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MieterEcho 387 / April 2017

Mietrechtsreform

Zweites Mietrechtsnovellierungsgesetz kommt nicht vom Fleck

Von Rechtsanwalt Wilhelm Lodde

Zum 1. Juni 2015 trat mit dem Mietrechtsnovellierungsgesetz (MietNovG) der erste Teil der im Koalitionsvertrag vereinbarten Mietrechtsreform in Kraft. Bereits 2016 sollte entsprechend der Koalitionsvereinbarung eine Reihe von weiteren Neuregelungen unter anderem zu den Themen Mietspiegel, Modernisierung und Kündigungsrecht des Vermieters bei Mietrückständen folgen. Das Gesetzgebungsverfahren kommt aber nicht voran.    


Lange existierte lediglich ein „Eckpunktepapier“ des Justizministeriums vom 26. November 2015 (MieterEcho Nr. 385/ April 2016). Ein Referentenentwurf der beabsichtigten Gesetzesänderungen (2. MietNovG) wurde am 11. April 2016 vorgelegt, in dem vieles aus dem Eckpunktepapier übernommen war. Die Umsetzung scheitert bislang trotz der eher moderaten Änderungsabsichten am hartnäckigen Widerstand der CDU und der Vermieterlobby. Am 10. Januar 2017 legten Bündnis 90/Die Grünen im Bundestag einen Be-schlussantrag vor, dessen Forderungen deutlich über die im 2. MietNovG vorgesehenen Gesetzesänderungen hinausgehen. In der SPD wird laut Medien, wohl angesichts des Wahlkampfs, an einer „Nachjustierung“ der „Mietpreisbremse“ gearbeitet. Immerhin hatte das Land Berlin bereits Mitte 2016 einen Reformantrag zur Mietpreisbremse in den Bundesrat eingebracht.
Derweil sind die Vermieter keineswegs untätig und lassen nichts unversucht, Mieter/innen durch teure Modernisierungen, „Herauskaufen“ und nicht zuletzt durch Anmelden von Eigenbedarf und Kündigungen selbst bei kleineren Vertragsverstößen aus ihrem angestammten Wohnumfeld zu verdrängen. Unterstützung erhalten sie dabei nicht selten vom Bundesgerichtshof, dem keine vermieterfreundliche Entscheidungspraxis unterstellt wird, der aber seine Entscheidungen doch sehr formaljuristisch im fernen Karlsruhe trifft.

 

Härteeinwände bei Modernisierung    

Zu begrüßen ist die geplante Verlängerung der Frist zur Mitteilung von Härteeinwänden der Mieter/innen um einen Monat. Auf die Frist müssen Vermieter in der Modernisierungsankündigung deutlich sichtbar hinweisen. Andernfalls können Mieter/innen ihre Härteeinwände auch noch nach Beginn der Baumaßnahmen vorbringen und sind künftig mit dem finanziellen Härteeinwand auch dann nicht ausgeschlossen, wenn die Wohnung durch die Modernisierung lediglich in einen allgemein üblichen Zustand (wie erstmaliger Bad- und Heizungseinbau) versetzt wird. Ausgeschlossen bleibt der finanzielle Härteeinwand aber bei Maßnahmen, „die der Vermieter nicht zu vertreten hat“, also beispielsweise Maßnahmen zur Erfüllung gesetzlicher Vorgaben. Derartige Maßnahmen liegen im Verantwortungsbereich des Vermieters, Kosten wären daher von ihm zu tragen und generell nicht auf die Mieter/innen umzulegen.
Klargestellt werden müsste, dass Mieter/innen nicht vor Ablauf der Frist für Härteeinwände von Vermietern gedrängt werden dürfen, verbindliche Erklärungen über eine Duldung oder Verweigerung von Modernisierungsmaßnahmen abzugeben.
Entgegen vielfach erhobener Forderungen soll es leider dabei bleiben, dass der finanzielle Härteeinwand vom Gericht nicht bereits im Duldungsprozess um die Modernisierungsmaßnahmen, sondern erst in einem weiteren Verfahren um die anschließende Modernisierungsmieterhöhung geprüft wird. Die schwer erträgliche Ungewissheit, ob die Mieter/innen sich die modernisierte Wohnung weiterhin werden leisten können, bleibt damit für sie für einen langen Zeitraum bestehen.  

 

