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MieterEcho 389 / Juli 2017

Immobilien-Schwergewicht aus Österreich

Geschäftsstrategie der Buwog Group in Berlin

Von Joachim Maiworm

Der Bezirk Tempelhof galt mietenpolitisch bislang eher als unauffällig, aber die Zeiten haben sich geändert. Auch hier werden mittlerweile Hunderte von Mieter/innen mit aggressiven Geschäftsstrategien börsennotierter Unternehmen konfrontiert. Das Beispiel der Fritz-Bräuning-Siedlung, ein nördlich der S-Bahn-Linie gelegenes städtebaulich bedeutendes Ensemble von Bauten aus den 1920er Jahren, lässt aufhorchen.                                 

 

Ende März informierte die „MieterInnen-Initiative Gontermannstraße“ die Presse über angekündigte Modernisierungsmaßnahmen durch die Tempelhofer Feld GmbH, einem Tochterunternehmen der in Wien ansässigen Buwog AG. Nach Dämmung der Fassaden und dem Einbau von Kunststofffenstern sollen die Mieten um fast 50% von durchschnittlich 5,85 Euro auf 8,66 Euro/m² nettokalt steigen – die Heizkosten im Gegenzug aber nur maximal um 15 Euro im Monat sinken. Die 224 Mietparteien in den überwiegend 65 m² großen Wohnungen sehen sich deshalb mit Mieterhöhungen von etwa 185 Euro konfrontiert. Die Verdrängung vieler zum Teil seit Jahrzehnten im Kiez lebender Menschen ist somit vorprogrammiert (MieterEcho Nr. 388/ Mai 2017).

Der von der Initiative kontaktierte Bezirksstadtrat Jörn Oltermann (Bündnis 90/Die Grünen) moderierte am 20. März im Rathaus Schöneberg einen von ihm initiierten ersten Runden Tisch mit Vertreter/innen der betroffenen Haushalte, des Unternehmens und der Bezirksverwaltung, um im „Dialog“ eine Abmilderung der zu erwartenden sozialen Folgen der baulichen Veränderungen zu erreichen. Denn die rechtliche Situation lässt den Mietparteien wenig Hoffnung, die angedrohten Modernisierungsmieterhöhungen noch abzuwenden (in einer dritten Gesprächsrunde am 12. Juni konnte der Vermieter zu einigen Zugeständnissen bewegt werden). Das bezirkliche Stadtentwicklungsamt kann die Genehmigung der beantragten Maßnahme zwar versagen, weil die Gontermannstraße Teil eines Erhaltungsgebiets ist, in dem die „städtebauliche Eigenart“, also das homogene Erscheinungsbild der Siedlung, geschützt werden soll. Dieser Schritt würde aber eine ausgeprägte politische Konfliktbereitschaft aufseiten des Bezirks voraussetzen, die angesichts des asymmetrischen machtpolitischen Verhältnisses von Lokalpolitik und börsennotiertem Immobilienkonzern mehr als fraglich ist.

 

Privatisierung und Korruption              

In Analogie zur Entstehungsgeschichte deutscher Immobilien-Giganten wie Deutsche Wohnen und Vonovia befanden sich die Wohnungen der Buwog ursprünglich im Eigentum der öffentlichen Hand, denn das Unternehmen war Mitte des letzten Jahrhunderts von der Republik Österreich als Wohnungsgesellschaft für Bundesbedienstete geschaffen  worden. Die Privatisierung der Gesellschaft erfolgte im Jahr 2004. Im Nachgang der Veräußerung der Immobilien ermittelte – fünf Jahre später – die österreichische Justiz gegen den früheren Finanzminister Karl-Heinz Grasser und einzelne Lobbyisten, die den Privatisierungsdeal eingefädelt hatten. Die „Buwog-Affäre“ zieht seitdem immer wieder das Interesse der österreichischen Öffentlichkeit auf sich. Es geht bei dem damaligen Verkauf von über 60.000 Bundeswohnungen, die neben der Buwog-Wien von vier anderen Wohnungsgesellschaften verwaltet wurden, um Amtsmissbrauch, wettbewerbsbehindernde Absprachen und Schmiergeldzahlungen in Millionenhöhe. Zunächst war die Firma CA Immo als meistbietender Käufer favorisiert worden, die Immofinanz-Gruppe aber erhielt überraschend den Zuschlag – während die im Hintergrund agierenden Strippenzieher für ihre Dienste knapp zehn Millionen Euro kassierten. Das Landesgericht für Strafsachen Wien verhandelt in dieser Endlos-Affäre aktuell gegen 15 Personen. Anfang Mai berichtete die Wirtschaftswoche online, dass der Staat Österreich nun endlich den Schaden, der ihm laut Anklage aufgrund des zu geringen Verkaufspreises für die Bundeswohnungen entstanden ist, einfordert.

