonds „‚Studieren & Wohnen‘ erfolgreich platziert“ und damit „die Asset-Klasse studentisches Wohnen investmentfähig gemacht“ zu haben.

Das Segment möblierter Kleinwohnungen ist mit bundesweit an die 40.000 Apartments bislang noch überschaubar. Viele Investmentprojekte wie „The Fritz“ der Groth-Gruppe in Moabit oder das Postgebäude der CG-Gruppe am Halleschen Ufer deuten jedoch an, dass das Geschäftsfeld zunehmend Fahrt aufnimmt. Die hohen Renditen locken und weder Mietpreisbremse noch Zweckentfremdungsverbot oder Mietspiegel beeinträchtigen das Geschäft. In Berlin wird das Geschehen durch die Berliner Senatspolitik befördert, die derzeit quasi alle Bauvorhaben begrüßt, bei den eigenen allerdings auf der Bremse steht. Unter den Bedingungen des akuten Wohnungsmangels wird sich das Segment der extrem teuren und mietrechtlich unregulierten Vermietung zur Freude der Investmentgesellschaften etablieren und ausweiten.    

 

 

 


MieterEcho 394 / April 2018

Schlüsselbegriffe: Asset-Klasse, möblierten Wohnungen, Renditen, Berliner Wohnungsmarkt, Immobilienpreise, Wohnen auf Zeit, möblierte Apartments, Zweckentfremdungsverbot, Mietspiegel, Groth-Gruppe, Berlinovo