Interessengemeinschaft und Beratung für Berliner Mieter
MieterEcho 390 / August 2017

Zwischen Protest und Selbsthilfe

Seit fünf Jahren ist das Bündnis „Zwangsräumung verhindern“ aktiv

Von Karin Baumert

 

Vor über fünf Jahren organisierten politische Aktivist/innen anlässlich der Zwangsräumung von Nuriye Cengiz die ersten Schritte eines dauerhaften Protests. Daraus hat sich eine bis heute stabile politische Struktur entwickelt, mit wöchentlichen Treffen, wenn auch in wechselnder Besetzung. Die Preisentwicklung auf dem Wohnungsmarkt ist die Grundlage für die Verwertung des „Betongolds“ , das einerseits zum zukunftssichernden Wohneigentum führt, andererseits wirtschaftlich schwächere Mieter/innen bangen lässt, bald komplett ausgeschlossen zu werden.  

 

Am Anfang ist die Hoffnung auf die Politik. Aber die Verfallszeiten dieser Hoffnung werden immer kürzer. Ob Vorkaufsrecht für wenige, Milieuschutz zur Beruhigung des Gewissens oder Umwandlungsverordnung – die Politik, welcher Couleur auch immer, schmälert den vermeintlichen Wert der Grundstücke nicht. Die Verwertungskette bleibt intakt und zurück bleiben die, deren Leben in die Tabellen der Transferleistungen eingepresst wird. Die Armut bleibt, denn die Kosten der Unterkunft passt auch ein rot-rot-grüner Senat nicht den tatsächlichen Mieten an.

Das Bündnis „Zwangsräumung verhindern“ hat sich zwischenzeitlich entsprechend der sich vergrößernden und diversifizierenden Betroffenheit breiter aufgestellt. Denn mittlerweile trifft es nicht nur die Mieter/innen von Wohnungen, sondern auch die kleinen Geschäfte wie Änderungsschneidereien oder Bäckereien und mit ihnen die allerletzten Kund/innen in den aufgewerteten Bezirken. Ganze Straßenzüge und Quartiere sind angesichts der Mieterhöhungen bedroht und aufgebracht. Die zuständige Senatorin Katrin Lompscher (Die Linke) zeigt Schockstarre. Die Bürgermeisterin von Neukölln, Franziska Giffey (SPD), meinte doch wirklich, dass die Verhandlungen zur Friedelstraße 54 durch die Proteste verhindert wurden. Verhandeln scheint out – gefragt ist die kollektive Selbstermächtigung.

 

Wohnung als Ware            

Auch die Protestformen haben sich vervielfältigt. Doch schwierig bleibt der Protest bei den Briefkastenfirmen oder den börsennotierten Immobilienunternehmen wie Deutsche Wohnen, derzeit größter Wohnungsanbieter in Berlin. Diese Wohnungsunternehmen haben bereits über Aktienkurse und Gewinnausschüttungen den Zwang zu Mieterhöhungen in der Logik der eigenen Kapitalverwertung festgeschrieben.

Die Hoffnung der Mieter/innen auf die Politik schwindet. Viele stehen ganz schnell allein da, mit dem Rücken zur Wand, und merken, dass solidarische Unterstützung nötig ist. Mitglieder des Bündnisses begleiten die von Zwangsräumung bedrohten oder betroffenen Menschen zur Hausverwaltung, zum Jobcenter, zum Gericht – aber nicht als Sozialarbeiter/innen, sondern als politische Aktivist/innen. Spätestens bei der Zwangsräumung und der Amtshilfe durch die Polizei klärt die strukturelle Macht des Eigentums und des Staats darüber auf, wer hier nicht mehr erwünscht ist, weil nur der Profit zählt.

Die Wohnung von Nuriye Cengiz lässt der Vermieter immer noch leer stehen. Solange die Wohnung eine Ware ist, wird es Zwangsräumungen geben. Sie müssen gestoppt werden. Das Bündnis „Zwangsräumung verhindern“ lädt ein, vorbeizukommen und mitzumachen.         

 

 

Aktivitäten des Bündnisses „Zwangsräumung verhindern“:

- Sit-Ins bei Wohnungsbaugesellschaften

- Plakate kleben und Flyer verteilen

- Demonstrationen und Aktionen

- Gerichtsbegleitung

- Öffentlichkeitsarbeit

- Blockaden bei Zwangsräumungen

 

 

Weitere Informationen und Kontakt: http://berlin.zwangsraeumungverhindern.org

 

 


MieterEcho 390 / August 2017

Schlüsselbegriffe: Bündnis Zwangsräumung verhindern, Protest, Selbsthilfe, Milieuschutz, Mieterhöhungen, Umwandlungsverordnung, Armut, Senatorin Katrin Lompscher, Wohnungsunternehmen, Briefkastenfirmen, Jobcenter, Immobilienunternehmen, Deutsche Wohnen

Teaserspalte

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Tel.: 030 - 21 00 25 84
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