Interessengemeinschaft und Beratung für Berliner Mieter
MieterEcho 383 / September 2016

Modernisierungsziel Mieterhöhung

Taliesin setzt auf maximale Mietsteigerung und Umwandlung in Eigentum

Von Jutta Blume                                        

Vor dem Haus Eisenbahnstraße 44 in Kreuzberg steht seit fünf Monaten ein Baugerüst, aber die Bauarbeiten sind gestoppt. Die Mieter/innen glauben, dass die Fassadendämmung sowie der Austausch von Zweifach- gegen Dreifachfenster nicht gerechtfertigt sind, sondern nur dazu dienen, die Mieten im Haus in die Höhe zu treiben. Der Eigentümer, ein Investmentfonds aus Jersey, tut diese Absicht offen auf seiner Website kund.                                    


Das Haus sowie die angrenzenden Eckhäuser Muskauer Straße 11 und 11a gehören der Phoenix Mixed O Sarl mit Sitz in Luxemburg. Dabei handelt es sich um eine Investmentfondsgesellschaft, an der seit 2012 die Taliesin Property Fund Limited über 90% der Anteile hält. Der Geschäftssitz von Taliesin befindet sich auf der britischen Insel Jersey, einer anderen europäischen Steueroase. Das Unternehmen Taliesin wurde 2006 mit der Absicht gegründet „Wohneigentum, in erster Linie in Berlin und in geringerem Maße in anderen Städten des ehemaligen Ostdeutschlands, zu erwerben“. Das Prinzip der Ertragsmaximierung wird sowohl auf der Website des Unternehmens als auch in seinen Jahresberichten erläutert. Eine der Strategien Taliesins besteht darin, Mietshäuser in Eigentumswohnungen umzuwandeln und die Wohnungen einzeln zu vermarkten, eine weitere in „verschiedenen Stufen der Modernisierung, als Mittel um die Mieten zu erhöhen“.                
Wie das in der Praxis für die Mieter/innen aussieht, berichtet Giles Schumm aus der Eisenbahnstraße: „Letztes Jahr haben wir eine Modernisierungsankündigung für die Heizung bekommen. Danach sollte die Miete um 38% steigen. Während das gemacht wurde, kam schon die nächste Modernisierungsankündigung betreffend der Fassadendämmung und der Fenster.“ Nach der zweiten Modernisierung würde Schumms Miete um 79% höher sein. Spätestens nach der zweiten Ankündigung begannen die Mieter/innen, sich gemeinsam zu beraten und Recherchen über den Hauseigentümer anzustellen. Im Grundbuchamt erfuhren sie, dass der Eigentümer einen Antrag auf Teilung gestellt hatte, der auch vom Milieuschutz genehmigt wurde. „Wir haben danach für sieben Jahre ein Vorkaufsrecht, aber die Wohnungen werden uns viel zu teuer sein“, so Schumm.Fast gleichzeitig mit der Vernetzung im eigenen Häuserblock begannen die Kreuzberger Mieter/innen, nach den Erfahrungen anderer Mieter/innen in Taliesin-Häusern zu fragen. Im April verfassten sie einen Brief, den sie in allen zugänglichen Briefkästen der Taliesin-Häuser verteilten. Die Adressen der 52 Häuser mit insgesamt rund 1.200 Wohnungen stehen alle auf der Website des Unternehmens. Die Hälfte der Objekte liegt in den begehrten Bezirken Friedrichshain-Kreuzberg und Neukölln.           

                             

Unprofessionelle Bauarbeiten        

Laut Rückmeldung der Bewohner/innen sind viele Häuser in relativ schlechtem Zustand, manche Mieter/innen haben bereits Modernisierungsankündigungen erhalten, oft würden Wohnungen aber auch erst modernisiert, nachdem die Altmieter/innen ausgezogen seien, um danach eine hohe Miete bei Neuvermietung zu erzielen. Mieter/innen aus der Danziger Straße berichten von Angebotsmieten von 12 Euro/qm nettokalt.             
Vor einem der Häuser in der Fuldastraße steht seit vergangenem September ein Gerüst, obwohl für die Fassadensanierung eigentlich nur drei Monate angesetzt waren. Eine Ankündigung der Fassadenarbeiten habe es nicht gegeben, inzwischen passiere auf der Baustelle nichts mehr, so der Bericht eines Mieters.In der Eisenbahnstraße sei versucht worden, Arbeiten an Fassade und Fenstern ohne Genehmigung durchzuführen, so Schumm. „Das Stadtentwicklungsamt hat uns gesagt, der Eigentümer würde keine Genehmigung für den Einbau von Dreifachfenstern bekommen. Trotzdem haben die Bauarbeiter angefangen, die Fensterrahmen wegzuklopfen. Sie versuchen einfach, Tatsachen zu schaffen.“ Viele Mieter/innen beklagen, dass sich die Hausverwaltung nicht oder nur sehr zögerlich um Instandhaltungsarbeiten kümmert. Taliesin hat die Hausverwaltung der Core Immobilienmanagement GmbH übertragen, Bauarbeiten werden in der Regel von der WiSiKo Bau GmbH bzw. seit Neuestem der WiSiKo Bau Brandenburg GmbH ausgeführt. „Wir sorgen für intensive Mieterbetreuung, engagiertes Vermietungsmanagement, vorausschauende Instandhaltung“, heißt es auf der Website von Core. Bei den Umbau- und Modernisierungsarbeiten bezweifeln Betroffene den Sachverstand der eingesetzten Firma. „Während ich an meinem Schreibtisch saß, tat sich plötzlich ein Riss in meiner Wand auf. Die Bauarbeiter hatten unten ein Stück einer tragenden Wand weggerissen und erst hinterher einen Stahlträger eingezogen“, meldet Britta Wolf* aus der Krossener Straße 28. Thorsten Marquardt* aus der Karl-Marx-Straße 65/67 berichtet, dass in seiner Wohnung Heizungsrohre in etwa 30 bis 40 Zentimeter Höhe und zudem völlig schief an der Wand verlegt worden seien und die Heizkörper so installiert wären, dass sich sofort Hitzestau unterm Fensterbrett bilde. Stutzig machten ihn die Abrechnungen der Firma. Denn während die Arbeiten von der WiSiKo Bau Brandenburg ausgeführt wurden, wurden sie von der WiSiKo Bau GmbH mit Sitz in Berlin abgerechnet. Diese wurde im Februar 2016 liquidiert. Trotz wechselnder Firmennamen träten immer dieselben Arbeiter und dieselben Bauleiter in Erscheinung, meint Marquardt. Die Beschäftigung von Firmen mit Sitz in Brandenburg macht es für Mieter/innen doppelt schwierig, sich über unsachgemäße Arbeiten zu beschweren. Für die Brandenburger Firmen ist die Handwerkskammer Brandenburg zuständig. Um Baustellen in Berlin zu überprüfen, wäre aber eine Zusammenarbeit mit der Handwerkskammer Berlin notwendig.                                 

