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MieterEcho 395 / Mai 2018

Geschäft mit Ferienwohnungen

Studie zu Airbnb zeigt kommerzielle Immobilienverwertung und Auswirkung auf den Wohnungsmarkt

Von Justin Kadi, Roman Seidl und Leonhard Plank

Gemeinsam mit dem Städtetourismus wächst Airbnb in den letzten Jahren rasant. In Wien wird Airbnb nicht nur von privaten Anbietern, sondern zunehmend auch für kommerzielle Immobilienverwertung genutzt. Wohnungen werden erworben und dauerhaft als Ferienunterkünfte vermietet. Das zeigt eine neue Studie der TU Wien, von der Berlin vieles lernen kann.

Airbnb ist die weltweit größte Online-Plattform zur Vermietung von Ferienunterkünften. Das im Jahr 2009 in San Francisco gegründete Unternehmen verwaltet heute nach eigenen Angaben bereits rund 4,5 Millionen Unterkünfte in 81.000 Städten weltweit und erreicht mehr als 300 Millionen Gäste. Die Idee ist simpel: Anders als bei Hotelzimmern bieten Menschen ihre eigenen vier Wände zur kurzfristigen Vermietung an und die Online-Plattform dient der Vermittlung. Airbnb sieht hinter seinem rasanten Wachstum einen Boom der „Ökonomie des Teilens“. Ähnlich wie Uber im Fahrtendienst eröffnet die Digitalisierung aus Sicht von Airbnb im Bereich der Ferienunterkunftsvermietung Nischen für niedrigschwellige ökonomische Tauschbeziehungen. Auch in Wien ist Airbnb in den letzten Jahren rasant gewachsen. In den letzten drei Jahren stieg der Zahl der Angebote um nicht weniger als 560%. Waren es im Oktober 2014 noch 1.300 Unterkünfte, gab es ein Jahr später bereits 5.300. Im August 2017 waren es bereits rund 8.600. Airbnb ist mittlerweile nicht nur ein bedeutender Akteur im städtischen Übernachtungsgewerbe, sondern das Portal wird auch zunehmend von Geschäftsleuten dafür verwendet, Wohnungen dauerhaft als Ferienunterkünfte zu vermieten. Anstatt eines Vermittlungsdiensts für das angepriesene „Homesharing“ wird Airbnb damit zu einer Plattform der kommerziellen Immobilienentwicklung mit Auswirkungen auf den Wohnungsmarkt. Auch wenn Airbnb noch nicht einmal 10 Jahre besteht, hat das Unternehmen bereits eine wichtige Rolle am Wiener Übernachtungsmarkt erreicht. Airbnb-Angebote in Wien generierten im Jahr 2016 jährliche Bruttoeinnahmen von geschätzt 81 Millionen Euro inklusive Umsatzsteuer und Airbnb-Gebühren. Das entspricht rund 10% des Umsatzes für Übernachtungen in der Stadt.

Vor allem Große verdienen

Fast 70% aller Airbnb-Angebote sind ganze Wohnungen und Häuser. Die von Airbnb beworbene Idee des geteilten Schlafzimmers oder Wohnraums spielt eine untergeordnete Rolle. Gerade einmal 1% entfallen auf die Kategorie „geteiltes Zimmer“, bei der Tourist/innen sich Schlaf- und restlichen Wohnraum mit den Gastgeber/innen teilen. Rund 30% der Angebote sind Zimmervermietungen.
Ein beträchtlicher Anteil der vermieteten Wohnungen wird nicht nur temporär an Tourist/innen vermietet, sondern dauerhaft. Das trifft – konservativ geschätzt – auf vier von zehn angebotenen Wohnungen zu. In absoluten Zahlen sind das etwa 2.000 Wohnungen. Bei diesen Wohnungen kann davon ausgegangen werden, dass sie nicht gelegentlich als Ferienunterkunft vermietet werden – etwa über ein Wochenende, wenn die regulären Bewohner/innen nicht da sind –, sondern gezielt als permanente Ferienwohnung vermarktet und genutzt werden.
Obwohl die Mehrheit der Anbieter nur ein einziges Angebot inseriert, verdienen bei Airbnb vor allem wenige Große. Monatliche Einnahmen unter 500 Euro hat fast die Hälfte der Anbieter und an sie gehen nur rund 6,5% der Gesamteinnahmen. Dagegen kassiert das oberste Fünftel der Anbieter rund zwei Drittel der Einnahmen. 3,5% der Anbieter verdienen durchschnittlich mehr als 4.500 Euro monatlich, 0,4% mehr als 13.500 Euro und das höchste Monatseinkommen beträgt geschätzt rund 60.000 Euro. Diese Zahlen zeigen, dass das gelegentliche Vermieten des eigenen Zuhauses nur einen Teil des Airbnb-Booms in Wien erklärt. Ein mindestens ebenso wichtiger Faktor scheint die Nutzung der Plattform durch findige Immobilieneigentümer zu sein. Damit ermöglicht die Digitalisierung nicht nur das von Airbnb umworbene temporäre „Homesharing“, sondern etabliert sich auch als Mittel für eine neue Stufe der Immobilienverwertung. Vergleicht man die Einnahmen für reguläre Vermietung und dauerhafte Airbnb-Vermietung, wird deutlich, dass heute stadtweit deutlich höhere Einnahmen mit Airbnb erzielt werden können. Die Mehreinnahmen bei einer nicht mietpreisregulierten Mietwohnung variieren zwischen 36% und 75%, bei mietpreisregulierten Wohnungen sind sie noch höher. Immobilienwirtschaftlich besteht also ein klarer Anreiz für die Umwandlung von Wohnungen in dauerhafte Ferienunterkünfte. Immobilieneigentümer können mittlerweile auf eine Reihe an Agenturen zurückgreifen, die eine Verwertung von Wohnraum über Airbnb erleichtern.

