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MieterEcho 381 / Juni 2016

Lokal erfolgreich und global vernetzt

Die Bürgerinitiative Berliner Wassertisch feierte ihr 10-jähriges Bestehen

Von Benedict Ugarte Chacón   

                          

„Gegen die Privatisierungspolitik in Berlin, für den Schutz der Gemeingüter und die Stärkung der direkten Demokratie“ habe man nun erfolgreich 10 Jahre gekämpft, hieß es in einer Erklärung zum Jubiläumsfest, das die Initiative mit rund 150 Teilnehmer/innen in einem Zelt des Zirkus Cabuwazi Ende Mai beging. Der Ort war bewusst gewählt, fand doch bereits die im Jahr 2006 vom globalisierungskritischen Netzwerk Attac mitorganisierte Diskussionsveranstaltung, in deren Nachgang sich der Wassertisch gründete, in einem Cabuwazi-Zelt statt. Was die Aktivist/innen in den letzten Jahren auf die Beine gestellt haben, kann sich durchaus sehen lassen.       

                   
Dorothea Härlin, eine Mitbegründerin der Initiative, betont, dass der Wassertisch von Beginn an einen internationalen Bezug gehabt habe. So sei man anfangs vom Wasserkrieg in Cochabamba („Guerra del Agua“) inspiriert gewesen. In der bolivianischen Stadt war es im Zuge der Privatisierung der Wasserversorgung im Jahr 2000 zu heftigen Auseinandersetzungen gekommen. Die Privatisierung wurde schließlich rückgängig gemacht. Wenn es der Bevölkerung dort gelungen sei, den Bechtel-Konzern zu vertreiben, dann „sollten wir in der Lage sein, RWE und Veolia aus Berlin zu verjagen“, so Härlin zu den damaligen Überlegungen. Der Name der Bürgerinitiative gehe übrigens auf den Venezolanischen Wassertisch zurück, mit dem sie kurz vor der Gründung der Berliner Initiative in Kontakt stand. Im Laufe der Zeit sei der Berliner Wassertisch „auf fast allen globalen Wassertreffen anwesend“ gewesen und auf mehreren Weltsozialforen habe man sich weltweit vernetzt. Auch sei die Initiative mittlerweile Mitglied im European Water Movement. „Man kann sagen, dass wir ein aktiver Teil in der globalen Wasserbewegung sind“, merkt Härlin an. Der erfolgreiche Berliner Volksentscheid und die anschließende Rekommunalisierung der Wasserbetriebe hätten viele andere Aktivist/innen in anderen Städten ermutigt. Viele beriefen sich auf das Motto: „Wenn das Wasser in Paris und Berlin rekommunalisiert wurde, dann können wir das auch.“       
                       

