Logo Berliner Mietergemeinschaft e.V.
MieterEcho 380 / April 2016

Wohnung gesucht

Über die Schwierigkeiten, in Berlin eine Wohnung zu finden

Fotos und Text von Matthias Coers    

 

Drei Stockwerke geht es zusammen mit gut 20 Personen das ockerfarben gestrichene Treppenhaus eines Mietshauses in Neukölln hinauf. Die Dämmerung hat begonnen, für die meisten scheint gerade Feierabend zu sein. Das Ziel ist die Besichtigung einer im Internet als wunderschön angekündigten sanierten Altbauwohnung an der Sonnenallee zwischen Hermannplatz und S-Bahnhof. Irritierend sind die auffällig gute Kleidung der Besichtigungsteilnehmer/innen und der Quadratmeterpreis von 13 Euro nettokalt. Etwas später, die Straßenlaternen stehen bereits im vollen Licht, geht es erneut mit über 20 Personen die Treppen hinauf, diesmal in der Donaustraße. Gut 49 qm mit Südbalkon werden für 13,60 Euro/qm nettokalt angeboten. Das Publikum wirkt jugendlicher als beim vorigen Termin, die Besichtigung wird in englischer Sprache abgehalten. Beide Angebote werden umgehend ihre Abnehmer/innen finden. Es ist März 2016 und Mietwohnungen sind in Berlin Mangelware, erst recht bezahlbare. In den vergangenen Wochen habe ich ausführlich mit vier Personen über ihre Erfahrungen bei der Wohnungssuche gesprochen.     

 

CAROLE, 60 Jahre, alleinstehend, Freiberuflerin mit normalem Einkommen, ist im Juni 2015 aus Wiesbaden nach Berlin gekommen. Sie hatte gehofft, schnell eine schöne Wohnung in guter Lage zu finden. Doch der Berliner Wohnungsmarkt machte ihr einen Strich durch die Rechnung. Sie musste lernen, wie unendlich viele Bescheinigungen sie vorzulegen hat, um in die engere Wahl für eine Wohnung zu kommen, und dass es unmöglich ist, direkt bei Wohnungsbesichtigungen eine Wohnung zu ergattern. Newsletter aller Internetportale wurden abonniert, wodurch sie nach sieben Monaten intensivster Suche und Anflügen von Verzweiflung den entscheidenden Hinweis bekam. Eine zentrale Lage war schon lange nicht mehr ihr Ziel und das Glück liegt ja bekanntlich im Hinterhaus, wohin es Carole nun verschlagen hat. Aber trotz Erdgeschoss ist sie zufrieden mit der gut 50 qm großen Wohnung, denn von den Fenstern sieht man auf einen freundlichen Innenhof. Im Unterschied zu vielen anderen Wohnungsbewerber/innen, von deren verzweifelten Blicken sie im Lauf der Zeit zu träumen begann, hatte sie das nötige Geld, um den nicht geringen Abstand für das Mobiliar der Vormieterin bezahlen zu können.                            


TINO, 26 Jahre, Absolvent der Universität Jena, will zusammen mit seiner Freundin, die in Berlin eine Tanzausbildung macht, in seinem ausgebauten Bus leben. Freie Stellplätze sind auf den Wagenplätzen der Stadt rar. WG-Zimmer aber sind teuer, die Preise liegen bei rund 250 bis 500 Euro für 8 bis 20 qm, und selbst wenn man das zu zahlen bereit ist, findet man sich auf im 5-Minuten-Takt durchgeführten Besichtigungen wieder. Hoffnungslos. Die beiden haben sich für einige Wochen Luft verschafft und wohnen zur Zwischenmiete.                             

WASIM, 35 Jahre, lebt seit gut zwei Jahren in Berlin. Wir unterhalten uns auf Deutsch und Englisch. Der Künstler und Schriftsteller ist aus Syrien gekommen, nachdem dort seine Wohnung durch eine Granate zerstört wurde. Derzeit kann er in einem Atelierhaus in Kreuzberg übernachten. Trotz der Unterstützung seiner Berliner Freunde ist es ihm bisher nicht gelungen, eine Wohnung zu finden. In seiner früheren Heimat sei man es gewohnt, einen Zettel im Supermarkt aufzuhängen, wenn man eine Wohnung braucht. Als immer schwieriger, bürokratisch und voller Konkurrenz erlebt er den Berliner Wohnungsmarkt.                                             

Denselben Sprachkurs wie Wasim besucht auch Bassam. Ein Foto von sich möchte er nicht veröffentlicht sehen, gern aber teilt er die Geschichte seiner Wohnungssuche. Zwei Jahre und vier Monate hat der syrische Bauunternehmer zusammen mit seiner Frau ein Zuhause für die siebenköpfige Familie gesucht. An über hundert Besichtigungen haben sie teilgenommen, um nun endlich in Rudow eine 85-qm-Wohnung für 840 Euro warm zu finden. Diese bietet allerdings nur Platz für fünf Personen, sodass die Suche für eine eigene kleine Bleibe für die beiden fast erwachsenen Kinder weitergeht.    


MieterEcho 380 / April 2016

Schlüsselbegriffe: Neukölln, Mietwohnungen, Wohnungssuche, Berliner Wohnungsmarkt, Wohnungsbesichtigungen, Zwischenmiete, Fotoreportage