Interessengemeinschaft und Beratung für Berliner Mieter
MieterEcho 398 / Oktober 2018

Netzwerke zwischen privatem Kapital und Staat

Die Cheflobbyisten der Immobilien AGs und ihr Einfluss auf die Wohnungspolitik

Von Joachim Maiworm

Der „Berliner Filz“ gilt seit Jahrzehnten als Oberbegriff für Korruption und Vetternwirtschaft sowie für Skandale und Affären, die für eine enge Verflechtung von Wirtschaft, Politik und Verwaltung stehen. Aber Netzwerke zwischen privatem Kapital und Staat arbeiten nicht nur informell, sondern auch ganz offiziell. Denn in der Wohnungswirtschaft scheinen gerade die börsennotierten Konzerne aufgrund ihrer Größe einen Status erreicht zu haben, der sie vor unerwünschten Gesetzen und Verordnungen schützt und bereits im Vorfeld von Entscheidungen einbindet. Sie gelten schlicht als „systemrelevant“ und werden deshalb bei Laune gehalten.


Die Immobilienlobby ist direkt über das „Bündnis für bezahlbares Wohnen und Bauen“ in die Bundespolitik eingebunden. Dort vertreten gleich fünf Verbände die Interessen der privaten Vermieter: Haus & Grund Deutschland, der Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen (GdW), der Zentrale Immobilien Ausschuss (ZIA), der Bundesverband Freier Immobilien- und Wohnungsunternehmen (BFW) und die Bundesarbeitsgemeinschaft Immobilienwirtschaft Deutschland (BID). Der wichtigste der im Bündnis vertretenen Spitzenverbände ist der ZIA, denn er spricht für mehr als 25 Verbände und 37.000 Unternehmen der Branche. Auch die großen börsennotierten Immobilienunternehmen sind im ZIA organisiert und bestimmen dort die politische Ausrichtung entscheidend mit. Einer der beiden Vizepräsidenten ist Rolf Buch, Vorstandsvorsitzender von Vonovia. Bevor er dort 2013 direkt als Vorstandsvorsitzender einstieg, hatte er von 1991 bis 2012 verschiedene Funktionen im Bertelsmann-Konzern inne. Seit dieser Zeit gilt er als exzellenter Netzwerker, der als Manager in dem Gütersloher Konzern Geschäftsbeziehungen mit öffentlichen Institutionen, Ministerien, Behörden und Verwaltungen aufbauen konnte.
Sowohl der Präsident des ZIA, Andreas Mattner, als auch sein Geschäftsführer Klaus-Peter Hesse sind seit vielen Jahren als Hamburger CDU-Politiker auch auf Bundesebene aktiv, womit die Sphären von Wirtschaft und Politik vollends verschwimmen. Mattner, seit 1993 Geschäftsführer der ECE Projektmanagement GmbH & Co. KG, war vier Jahre als Wissenschaftlicher Mitarbeiter des Parlamentarischen Staatssekretärs im Bundesbauministerium und von 1991 bis 2008 in der Hamburgischen Bürgerschaft unter anderem als bau- und wirtschaftspolitischer Sprecher der CDU-Fraktion tätig. Er engagierte sich daneben im CDU-Wirtschaftsrat.
Anlässlich des Tags der Immobilienwirtschaft am 13. Juni 2018 in Berlin stellte der ZIA einen neu gegründeten Kommunalrat vor. Er setzt sich aus Kommunalpolitiker/innen, Vertreter/innen der Immobilienwirtschaft und Stadtentwickler/innen zusammen und soll vor allem Vorschläge erarbeiten, wie das Ziel der Bundesregierung erreicht werden kann, bis zum Ende der Legislaturperiode 1,5 Millionen neue Wohnungen zu bauen. „19 namhafte Spitzen der Kommunen treffen dort auf 12 Unternehmenslenker“, heißt es in einer Pressemitteilung des Verbands. Notwendig seien schlankere Prozesse, schnellere Entscheidungen und mehr Effizienz beim Planen und Bauen. Im Gremium sollen Immobilienwirtschaft und Kommunalpolitik „dauerhaft in einen Dialog treten“, weil die Situation in den angespannten Städten und Gemeinden Deutschlands nur gemeinsam gemeistert werden könne, wie es die ehemalige Oberbürgermeisterin der Stadt Ludwigshafen, Eva Lohse, als Vorsitzende des Rats formulierte. Dazu beitragen wird auch der Vonovia-Vorstandsvorsitzende Rolf Buch, der für die Unternehmerseite den ZIA in der neuen Organisation vertritt.

