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MieterEcho 399 / November 2018

Betreuung oder Gefängnis

Ein schwerbehinderter Mieter kämpft gegen Verdrängung und Zwangsmaßnahmen

Von Jutta Blume

Eine Parkbank am Nordufer im Wedding hat Horst Schwertfeger* als Treffpunkt in der Nähe seiner Wohnung vorgeschlagen. Das Wetter ist ungemütlich. Viel gemütlicher dürfte es in seiner Wohnung auch nicht sein, denn Schwertfeger lebt ohne funktionierende Heizung. Bei kühler Witterung zieht er mehrere Pullover übereinander an. Wenn es noch kälter wird, schaltet er notfalls eine Elektroheizung ein, allerdings werden ihm die Stromkosten von der Sozialhilfe abgezogen. „Ich muss mich entscheiden, ob ich heizen will oder essen“, meint Schwertfeger. Doch das ist noch sein geringstes Problem.


Schwertfeger ist fast im Rentenalter, aber seit Jahren krank und berufsunfähig. Er lebt von Sozialhilfe, gilt als pflegebedürftig, erhält aber derzeit keinerlei pflegerische Unterstützung oder Hilfe im Haushalt. Schwertfegers Dilemma: Er möchte trotz Krankheit ein selbstbestimmtes Leben führen. Er bräuchte dafür eine bewohnbare Wohnung und ein Budget, um seine Pflege zu organisieren. Doch von seinem Vermieter wie auch vom Sozialamt fühlt er sich in seiner Eigenständigkeit bedroht.
Sein Drama begann im Jahr 2006. Schwertfeger hatte damals in einem anderen Haus mit Entmietung zu kämpfen und eine rechtliche Betreuerin, die ihn lieber ins Pflegeheim schicken wollte. Schwertfeger suchte sich stattdessen selbständig die jetzige Wohnung in der Sprengelstraße. Bei der Besichtigung war noch alles in Ordnung, doch nachdem er den Mietvertrag unterzeichnet und der Hausmeister ihm den Schlüssel ausgehändigt hatte, sah die Wohnung ganz anders aus. Der Parkettboden und die Armaturen fehlten. „Ich muss bis heute ins Schwimmbad gehen, wenn ich duschen will“, so Schwertfeger. Ihm gelang es schließlich, seine Betreuerin abzuwählen. Aber das Sozialamt unterstützte ihn in der Auseinandersetzung mit dem Vermieter nicht. Ein Rechtsanwalt riet ihm, die Miete zu mindern, doch das Sozialamt überwies weiterhin den vollen Betrag auf das Konto des Vermieters. Was die Bestellung einer rechtlichen Betreuung anging, bekam Schwertfeger 2010 vom Amtsgericht Wedding Recht: Eine Betreuung für ihn sei nicht einzurichten.

Androhung von Ordnungsgeld

Der mehrfache Eigentümerwechsel, bis das Haus 2017 bei der „Albert Immo 3 S.a.r.L“ landete, einer anonymen Gesellschaft mit Briefkasten in einem Gewerbegebiet namens Windhof in Luxemburg, und die versuchten Mieterhöhungen, die am schlechten Zustand der Wohnung scheiterten, gehören in Berlin zum Üblichen. Die Hausverwaltung für die Albert Immo 3 erfolgt durch Werz Goldstein Werz, ein Unternehmen, das unter Mieter/innen im Sprengelkiez bereits einen schlechten Ruf genießt. Die Hausverwaltung tut nichts, um Mängel in der Wohnung zu beseitigen, sondern schrieb im August 2018 an das Amtsgericht Wedding, dass es prüfen solle, ob Schwertfeger eine rechtliche Betreuung benötige. Schwertfeger scheine sehr verwirrt. Als Indiz wird ein Schreiben des Mieters angeführt, in dem er den Vermieter warnt, nicht unangekündigt seine Wohnung zu besichtigen. Vorlage hierfür war ein Musterschreiben der Berliner MieterGemeinschaft.
Im September verklagt die Albert Immo Schwertfeger auf Duldung einer Wohnungsbesichtigung und zwar unter Androhung eines Ordnungsgelds von einer viertel Million Euro, ersatzweise Ordnungshaft. Eine Güteverhandlung sei ausgeschlossen. Schwertfeger bestreitet die Anschuldigung, dass er jegliche Besichtigung seiner Wohnung verweigert hätte: „Der größte Teil der Besichtigungsversuche hat nicht stattgefunden. Ich war an den Terminen zu Hause, aber es hat niemand geklingelt.“ Er vermutet, dass die Albert Immo 3 in Eigentumswohnungen umwandeln möchte. So hätte die Hausverwaltung ein Aufmaß der Wohnung machen wollen. Es verwundert zwar nicht, dass einer anonymen Immobiliengesellschaft jedes Mittel wie Entmündigung oder Haftandrohung Recht erscheint. Aber sollte nicht das Sozialamt aufmerken, wer hier eine Anfrage auf Betreuung gestellt hat und dass die anfragende Hausverwaltung vielleicht nicht mit den besten Absichten für ihren Mieter handelt?

*Name geändert

 


MieterEcho 399 / November 2018

Schlüsselbegriffe: Schwerbehinderung,Miete,Verdrängung,Zwangsmaßnahmen