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MieterEcho 399 / November 2018

Editorial

Editorial MieterEcho

Liebe Leserinnen und Leser,

die 2011 ins Amt gekommene rot-schwarze Koalition war nach dem neoliberalen Kahlschlag ihrer Vorgängerin mit einer wohnungspolitischen Brache konfrontiert, die den Entwurf eines Stadtentwicklungsplans für das Wohnen notwendig machte. Das 2014 zustande gekommene Ergebnis, der StEP Wohnen 2025, war allerdings schon bei seinem Erscheinen überholt. Seine Verfasser/innen prognostizierten einen jährlichen Bedarf von zusätzlichen 10.000 Wohnungen und hatten damit das seit 2011 einsetzende Bevölkerungswachstum von durchschnittlich 45.000 Personen vollkommen unterschätzt.
Die rot-rot-grüne Koalition begann im Frühjahr 2017 mit der Arbeit an einem erweiterten StEP Wohnen 2030. Nach einem halben Jahr wurde festgestellt, dass Berlin von 2011 bis 2016 um knapp eine Viertelmillion Einwohner/innen gewachsen sei und sich daraus ein aktueller Entlastungsbedarf von 77.000 Wohnungen ergeben habe. Um dieses Defizit abzubauen und den weiter steigenden Bedarf zu decken, sei bis 2030 der Neubau von 194.000 Wohnungen erforderlich. 100.000 davon sollten bis zum Ende der Legislaturperiode 2021 entstehen.
Die Erarbeitung des StEP Wohnen 2030 erfolgt in zwei Stufen. Die erste wurde im Herbst 2017 abgeschlossen, „in der zweiten Stufe wird dann der StEP Wohnen 2030 mit allen Inhalten vollständig erarbeitet und voraussichtlich Ende 2018 vom Senat beschlossen“, so die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung. Auf diese endgültige Version kann man gespannt sein, denn inzwischen wird ein weiterer Trend sichtbar. 2016 blieb die Bauleistung mit 13.500 Fertigstellungen um 6.500 hinter den geplanten 20.000 Wohneinheiten zurück und 2017 waren es einschließlich der Baumaßnahmen an bestehenden Gebäuden ca. 15.600 neuentstandene Wohnungen und damit 4.400 weniger als die Zielvorgabe. Außerdem wurde bei der Schätzung des Bedarfs der zu ersetzende Wohnungsverlust durch Abbruch, Zusammenlegung und Zweckentfremdung komplett unberücksichtigt gelassen.
Zweifel an der Realitätstüchtigkeit des Werks sind also angebracht. Dieser Auffassung ist auch der „Fachausschuss VIII Soziale Stadt“ der Berliner SPD, der im November 2018 die Frage stellt: „StEP Wohnen 2030 – Planwerk oder mehr Blendwerk?“ Der Fachausschuss neigt offenbar zur zweiten Variante, denn er stellt fest, dass von 2011 bis 2017 durch die Bevölkerungszunahme ein ungedeckter Bedarf von ca. 90.000 Wohnungen – statt der angesetzten 77.000 – entstanden sei und dass die Bevölkerungsentwicklung bis 2030 deutlich zu gering angesetzt wurde. Bei realistischer Einschätzung würde sie einen zusätzlichen Bedarf von ca. 140.000 Wohnungen bis 2030 erzeugen, sodass – den Abgang von 10.000 berücksichtigt – anstelle der 194.000 Wohnungen mindestens von einem Bedarf von 240.000 ausgegangen werden müsse. Die sozialdemokratischen Berechnungen mögen einiges für sich haben. Vor allem ist zu befürchten, dass die reale Entwicklung selbst hinter der zögerlichen Prognose des StEP Wohnen zurückbleibt, denn ein energisches kommunales Wohnungsbauprogramm steht noch längst nicht auf der Tagesordnung.
Aber zunächst wünschen wir allen Leser/innen ein erholsames Weihnachtsfest und einen guten Rutsch ins neue Jahr.

Ihr MieterEcho


MieterEcho 399 / November 2018

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