Papiertiger Mietpreisbremse

In Zeiten wachsender Mieterproteste auf der Straße und steigender Erwartungen gegenüber der Politik, der Wohnungswirtschaft Zügel anzulegen, bringt sich die finanzstarke Immobilienlobby damit weiter in Stellung. So auch vor dem Wohnungsgipfel des „Heimatministers“ Horst Seehofer (CSU) im September. Der ZIA schlug vor, die Erstellung von Bebauungsplänen, mit denen die Kommunen die Nutzung und Bebauung von Grundstücken regeln, „zum Zwecke der Beschleunigung und Entbürokratisierung“ von externen Büros durchführen zu lassen. Das MieterEcho Nr. 397/September 2018 kommentierte spöttisch: „Eine aparte Idee, nicht nur das Baugeschehen und die Wohnungsversorgung, sondern auch gleich noch die Stadtentwicklung den privaten Investoren zu übertragen!“
Anfang Juni 2015 beschloss der Bundestag mit großem politischen Getöse die sogenannte Mietpreisbremse. Bei Neuvermietungen dürfen Mieten in Gegenden mit einem „angespannten“ Wohnungsmarkt nur noch maximal 10% über der ortsüblichen Vergleichsmiete liegen. Vom damaligen Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) als „Meilenstein im Mietrecht“ gefeiert, galt das Gesetz aber schon bald als gescheitert und wegen der vielen Ausnahmeregelungen als weitgehend wirkungslos. Dass etwa der Neubau völlig von der Mietpreisbremse ausgenommen wurde, feiert der ZIA als politischen Erfolg des Verbands. Von den Mieterorganisationen als Papiertiger verhöhnt, lassen sich auch die Spitzenmanager von dem Gesetz kaum beeindrucken. „Wahrscheinlich würden wir ein bisschen mehr Geld verdienen, wenn es keine Mietpreisbremse gäbe. Der Unterschied wäre allerdings nicht nennenswert“, ließ etwa Vonovia-Chef Buch in einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung am 26. Februar durchblicken. Das Vorstandsmitglied der im Frühjahr 2018 von Vonovia übernommenen Buwog AG, Herwig Teufelsdorfer, stellte im Geschäftsbericht 2015/16 fast wortgleich fest, dass die Regelung keine „nennenswerte Beeinträchtigung“ darstelle, denn mit gezielten Modernisierungen gelänge es, die Auswirkungen der Mietpreisbremse zu dämpfen. Michael Zahn, Vorstandsvorsitzender von Deutsche Wohnen, schlug im Juni 2017 vor dem Ausschuss für Stadtentwicklung und Wohnen im Berliner Abgeordnetenhaus in die gleiche Kerbe. Der Anteil der Mietwohnungen, der unterhalb des Mietspiegels liege, so Zahn, schmölze durch die Modernisierungsmaßnahmen des Konzerns ab. Der Mietspiegel als Bezugsgröße auch für die Mietpreisbremse spiele darum für die Deutsche Wohnen auf lange Sicht überhaupt keine Rolle.
Auch Zahn tritt als direkter Lobbyist auf. Die Nummer eins des zweitgrößten Players unter den Immo-AGs ist als Vorsitzender der Bundesfachkommission „Bau, Immobilien und Smart Cities“ für den CDU-Wirtschaftsrat aktiv. Diese wichtige Lobbyorganisation von unionsnahen Unternehmern möchte unter anderem das Mietrecht „von seinen staatlichen Fesseln befreien und die Freiheit des privaten Vertragsrechts stärken“. Deshalb wehrt sich der Wirtschaftsrat der CDU auch gegen alle Pläne zur Einschränkung der Modernisierungsmieterhöhung. Unverantwortlich sei aber, so ist in einer Pressemitteilung vom 6. August zu lesen, die Immobilienbesitzer der Profitgier zu bezichtigen. Allzu viele Gründe für den Zorn der Unternehmer gibt es jedoch nicht. Denn trotz der angekündigten Senkung der Modernisierungsumlage auf 8% haben sie von der Bundesregierung, die die enge Zusammenarbeit mit dem Verband fortzusetzen gedenkt, kaum Ärger zu erwarten.

 

Politische Prominenz

Dass die Lobby- und Politiknetzwerke in Berlin im Bereich der Wohnungswirtschaft eng miteinander verwoben sind, dafür sorgen auch prominente Personen in den Aufsichtsräten. Bis zu seinem Tod im August 2017 saß mit Wulf Bernotat etwa der ehemalige Vorstand des Energieriesen E.on als Vorsitzender im Aufsichtsrat der Vonovia. Seit fünf Jahren ist dort tätig die CDU-Wirtschaftslobbyistin Hildegard Müller, Mitglied des Vorstands von Innogy SE, der börsennotierten Tochtergesellschaft vom Energieversorger RWE. Von 1998 bis 2002 war sie Bundesvorsitzende der Jungen Union, von 1998 bis 2008 Mitglied im CDU-Bundesvorstand, von 2005 bis 2008 Staatsministerin im Bundeskanzleramt. Politischen Einfluss garantiert auch der ehemalige Oberbürgermeister von Oberhausen und Ex-Vorstand der Gagfah, Burkhardt Drescher, der Ende 2014 in den Aufsichtsrat der Vonovia berufen wurde. Auf Prominenz kann auch der Aufsichtsrat der Deutsche Wohnen verweisen. Mit Wolfgang Clement, dem früheren SPD-Superminister unter Kanzler Gerhard Schröder, verfügte der Konzern von 2011 bis Mitte 2017 über einen Superlobbyisten in seinem Aufsichtsgremium.
Alles in allem ist deshalb mehr als fraglich, ob die Politik, erst recht auf der kommunalen Ebene, „im Dialog“ mit den Immobiliengiganten dessen geballter Lobbymacht wirklich etwas entgegenzusetzen hat.


MieterEcho 398 / Oktober 2018

Schlüsselbegriffe: Lobby, Cheflobby,Immobilien,Berlin,Wohnungspolitik

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