Mieterhöhung nach Modernisierung    

Die Modernisierungsumlage soll von 11% auf 8% gesenkt werden. Zudem sollen weitere Kappungsgrenzen eingeführt werden. Danach darf die Kaltmiete infolge von Modernisierungen in einem Zeitraum von acht Jahren um nicht mehr als 3 Euro/qm steigen und es liegt regelmäßig ein Fall unzumutbarer finanzieller Härte vor, wenn die Bruttowarmmiete 40% des Einkommens der Mieter/innen übersteigt. Bislang wurde dieser prozentuale Anteil am Einkommen der Mieter/innen von Gerichten unterschiedlich beurteilt. Der prozentuale Anteil von 40% wurde aber in keiner bekannten Gerichtsentscheidung auch nur annähernd erreicht und ist als völlig überhöht anzusehen. Für Vermieter, die sich vom Verfahren der Mieterhöhung nach Modernisierung überfordert fühlen, ist ein vereinfachtes Verfahren für die Umlage von Baukosten bis maximal 10.000 Euro pro Wohnung vorgesehen. Dabei werden die von den Modernisierungskosten abzuziehenden Erhaltungskosten in Höhe von 50% pauschaliert. Macht der Vermieter von diesem vereinfachten Verfahren Gebrauch, gilt die Kappungsgrenze von maximal 3 Euro/qm in acht Jahren nicht und Mieter/innen können sich auch nicht auf eine unzumutbare finanzielle Härte berufen. Da der Vermieter von der „normalen“ Modernisierungsumlage auf das vereinfachte Verfahren wechseln darf, könnten Mieter/innen ursprünglich begründete finanzielle Härteeinwände verlieren. Die im vereinfachten Verfahren höchstmögliche Modernisierungsmieterhöhung von 33,33 Euro/Monat kann sich zudem für Einkommensarme und Transferleistungsbeziehende immer noch als unzumutbar darstellen.
Das im Betriebskostenrecht geltende Wirtschaftlichkeitsgebot soll auch auf Modernisierungskosten übertragen werden. Damit darf der Vermieter nur die Kosten umlegen, die er auch dann veranlasst hätte, wenn er sie selbst tragen müsste. Dadurch sollen angeblich „Luxusmodernisierungen“ verhindert werden. Das Wirtschaftlichkeitsgebot wird so kaum zum Tragen kommen. Es muss wenigstens derart konkretisiert werden, dass Modernisierungsmieterhöhungen nach energetischer Modernisierung nur insoweit zulässig sind, als sie in einem angemessenen Verhältnis zur erreichbaren Einsparung der Energiekos-    ten stehen. Das gilt vor allem für die umstrittene, oft extrem teure Wärmedämmung von Fassaden.
§ 559 BGB streichen    
Generell ist zu fordern: Die Modernisierungsumlage ist nicht, wie im vorliegenden Entwurf, komplizierter zu gestalten, sondern insgesamt abzuschaffen. Die Umlage von Modernisierungskosten ist den Regelungen zur Miethöhe im Mietrecht systemfremd. Im BGB stellt die durch Mietspiegel zu ermittelnde ortsübliche Vergleichsmiete anhand von Lage und Ausstattungsmerkmalen das Maß für eine zulässige Miet-erhöhung dar. Die Modernisierungsumlage ist demgegenüber in keiner Weise durch die Ortsüblichkeit der Miete begrenzt, sondern allein durch die Baukosten und zielt ausschließlich auf die Weitergabe der Investitionskosten auf die Mieter/innen ab – und dies auch noch für einen unbegrenzten Zeitraum. Deshalb wäre es nur konsequent, diese spezielle Möglichkeit der Mieterhöhung nach Modernisierung zu streichen und den Vermieter ausschließlich auf die bestehenden Möglichkeiten zur Anpassung der Miete an die ortsübliche Vergleichsmiete nach dem Mietspiegel zu verweisen.

Kündigung durch den Vermieter

Laut Gesetzentwurf soll die nachträgliche Zahlung auch fristgerechte – und nicht nur fristlose – Kündigungen abwenden können. Dies ist längst überfällig. Zu begrüßen ist auch, dass bei Streit um eine Modernisierungsmieterhöhung eine Kündigung erst zulässig sein soll, wenn Mieter/innen die Erhöhung nicht zahlen, obwohl die Berechtigung zur Umlage gerichtlich festgestellt wurde. So ist das bereits für den Fall der Mieterhöhung nach dem Mietspiegel geregelt. Auch bei Streit über die Berechtigung einer Mietminderung wegen Wohnungsmängeln sollte dies möglich sein. Gestrichen werden sollte die völlig praxisuntaugliche Vorschrift zum Minderungsausschluss bei energetischer Modernisierung. Das Kündigungsrecht des Vermieters sollte stärker beschränkt werden. Der Kreis der Berechtigten bei Eigenbedarf ist auf den Vermieter und seine nächsten Familienangehörigen zu beschränken und keinesfalls darf es Eigenbedarf für eine gewerbliche Nutzung geben. Unzulässig muss eine Kündigung in allen Fällen sein, in denen über den (angeblichen) Vertragsverstoß ein Rechtsstreit besteht. Bei geringen Mietrückständen oder sonstigen kleineren Vertragsverstößen der Mieter/innen ist es dem Vermieter ohne Weiteres zuzumuten, auf Zahlung der Mietrückstände oder Unterlassung des vertragswidrigen Verhaltens zu klagen anstatt gleich zum einschneidenden Mittel der Kündigung zu greifen.

Kaum Verbesserung, wenig Schutz    

Insgesamt enthält der Referentenentwurf einige zaghafte Verbesserungsvorschläge. Aber mit der geplanten Novelle werden weder enorme Mietsteigerungsmöglichkeiten durch Modernisierungen grundsätzlich bekämpft noch die Mieter/innen wirksam vor Vermieterkündigungen aus nichtigem Anlass oder wegen Eigenbedarfs geschützt.

 

Rechtsanwalt Wilhelm Lodde berät die Mitglieder in den Kreuzberger Beratungsstellen Möckernstraße und Adalbertstraße sowie Neukölln/ Hobrechtstraße.


MieterEcho 387 / April 2017

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