Zu viele Ausnahmen beim Milieuschutz                

Neben allen Schikanen stellt sich den Mieter/innen verschiedener Taliesin-Häuser die Frage, welche Härten der Milieuschutz zu verhindern vermag (siehe Titelthema). Die Bewohner/innen der Häuser Eisenbahnstraße 44 und Karl-Marx-Straße 65/67 berichten von durchaus engagierten Mitarbeiter/innen der Bezirksämter, die darauf drängen, dass es bei der Modernisierung nicht zur Überschreitung des Mindeststandards komme. „Die Beschlüsse des Milieuschutzes müssen aber auch vor Gericht Bestand haben“, gibt Marquardt zu bedenken. Als wirksames Instrument müsste die Umwandlung in Eigentumswohnungen in Milieuschutzgebieten jedoch verboten werden, sind sich die Mieter/innen einig. Zwar gilt seit März 2015 ein Genehmigungsvorbehalt für die Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen in sozialen Erhaltungsgebieten, das Gesetz hat aber zu viele Schlupflöcher. Beispielsweise greift das Umwandlungsverbot nicht, „wenn sich der Eigentümer verpflichtet, innerhalb von sieben Jahren ab der Begründung von Wohnungseigentum Wohnungen nur an die Mieter zu veräußern“.             
Auch Taliesin beobachtet die Gesetzgebung genau und kommentiert in seinem Jahresbericht 2015: „Die Regierung hat in diesem Jahr ein Gesetz verabschiedet, das Eigentümer daran hindern soll, in Milieuschutzgebieten Grundeigentum aufzuteilen und Wohnungen zu privatisieren. Taliesin hat in den vergangenen Jahren eine bedeutende Menge an Zeit und Geld investiert, um Genehmigungen und Vorab-Genehmigungen (für die Teilung) für Eigentum in diesen Gebieten zu erhalten. Für die meisten Immobilien der Gruppe in diesen Gebieten existieren gültige Teilungsgenehmigungen, während eine Handvoll sich noch im Stadium vor der Genehmigung befindet und Gegenstand juristischer Herausforderungen sein könnte.“ Auf zukünftige Mieter/innen bei Taliesin dürften mit dem Mietvertragsabschluss durch die Hausverwaltung Core finanzielle Herausforderungen zukommen. Die meisten Wohnungen werden mit Staffelmietvertrag angeboten, oftmals kombiniert mit einem Kündigungsausschluss von ein bis zwei Jahren.                         

 

 *Name geändert

 

Die WiSiKo Bau GmbH wurde 2011 gegründet, im selben Jahr, wie die WiBaKo Haus GmbH aufgelöst wurde. Wiederum traten Ramona Sayda als Geschäftsführerin und Nizam Cumhur als Prokurist auf. Im Juli 2014 wurde die WiSiKo Bau Brandenburg GmbH am Amtsgericht Frankfurt/Oder eingetragen. Die WiSiKo Bau Brandenburg GmbH übernimmt seitdem die Arbeiten für die Core Immobilienmanagement GmbH, die die Hausverwaltung für Taliesin ausführt. Die Geschäftsführung der WiBaKo und WiSiKo tritt bei der Brandenburger Firma nicht in Erscheinung. Im Juli 2016 wurde unter derselben Anschrift wie der der WiSiKo Bau Brandenburg eine neue Firma eingetragen, die Reality Bau GmbH, bei der wiederum Nizam Cumhur Prokurist ist.

 

 


MieterEcho 383 / September 2016

Schlüsselbegriffe: Taliesin Property Fund Limited, Mietsteigerung, Umwandlung, Eigentumswohnungen, Eisenbahnstraße 44, Modernisierungsankündigung, Milieuschutz, Karl-Marx-Straße 65/67, WiSiKo Bau GmbH

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