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MieterEcho 386 / Februar 2017

Ausgebremste Roadmap

Der steigenden Wohnungsnot durch verstärkten Wohnungsbau entgegen zu treten, stößt im neuen Senat auf Widerspruch

Von Hermann Werle                                                    

 

Im April 2016 stellte der ehemalige Senat seine „Roadmap für 400.000 bezahlbare Wohnungen im Landeseigentum“ ,  die bis 2026 gebaut und aufgekauft werden sollen, vor. „Das wird nicht reichen, um den Markt in soziale Schranken zu weisen“ , kommentierte das MieterEcho dieses Vorhaben. Wer nun die Hoffnung hegt, der neue Senat würde eine wohnungspolitische Wende oder gar Offensive einleiten, sollte diese schnellstens begraben.                                          

 

 Im September 2012 beschloss der SPD/CDU-Senat mit seinen eigenen Wohnungsbaugesellschaften das „Bündnis für soziale Wohnungspolitik und bezahlbare Mieten“, welches einen verstärkten Mieterschutz sowie die Erweiterung des landeseigenen Wohnungsbestands auf 300.000 Wohnungen bis 2016 vorsah. Nach Jahren der Wohnungsprivatisierung und der völligen Wohnungsbauenthaltsamkeit, sollten nun wieder Wohnungen gebaut und aufgekauft werden. Tatsächlich stellte dies einen – längst überfälligen – Kurswechsel dar, zumal sich die Planungen an der Entwicklung und den Prognosen des Bevölkerungswachstums orientierten. Seither berichtet der Senat jährlich über die Ergebnisse des Bündnisses und zuletzt auch über die „Schaffung von Wohnraum durch die städtischen Wohnungsbaugesellschaften“. Im Mai 2016 wurde dabei festgehalten, dass die Einwohnerzahl „in den letzten zwei Jahren um über 90.000 gestiegen“ war und „absehbar weiter steigen“ wird und man bis 2020 von weiteren 143.000 Einwohner/innen ausgeht, ohne allerdings die nach Berlin  Geflüchteten einzukalkulieren. Es gibt aber auch weniger vorsichtige Einschätzungen: Der frühere Senator für Stadtentwicklung, Andreas Geisel (SPD), ging vor einem Jahr von einem Zuwachs von 300.000 Menschen in den nächsten fünf Jahren aus. Vermutlich liegt er damit gar nicht so schlecht, da bereits zur ersten Jahreshälfte 2016 mehr als 40.000 Menschen nach Berlin gekommen sind. Mit der im April 2016 beschlossenen Roadmap sollte auf den zunehmenden Druck auf den Wohnungsmarkt reagiert werden.                                                

Kenntnislose Senatorin                

Die Geisel-Nachfolgerin, Katrin Lompscher (Die Linke), zeigt sich von Zahlen und Prognosen völlig unberührt. Ende Dezember ließ sie im Rahmen einer Podiumsdiskussion verlauten, dass man der erwarteten Bevölkerungsentwicklung der Hauptstadt „niemals vollständig hinterherbauen“ könne. Und als sie Anfang dieses Jahres in der Berliner Zeitung auf die im Koalitionsvertrag fehlende Aussage über die in Berlin benötigten Wohnungen befragt wurde, teilte sie der Leserschaft als Grund mit, „weil die Experten sich darüber streiten und weil es auch keine Erkenntnisse dazu gibt, wie groß der Leerstand wirklich ist“. Das klang bei ihr als Oppositionsvertreterin noch ganz anders, als sie sich auf Experten berief, die „bereits seit 2007/2008 auf einen wachsenden Wohnungsmangel hingewiesen“ hätten. Zudem seien „die Leerstandsreserven (…) wegen geringer Fertigstellungszahlen in den letzten zehn Jahren und wegen sich verstärkenden Einwohner- und vor allem Haushaltswachstums nahezu aufgebraucht“, so Lompscher im Juni 2012. Erinnerungen an die SPD-Stadtentwicklungssenatorin Ingeborg Junge-Reyer werden wach. Sie hatte noch 2011 Leerstände von bis zu 150.000 Wohnungen ausgemacht und von einem entspannten Berliner Wohnungsmarkt schwadroniert. Lompschers Äußerungen lassen bezüglich der Wohnungsbauaktivitäten nichts Gutes erwarten und sind zudem Wasser auf die Mühlen jener Neubauverhinderer, denen der Wohnungsmangel am Allerwertesten vorbeigeht, solange sie nicht selbst von Wohnungslosigkeit bedroht oder betroffen sind. Eines der größten Bauvorhaben fiel der neuen Koalition denn auch gleich zum Opfer. Die unter der SPD/CDU-Koalition angeschobenen Maßnahmen zum Mieterschutz sowie zur Planung und Umsetzung des Wohnungsbaus waren schon sehr bescheiden, entsprachen damit aber der allgemeinen Bescheidenheit bei sozialen Vorsorge- und Dienstleistungen, die in Berlin zur neoliberalen Tugend geworden ist. Dieser Tradition fühlt sich Katrin Lompscher offensichtlich zutiefst verpflichtet.                 

 

 

 


MieterEcho 386 / Februar 2017

Schlüsselbegriffe: steigende Wohnungsnot, Wohnungsbau, städtische Wohnungsbaugesellschaften, Wohnungspolitik, Wohnungsprivatisierung, Katrin Lompscher, Koalitionsvertrag