Volksentscheid gegen Teilprivatisierung           

In der Tat: Der größte Erfolg des Wassertischs war die Initiierung eines Volksbegehrens und letztlich die erfolgreiche Durchsetzung eines Volksentscheids im Jahr 2011 zur Offenlegung des Vertragswerks zwischen dem Land Berlin und den seit 1999 zu 49,9% an den Wasserbetrieben beteiligten Unternehmen RWE und Veolia. Immerhin 98,2% der teilnehmenden Wähler/innen stimmten für das Anliegen des Wassertischs, womit wohl weder der damalige Senat noch die privaten Konzerne gerechnet hatten. Eine weitere Mitgründerin der Initiative, die ehemalige SPD-Abgeordnete Gerlinde Schermer, sagte anlässlich des 10-jährigen Bestehens, dass es am Beispiel der Berliner Wasserversorgung gelungen sei, die Folgen von Privatisierungspolitik deutlich zu machen. Heute wüssten alle: „Privatisierung der Daseinsvorsorge ist Mist!“ Die Befürworter von Privatisierungspolitik hätten versagt und „dem Gemeinwohl, das sie eigentlich befördern sollen, schweren Schaden zugefügt. Die beteiligten privaten Konzerne haben Gewinn gemacht – die Bevölkerung zahlt die Zeche“. Die bei der Privatisierungspolitik gemachten Versprechen seien nichts als Wunschdenken oder gar Täuschungsmanöver gewesen. So habe die Berliner Landesregierung in den 90er Jahren argumentiert, dass zur Einhaltung der sogenannten Maastricht-Kriterien und zur Vermeidung neuer Schulden Landesvermögen an Private veräußert werden müsse. Im Jahr 1998 habe Berlin noch 31 Milliarden Euro Schulden gehabt, heute seien es 60 Milliarden Euro. Die Ziele, die mit den Privatisierungen verfolgt würden, dienten laut Schermer nicht dem Allgemeinwohl, sondern Einzelinteressen: „Im Zuge der Privatisierungsstrategie wurde in Berlin 13,7 Milliarden Euro öffentliches Vermögen verkauft. Wohnungen, öffentliche Betriebe für Gas und Strom, die Hälfte des Wassers. Kurz gesagt: Alles was wir zum Leben unbedingt brauchen. Wer von diesem Ausverkauf den Vorteil hatte, ist bekannt.“ Als Konsequenz des gewonnenen Volksentscheids richtete das Abgeordnetenhaus 2012 einen Sonderausschuss zur öffentlichen Behandlung der nunmehr offen gelegten Verträge ein. Eine öffentliche Prüfung des Vertragswerks war mit dem Volksentscheid beschlossen worden. Die Arbeit des Ausschusses bestand jedoch in der Hauptsache darin, diverse Sachverständige anzuhören, die den mal mehr, mal weniger vorgebildeten Parlamentarier/innen ihre jeweilige Sichtweise erläuterten. Der Wassertisch wiederum begleitete die Sitzungen nicht nur als schweigendes Publikum, sondern stellte diverse Forderungen. So sollte unter anderem offiziell festgestellt werden, dass „der drastische Anstieg der Wasserpreise in Berlin auf die in den Verträgen gegebene Gewinngarantie zurückzuführen ist“, wie es in einer Erklärung damals hieß. Auch sollte die Feststellung getroffen werden, dass „mit der Gewinngarantie im Konsortialvertrag das Haushaltsrecht der Abgeordneten und damit das Demokratiegebot verletzt“ worden sei. Allerdings kam die Initiative schließlich zum Ergebnis, dass die Ausschussmehrheit aus SPD und CDU „keiner dieser Forderungen nachgekommen“ sei. Der Wassertisch wollte die Prüfung der Teilprivatisierung sodann auch nicht allein dem Parlament überlassen und gründete einen eigenen Zusammenschluss, das „Klärwerk“, den er als „öffentlichen Untersuchungsausschuss“ begriff. Hier sollte „der Öffentlichkeit und den Abgeordneten eine umfassende Analyse der Verträge zur Verfügung“ gestellt werden, wie Ulrike Fink von Wiesenau, eine der Sprecher/innen der Initiative, in einem längeren Text zur Geschichte des Wassertischs schreibt. Im November 2013 gründete der Wassertisch mit dem Berliner Wasserrat ein neues Gremium, um sich mit verschiedenen Vertreter/innen anderer gesellschaftspolitischer Initiativen, von Verbänden oder aus der Wissenschaft über die Demokratisierung der Wasserbetriebe auszutauschen. Im Sommer letzten Jahres wurde eine „Berliner Wassercharta“ öffentlich vorgestellt, die sich am Beispiel der Stadt Wien orientiert, und als Grundlage für künftige gesetzliche Bestimmungen sowie als „Wegweiser“ für die Berliner Wasserbetriebe gelten soll. Die Wasserversorgung dürfe nicht gewinnorientiert ausgeführt werden und eine gute Versorgung sei untrennbar mit Natur- und Ressourcenschutz verbunden, heißt es dort. Die Unternehmensführung der Wasserbetriebe sei am Gemeinwohl zu orientieren.  

                             

Kritik an Rekommunalisierungsmodell                   

Im Jahr 2012 kaufte Berlin schließlich die Anteile von RWE für 658 Millionen Euro zurück, im November 2013 erfolgte der Rückkauf der Veolia-Anteile für rund 600 Millionen Euro. Wie diese Rekommunalisierung erfolgte, stieß wiederum bei der Bürgerinitiative auf scharfe Kritik. So seien die an die Konzerne geflossenen Summen überhöht. Die rot-schwarze Landesregierung handle wieder einmal im Interesse der Konzerne, schrieben die Aktivist/innen in einer Pressemitteilung. Für den Rückkauf müssten nun die Wasserkund/innen durch „überhöhte Wasserpreise“ aufkommen. Das Rekommunalisierungsmodell des Senats sieht vor, dass die Wasserbetriebe das Geld für ihren Rückkauf selbst über die nächsten Jahrzehnte erwirtschaften. So wollte der damalige Finanzsenator Ulrich Nußbaum den Landeshaushalt schonen. Der Wassertisch forderte während der laufenden Plenardebatte über den Rückkauf – mit einer unerlaubten Versammlung innerhalb der parlamentarischen Bannmeile – öffentlichkeitswirksam die Auflösung der komplexen, auf die Privaten zugeschnittenen Konzernstruktur der Wasserbetriebe.
                           

Demokratisierte Wasserbetriebe als Ziel                   

In jüngerer Zeit gehörte der Wassertisch gemeinsam mit dem „Berliner S-Bahn-Tisch“ und den Gruppen „100% Tempelhofer Feld“ und „Berliner Mietenvolksentscheid“ und anderen zu den Gründungsorganisationen der Initiative „Volksentscheid retten!“, die sich eine Stärkung der direkten Demokratie zum Ziel gesetzt hat. Dem Gründungsaufruf hatten sich im Frühjahr dieses Jahres rund 100 Gruppen und Initiativen angeschlossen. Das Ziel des Wassertischs bleibe nach wie vor die Verwaltung des Berliner Wassers als Gemeingut, so Dorothea Härlin in der Erklärung der Initiative zu ihrem Jubiläum. Diese Verwaltung solle sich demokratisch und transparent sowie ökologisch und ökonomisch nachhaltig vollziehen. Auch eine hohe Beteiligung der Bevölkerung sei notwendig.                 

Weitere Informationen:

www.berliner-wassertisch.net




MieterEcho 381 / Juni 2016

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