Interessengemeinschaft und Beratung für Berliner Mieter
MieterEcho 389 / Juli 2017

Lehrstück NKZ

Neues Kreuzberger Zentrum endlich in öffentlicher Hand

Von Michael Klockmann

 

Das Paradebeispiel für Kahlschlagsanierung und autogerechte Stadtplanung, das Neue Kreuzberger Zentrum (NKZ), konnte im April im Bieterverfahren für 56,5 Millionen Euro durch die städtische Gewobag übernommen werden.                              

 

Schockstarre herrschte im März für einige Tage am Kottbusser Tor, als bekannt wurde, dass das NKZ unter privaten Investoren versteigert wird und die astronomisch anmutenden Gebote für Mieter/innen und Gewerbetreibende nichts Gutes verhießen. Ausgelöst hatte diese Krise nach Aussagen von Peter Ackermann, unter dessen Ägide sich das ambitionierte Megalo-Wohnregal in den letzten 15 Jahren stabilisieren konnte, die Investitionsbank Berlin (IBB), die gestundete Kredite in Höhe von 24,9 Millionen Euro fällig gestellt hatte. Die rund 500 Einzel-Kommanditisten, denen das NKZ gehörte, standen damit vor dem Problem, eine Hypothek abzulösen, die ihre ursprünglichen Einlagen ums Mehrfache überstieg. Hatten sie diese seinerzeit noch mit ihren zu zahlenden Steuern verrechnen können – das NKZ war als Abschreibungsobjekt konzipiert gewesen – mussten sie bereits zwei Jahre nach Fertigstellung, beim ersten Beinahe-Bankrott, zum ersten Mal real in die eigene Tasche greifen und nachschießen.

Die Gruppe um Gijora Padovicz, ein stadtweit bekannter Immobilienverwerter, hatte bereits damit begonnen, Anteile der NKZ-Kommanditgesellschaft zu erwerben. Er bot 53,5 Millionen Euro. Sein Gebot muss als entsprechend niedrig kalkuliert angesehen werden. Preise vom 20- bis 25-fachen des Jahresertrags werden an den aufgeheizten Immobilienmärkten deutscher Großstädte derzeit erzielt – eine Folge niedriger Zinsen und Ausdruck dessen, was im Branchenjargon als „Anlagenotstand“ bejammert wird. Etwa beim 18-fachen des Jahresertrags stieg Padovicz aus. Er wurde von einem bis dato völlig unbekannten Investor namens Juwelus GmbH um 4 Millionen übertrumpft. Bei diesem Gebot musste auch die landeseigene Wohnungsbaugesellschaft Gewobag passen. Die Nagelprobe der Kommunalisierungspolitik des rot-rot-grünen Senats drohte zu misslingen.

 

Sanierung der Sanierung                

Die Mieter/innen und Gewerbetreibenden scharten sich um ihren im Dezember 2016 neu gewählten Mieterrat und begannen mit Transparenten an den Fenstern und Kundgebungen den Protest. Bei der über den Verkauf entscheidenden Eigentümerversammlung konnten sie durchsetzen, dass Vertreter/innen des Mieterrats anwesend sein durften. Nach diesem entscheidenden Termin, die Juwelus bekam dabei tatsächlich den Zuschlag, senkte sich eine gespenstische Ruhe über die Szenerie.

Drei Tage später konnte die meistbietende Juwelus ihre Zahlungsfähigkeit nicht nachweisen und die zweitplatzierte Gewobag kam letztlich doch zum Zug. Die Kommunalisierung des NKZ war damit – wundersame Wendung – gerettet. Die NKZ-Kommanditisten teilen sich nun maximal 17,5 Millionen Euro aus dem Erlös. Der Löwenanteil des Kaufpreises aber wandert zur Schuldentilgung von der Gewobag zur IBB, bleibt also aus Sicht des Finanzsenators gewissermaßen „in der Familie“. Die Gewobag sieht sich allerdings auch einem dringenden Investitionsbedarf von 7 Millionen Euro gegenüber.

Dass mit diesem Kauf das Gebäude kommunalisiert wurde, stellt nicht mehr dar als ein spätes Eingeständnis. Das NKZ entstand als privatkapitalistisch organisierter, öffentlich geförderter sozialer Wohnungsbau und es war wesentlich diese Form der Organisierung, die noch im chaotischen Bauprozess einen Dauersanierungsfall aus dem Gebäude machte – und aus der nahen Umgebung gleich mit.

Wohnungswirtschaftlich ist damit ein peinliches Kapitel Berliner Stadtbaupolitik geschlossen. In stadtpolitischer Hinsicht bleibt das NKZ ein Lehrstück dafür, welch verheerende Wirkung  Entwürfe vom Reißbrett und von außen übergeholfene Strategien im Stadtraum entfalten können und wie wichtig die maßgebliche Beteiligung der Bewohner/innen und Akteur/innen vor Ort ist. Jede neu ins Geschehen eingreifende Akteurin, wie nun die Gewobag, ist gut beraten, diese Lehre zu beherzigen, damit die Sanierung der Sanierung am Kottbusser Tor erfolgreich weitergehen kann.      

 

 

 


MieterEcho 389 / Juli 2017

Schlüsselbegriffe: NKZ, Neues Kreuzberger Zentrum, Gewobag, Gijora Padovicz, Niedrigzins, Juwelus GmbH, Immobilienmärkte, Sanierung, Mieterrat, Kottbusser Tor

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