Mehr Kommerz als „Homesharing“

Die dauerhafte Umwandlung von Wohnungen in Ferienunterkünfte hat Auswirkungen auf die Verfügbarkeit von Wohnraum in der Stadt. Wohnungen, die dauerhaft von Tourist/innen genutzt werden, stehen dem regulären Wohnungsmarkt nicht mehr zur Verfügung. Stadtweit ist die Zahl an dauerhaften Airbnb-Wohnungen mit rund 2.000 heute noch begrenzt, vor allem wenn man es in Bezug zum gesamten Wohnungsangebot von rund 950.000 Wohnungen setzt. Das entspricht gerade einmal 0,21%. Der Wohnraumentzug findet allerdings räumlich stark konzentriert statt. Er betrifft besonders innerstädtische Nachbarschaften, in denen die Mieten und die Wohnungsnachfrage bereits sehr hoch sind. Dort werden dem Wohnungsmarkt bis zu 100 Wohnungen innerhalb eines Gebiets von 500 mal 500 m entzogen.
Im Kontext des angespannten Wohnungsmarkts in diesen Nachbarschaften kann davon ausgegangen werden, dass der Entzug von Wohnungen die ohnehin bereits hohen Mieten noch weiter ansteigen lässt und die Verdrängung einkommensschwacher Haushalte aus innenstadtnahen Vierteln fördert. Darüber hinaus sind auch direkte soziale Folgen für Bewohner/innen in betroffenen Häusern und Nachbarschaften mitzudenken. Werden in einem Haus mehrere Wohnungen dauerhaft als Ferienwohnungen vermietet, verändert das sowohl die Nachbarschaftsbeziehungen als auch den Charakter des Hauses und der Hausgemeinschaft. Hohe Fluktuation, abweichendes Nutzungsverhalten in der Urlaubssituation sowie Unruhe und Lärm durch Überbelegung und durch Abreise und Ankunft am frühen Morgen, späten Abend oder in der Nacht können zu Konflikten führen, wenn ein Wohnhaus teilweise in ein Hotel umgewandelt wird.
Zusammenfassend lässt sich konstatieren, dass sich Airbnb in Wien im Kontext des wachsenden Städtetourismus in den letzten Jahren als bedeutender Akteur in der Tourismusindustrie etabliert hat. Entgegen der von Airbnb gern hochgehaltenen Idee vom „Homesharing“ fördert die Plattform allerdings nicht nur das gelegentliche „Teilen“ der eigenen vier Wände, sondern sie wird heute zum beträchtlichen Teil auch kommerziell verwendet. Der hohe Anteil von ganzen Wohnungen an den Angeboten sowie die hohe Zahl von dauerhaft vermieteten Unterkünften lassen darauf schließen, dass sich die permanente Vermietung von Wohnungen über Airbnb als neue Stufe der Immobilienverwertung etabliert hat. Dauerhaft vermietete Airbnb-Wohnungen werden dem regulären Wohnungsmarkt entzogen. Die stadtweit bisher noch begrenzte Zahl von 2.000 dauerhaften Airbnb-Wohnungen sollte dabei nicht von der bestehenden Problematik ablenken, denn der Wohnraumentzug tritt lokal stark konzentriert auf, besonders in innerstädtischen Gebieten mit angespanntem Wohnungsmarkt. Zum Verlust von preiswertem Wohnraum kommt die Belastung der Mieter/innen vor Ort. Die Probleme könnten sich in den nächsten Jahren verschärfen. Würde sich das Wachstum von Airbnb in den nächsten fünf Jahren mit der Dynamik der letzten Jahre fortsetzen und der Anteil an kommerziell genutzten Wohnungen unter allen Angeboten gleich bleiben, würde es in Wien im Jahr 2022 bereits 40.000 dauerhaft vermietete Airbnb-Wohnungen geben.

Die Studie „Sharing-Ökonomie des Wohnens – Airbnb in Wien, räumliche und ökonomische Entwicklungslinien“ wurde von Roman Seidl, Leonhard Plank und Justin Kadi am Department für Raumplanung, Technische Universität Wien durchgeführt. Sie wurde gefördert durch die Hochschuljubiläumsstiftung der Stadt Wien. Die Ergebnisse der Studie sind auf der interaktiven Website http://wherebnb.in/wien verfügbar.

Untersuchungen zu Airbnb in Berlin hatte 2014/2015 ein studentisches Projekt an der FH Potsdam durchgeführt. Das Projekt „Airbnb in Berlin – Was sagen die Daten?“ ist mit Karten auf der Website www.airbnbvsberlin.de dokumentiert.


MieterEcho 395 / Mai 2018

Schlüsselbegriffe: Ferienwohnung, Airbnb, Städtetourismus, Tourismus, Kommerz, Kommerzialisierung, Homesharing, Wohnungsmarkt, Wohnraum, Stadtentwicklung