Interessengemeinschaft und Beratung für Berliner Mieter
MieterEcho 398 / Oktober 2018

Leben in der Box

Die Start-up-Branche propagiert Mikrowohnen als zukunftsweisende Lösung aus der Wohnungskrise, dabei geht es nur ums Geschäft

Von Stefan Hernádi

Einfach in die Stadt kommen und sich per App in die eigene Wohnbox einmieten. Mit dieser Geschäftsidee sorgt das Neuköllner Start-up Robinhood derzeit für Aufmerksamkeit. Bereits im September wollte das Unternehmen das erste Pod Living vorstellen. Dabei sollen Menschen in sogenannten Pods (Boxen) wohnen, die kaum größer als ein Bett sind und 400 Euro im Monat kosten.    

Die Pods sollen auf einer Gemeinschaftsfläche angelegt sein, die im Stil eines Hotels bewirtschaftet wird. Entstehen sollen die Anlagen auf ungenutzten Gewerbeflächen. Die Idee kommt von sogenannten Pod Hotels, wie sie etwa in Japan zu finden sind. Sie reiht sich ein in verschiedene Konzepte des Mikrowohnens, mit denen Start-ups die Wohnungskrise zur Businessidee machen. In Berlin geistern seit einiger Zeit Tiny Houses (winzige Häuschen) durch die Medien. In Barcelona macht ein Start-up mit 3-m²-Kapseln für Menschen mit geringen Einkommen von sich reden.
Am Beispiel Robinhood zeigt sich, mit welcher Dreistigkeit Wohnungskrise und Mietenbewegung als Kulisse benutzt werden, um die eigene Geschäftsidee zu vermarkten. Denn Unternehmensgründer Dennis Prinz wähnt sich auf politischer Mission und sieht seine Idee als revolutionäre Lösung. So lässt er verlauten, das Unternehmen kämpfe „gegen explodierende Mieten und will das Wohnen in der Hauptstadt wieder einfach, bezahlbar und gemeinschaftlich machen.“

 

Würdiges Wohnen?

 

Zu guter Letzt würden mit Pod Living sogar die Berliner Mieten sinken. Hier lohnt es sich nachzurechnen. Die durchschnittliche Angebotsmiete liegt in Berlin bei ca. 10 Euro/m². Nennenswert wäre etwa eine Absenkung auf 8 Euro/m². Da ein Pod für eine Monatsmiete von 400 Euro zu haben sein soll, würde eine Anlage mit 10 Pods eine Gesamtmiete von monatlich 4.000 Euro einspielen. Bei einer Fläche von 4 m² pro Pod wären dies 100 Euro/m². Um auf eine Angebotsmiete von 8 Euro/m² zu gelangen, müsste auf die 40 qm Fläche der Pods also noch eine Gemeinschaftsfläche von 460 m² kommen. Man darf gespannt sein, wo und zu welchem Preis das Unternehmen derart große Flächen in angesagter Innenstadtlage herbekommen möchte.
Ein solches Konzept würde nur mit einer Risikokapitalfinanzierung funktionieren, wie es für Start-ups üblich ist. Das Verlustgeschäft müsste zunächst mit umfangreichen Investitionen ausgeglichen werden, in der Hoffnung, die Idee am Markt platzieren und eine Nachfrage erzeugen zu können. Gelingt dies, ist ein profitabler Betrieb am Ende nur durch eine Anhebung der Preise möglich. Im Falle von Robinhood wären dies also erheblich höhere Mietpreise als derzeit beworben. Ob die sonstigen Kosten der Bewirtschaftung dadurch niedrig gehalten werden, dass die prekär beschäftigte Reinigungskraft die Gemeinschaftsflächen putzt, während die digitale Boheme in der Box schläft, ist eine weitere Frage. Es kann aber auch sein, dass sich das Unternehmen als reine Luftnummer entpuppt, wie es bei vielen Start-ups der Fall ist. Unter dem Strich scheint Robinhood ein Versuch zu sein, inmitten der Wohnungsnot einen hohen Quadratmeterpreis zu kassieren.
Laut Bezirksamt Neukölln habe man das Projekt zur Kenntnis genommen und behalte es im Blick. Zum Verfahren ließe sich aber nichts sagen, da bislang niemand mit konkreten Planungen an das Amt herangetreten sei. In Barcelona hat die Stadtregierung bereits klar gemacht, dass 3-m²-Kapseln nicht mit einem würdigen Wohnen vereinbar sind. Wer Pod Living ernsthaft zur „Zukunft des Wohnens“ erklärt, bereitet Substandards den Weg, wie sie bereits im Zuge des Containerwohnens (MieterEcho Nr. 396/ Juni 2018) Einzug erhalten. Für bezahlbares Wohnen zu kämpfen, bedeutet angemessenen Wohnraum für alle einzufordern. Hier werden weder Pods, Start-ups noch der digitale Kapitalismus helfen. Im Gegenteil, angemeldet am 1. September bekam man von Robinhood umgehend die Nachricht, es stünden bereits 1.712 Personen auf der Warteliste für die ersten Boxen. Die Wohnungskrise lässt grüßen.


MieterEcho 398 / Oktober 2018

Schlüsselbegriffe: Wohnungskrise,Start-Up,Robinhood,Pod Living,Pod,Pods

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