Die Buwog rückt aber nicht nur in der Alpenrepublik periodisch in den öffentlichen Fokus, sondern macht seit 2010 durch ihre unübersehbare Expansionsorientierung auch auf dem deutschen Wohnungsmarkt von sich reden. Der Börsengang im Jahr 2014 ermöglichte durch einen neuen Zugang zum Kapitalmarkt weitere Zukäufe vor allem in Metropolenregionen wie Berlin und Hamburg. Im Gegensatz zu anderen Wohnungskonzernen wie zum Beispiel Vonovia und Deutsche Wohnen entwickelt die Buwog aber auch einen Teil der konzerneigenen Wohnungen selbst. Aktuell umfasst der Bestand knapp 51.000 Wohnungen, je zur Hälfte in Österreich und in Deutschland. Der Konzern verwaltet in Berlin etwa 5.000 Wohnungen, wobei das Portfolio kontinuierlich ausgebaut werden soll. Im letzten Geschäftsbericht betont das Unternehmen sein Alleinstellungsmerkmal im börsennotierten Umfeld, das heißt seine „Doppelrolle als integrierter Bestandshalter und Immobilienentwickler“. In einem Interview im Wohnmarktreport Berlin 2017 der BerlinHyp AG und CBRE GmbH (Mieter-Echo Nr. 387/ April 2017) unterstrich der stellvertretende Vorstandsvorsitzende Andreas Segal die Bedeutung von Neubau als eine entscheidende Säule der Geschäftsstrategie der Buwog Group. Der zweitgrößte Projektentwickler plant in Berlin in den nächsten viereinhalb Jahren den Bau von etwa 3.500 Wohnungen, 70% davon sollen als Eigentumswohnungen verkauft und 30% im Bestand gehalten werden. Dabei werden Mieten von 12 bis 13 Euro/m² kalkuliert. Der operative Gewinn, schreibt die Immobilien Zeitung am 4. Mai, soll so binnen drei Jahren um satte 50% steigen. Segal selbst steht auch als Person für den forcierten Wachstumskurs in der Hauptstadt. Bis Ende 2015 war er Finanzchef der Deutsche Wohnen und stieg danach bei der Buwog ein – offensichtlich um den Berlin-Fokus von Deutsche Wohnen auch bei seinem neuen Arbeitgeber zu verstärken. Dabei zielt das Unternehmen auf die Bedürfnisse und die Geldbeutel der einkommensstarken Mittelschicht ab und bietet in den Worten Segals „Mittelklasseprodukte zu mittleren Preisen“ an, weil aus Sicht des Unternehmens in diesem Segment die höchsten Renditen winken.                                        

 

Mieterhöhungspotenziale ausschöpfen        

Zitate aus den Veröffentlichungen des Konzerns belegen, dass die Buwog zur Ertragsoptimierung alle Möglichkeiten zur Erhöhung der Mieten voll ausschöpfen will. Der Geschäftsbericht 2015/16 stellt im deutschen Bestand eine Preisdifferenz zwischen Markt- und Nettokaltmieten in Höhe von 13% bzw. 0,72 Euro/m² fest. „Im Rahmen der Neuvermietung aus Fluktuation“, so heißt es im Bericht, „wird die Realisierung dieses Mietsteigerungspotenzials, unterstützt durch objekt- und wohnungsspezifische Modernisierungsmaßnahmen, konsequent umgesetzt“. Die Buwog investiert also im Rahmen der Wiedervermietung genau dort, „wo ein erheblicher Unterschied zwischen Mietpreisdeckelung und dem am Markt realisierbaren Mietwachstum besteht“. Im Interview ergänzt Segal auf die Frage, wie er mit der Mietpreisbremse umgehe: „Wir verhalten uns natürlich gesetzeskonform. Aber wir nutzen auch die Ausnahmen, zum Beispiel bei Komplettmodernisierungen.“

Nach Angabe der Initiative-Gontermannstraße stützt die Buwog im Fall der Fritz-Bräuning-Siedlung die Modernisierungsmaßnahmen auf eine Mieterumfrage, die sie 2016 durchführte und die den dringenden Bedarf der Mieter/innen nach Instandsetzung deutlich machen soll. Offensichtlich will die Buwog den von ihr zu verantwortenden massiven Instandhaltungsstau argumentativ nutzen, um anstelle des § 555 a BGB (Erhaltung der Mietsache) überflüssige, aber mietpreistreibende Modernisierungen nach § 555 b BGB zu begründen. Anzunehmen ist zudem, dass in manchen Fällen notwendige Instandsetzungsarbeiten so lange zurückgehalten werden, bis tatsächlich nur noch umfassende Sanierungen infrage kommen. Genau diesen Vorwurf müssen sich auch andere Immobilienkonzerne gefallen lassen.

Verglichen mit der Anzahl der Wohnungen von Vonovia (333.000) und Deutsche Wohnen (158.000) fällt der Gesamtbestand der Buwog (51.000, davon 27.000 in Deutschland) fast schon bescheiden aus. Auch in Sachen Börsenwert ist der österreichische Konzern mit knapp 2,5 Milliarden Euro im Vergleich zu den deutschen Immobilien-Giganten (Vonovia 16,2 und Deutsche Wohnen 11,5 Milliarden Euro) eher klein. Was aber den renditeorientierten Druck der Aktionäre und damit die Vernachlässigung notwendiger, aber mietenneutraler Instandhaltungen und die Durchführung ertragssteigernder Modernisierungen angeht, bleiben die Strategien gleich – mit zunehmendem Einfluss auch auf die kleineren Vermieter auf dem Wohnungsmarkt.               


MieterEcho 389 / Juli 2017

Schlüsselbegriffe: Buwog Group, Berlin, Fritz-Bräuning-Siedlung, Geschäftsstrategien, börsennotierte Unternehmen, MieterInnen-Initiative Gontermannstraße, Verdrängung, Privatisierung, Korruption, Wohnungskonzerne, Vonovia, Deutsche Wohnen, Mieterhöhungen