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MieterEcho 382 / August 2016

Liberaler Populismus

Eine Bürgerinitiative will Flughafen Tegel erhalten

Von Benedict Ugarte Chacón und Thorsten Grünberg

                                    

„Berlin braucht Tegel“ – meint zumindest die Initiative, die bereits im März 30.000 Unterschriften für den Antrag auf ein Volksbegehren vorweisen konnte, obwohl nur 20.000 Unterschriften nötig gewesen wären.  Auf dem Bogen, der den Bürger/innen zur Unterschrift vorgelegt wurde, hieß es, dass der Flughafen Tegel den künftigen Flughafen Berlin Brandenburg (BER) entlasten würde. Deshalb solle der Senat per Volksbegehren aufgefordert werden, „sofort die Schließungsabsichten aufzugeben und alle Maßnahmen einzuleiten, die erforderlich sind, um den unbefristeten Fortbetrieb des Flughafens Tegel als Verkehrsflughafen zu sichern“ .            

 

 

Am 24. Mai gab der Senat bekannt, dass er sich diesen Forderungen nicht anschließe. Sollte das Abgeordnetenhaus den Vorschlag nicht im Wesentlichen annehmen, müsste die zweite Stufe, das eigentliche Volksbegehren, eingeleitet werden. Dann wären rund 175.000 Unterschriften notwendig. Bisher gibt es allerdings von keiner Fraktion des Landesparlaments Signale, dass man das Ansinnen der Initiative teilt. Im Juni kündigten die Initiator/innen an, im Herbst mit der Unterschriftensammlung zu beginnen. Hinter dem Volksbegehren stehen der Verein Pro Tegel und die FDP Berlin. Deren Generalsekretär und Spitzenkandidat für die Wahl zum Abgeordnetenhaus Sebastian Czaja wird von der Initiative „Berlin braucht Tegel“ als Ansprechpartner genannt. Einer der Gründer des Vereins Pro Tegel ist Marcel Luthe, Schatzmeister der FDP-Wilmersdorf. Die Initiative argumentiert, dass der Flughafen BER künftig für die erwartete Zahl an Passagieren zu klein sei. Weiterhin sei der Betrieb zweier Flughäfen sinnvoll, um im Notfall über einen Ausweichflughafen zu verfügen. Schließlich sei dies bei anderen „Metropolen“ auch so. „Die Hauptstadt von einem einzigen Flughafen abhängig zu machen, ist schlicht fahrlässig“, heißt es auf der Website der Initiative. Außerdem erwirtschafte Tegel – im „Gegensatz zum Milliardengrab BER“ – einen operativen Gewinn.                                     

 

Kosten werden verschwiegen        

Eine der Argumentationshilfen der Tegel-Befürworter/innen ist ein Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestags von April 2013, das untersucht, unter welchen rechtlichen Voraussetzungen Tegel weiter betrieben werden könnte. Dass der Flughafen Tegel sechs Monate nach Inbetriebnahme des BER geschlossen werden soll, geht auf den sogenannten Konsensbeschluss vom 28. Mai 1996 zurück, auf den sich die Gesellschafter der Flughafengesellschaft – Bund, Berlin und Brandenburg – geeinigt hatten. Die Details zur Schließung sind im Landesentwicklungsplan Flughafenstandortentwicklung festgeschrieben, den die Länder Berlin und Brandenburg gemeinsam verabschiedet haben. Nach den Ausführungen des Wissenschaftlichen Dienstes wäre es rechtlich möglich, den Flughafen weiter zu betreiben. Hierzu müssten die entsprechenden politischen Entscheidungen getroffen werden. Allerdings kann das Land Berlin nicht einseitig die mit dem Land Brandenburg getroffenen Vereinbarungen ändern oder kündigen. Das gilt auch, falls ein Volksentscheid zur Offenhaltung des Flughafens Tegel erfolgreich sein sollte.

Ein weiteres scheinbares Argument der Initiative ist die Profitabilität Tegels, auf die sie in ihrer eigenen Kostenschätzung zu ihrem Vorhaben verweist. Die amtliche Kostenschätzung des Senats benennt dagegen nicht nur Personal- und Instandhaltungskosten, die bei einem Weiterbetrieb des Flughafens anfielen, sondern auch „nicht bezifferbare Kosten für den Fall des Erfordernisses passiver Lärmschutzmaßnahmen“. Diesen Posten klammern die Initiatoren des Volksbegehrens wohlweislich aus. Denn sollte der Flughafen Tegel entweder durch weitere Verzögerungen beim Bau des BER oder durch politische Entscheidungen weiter betrieben werden, müssten Schallschutzmaßnahmen für die Wohnungen mehrerer Hunderttausend Anwohner/innen des Flughafens finanziert werden. Wo das Geld dafür herkommen soll, verschweigen die FDP und ihre Initiative bislang.        

 

 

 


MieterEcho 382 / August 2016

Schlüsselbegriffe: Parteispenden, Bauunternehmer Klaus Groth, Andreas Geisel, Groth-Gruppe, Stadtentwicklungssenator, Mauerpark, Prenzlauer Berg, Kreuzberger Tempodrom, Bankenskandal