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MieterEcho 383 / September 2016

Integrationsverein kann vorerst in Schöneberg bleiben

Räumungsklage bis zur Entscheidung im Bima-Prozess ausgesetzt

Von Elisabeth Voß    

                                                

Obwohl die Klage der Bima gegen die Anwendung des Vorkaufsrechts im Milieuschutzgebiet noch nicht entschieden ist, wollte der ursprüngliche Erwerber der Grundstücke, die Formica GbR/Bernhard Grote, ein Integrationszentrum für Flüchtlinge räumen lassen.

                                                

Am 20. Juli 2016 wurde vor dem Landgericht Berlin die Räumungsklage gegen den Harmonie e.V. verhandelt, der seit Jahren in der Schöneberger Katzlerstraße 11 wichtige Integrationsarbeit leistet. Der von Migrant/innen gegründete und betriebene Verein unterstützt vor allem Flüchtlinge. Die Räumungsklage hat die Formica GbR erhoben, vertreten durch den Anwalt von Bernhard Grote, einem ihrer Gesellschafter. Sie hatte im Januar 2015 die drei Häuser Großgörschenstraße 25-27 und Katzlerstraße 10-11 von der Bima (Bundesanstalt für Immobilienaufgaben) gekauft – gegen Proteste der betroffenen Mieter/innen, die sich in der Interessengemeinschaft IG GroKa organisiert haben. Der Verkauf erfolgte zum Höchstpreis von 7,8 Millionen Euro. Die städtische Wohnungsbaugesellschaft Gewobag unterlag, weil sie finanziell nicht so hoch bieten konnte. Die Grundstücke liegen in einem bereits im September 2014 durch das Bezirksamt Tempelhof-Schöneberg ausgewiesenen Milieuschutzgebiet. Daher hat der Bezirk nach § 24 Baugesetzbuch ein Vorkaufsrecht. Nachdem Formica sich weigerte, auf Luxussanierungen zu verzichten, übte die zuständige Bezirksstadträtin Sibyll Klotz (B90/Grüne) das Vorkaufsrecht zugunsten der Gewobag aus. Damit trat diese anstelle des Erwerbers in den Kaufvertrag ein, jedoch bietet der Bezirk nur einen niedrigeren Kaufpreis in Höhe des Verkehrswerts an. Dass dies in einem Milieuschutzgebiet rechtmäßig ist, geht aus einer Ausarbeitung der Wissenschaftlichen Dienste des Bundestags vom April 2015 hervor. Trotzdem klagt die Bima – die im Auftrag des Bundesfinanzministeriums handelt – dagegen. Auch darüber wird das Berliner Landgericht entscheiden. Obwohl Formica nicht als Eigentümerin im Grundbuch eingetragen ist, hat die von ihr beauftragte „A-bis-Z Haus- und Grundstücksverwaltungsgesellschaft mbH“ aus Potsdam die Hausverwaltung übernommen und dem Harmonie e.V. zu Ende Februar 2016 gekündigt. Das Bezirksamt, die BVV und der Quartiersrat Schöneberg Nord setzten sich vergeblich dafür ein, dass die Kündigung zurückgenommen wird. Der Verein zog bisher nicht aus, sodass es zum Räumungsverfahren kam. Die Richterin des Landgerichts erläuterte vor vielen Zuschauer/innen, dass es durchaus möglich sei, dass die Bima ihre Klage gegen den Bezirk verliert und Formica nie als Eigentümerin ins Grundbuch eingetragen wird. Da der Bezirk möchte, dass der Verein bleibt, sei die Entscheidung über die Räumung auszusetzen und das Urteil im anderen Verfahren abzuwarten. Weil der Formica-Anwalt darauf bestand, noch einmal angehört zu werden, wurde die entsprechende Entscheidung des Landgerichts erst am 12. August verkündet.                                            

 

Juristen mit großen Herzen?                

Wer ist dieser Räumungskläger? Der Jurist Bernhard Grote ist Lehrbeauftragter an der privaten SRH Hochschule Berlin für Internationales Management und arbeitet für die Solidaris Rechtsanwaltsgesellschaft. Diese ist überwiegend für gemeinnützige Einrichtungen tätig und wirbt mit dem Slogan „Nutzen stiften – mit Freude für Menschen“. Wollte Grotes Unternehmen Formica mit der Kündigung des Harmonie e.V. vielleicht einem anderen Verein eine Freude bereiten, nämlich dem Flüchtlingspaten Syrien e.V.? Dieser residierte bis vor Kurzem in der Großgörschenstraße 25 und bekam von Grote den größeren Laden in der Katzlerstraße 11 angeboten. Nach den Protesten gegen die Kündigung des Vereins Harmonie sind die Flüchtlingspaten nach Moabit umgezogen. Sie haben zwar für einige der von ihnen unterstützten Flüchtlinge Wohnungen in den umkämpften Bima-Häusern angemietet, sind jedoch überregional tätig, während Harmonie im Kiez lokal verankert ist. Flüchtlingspaten-Gründer Ulrich Karpenstein, ebenfalls ein Jurist, gehört als Partner der Anwaltssozietät „Redeker Sellner Dahs“ an, die in Gerichtsverfahren unter anderem die Bima vertritt.                               

 

Weitere Informationen:

IG GroKa: iggroka.de

Online-Petition zur Unterstützung des Harmonie e.V.:

www.change.org/p/bitte-ziehen-sie-die-räumungsklage-gegen-den-verein-harmonie-e-v-zurück


MieterEcho 383 / September 2016

Schlüsselbegriffe: Formica GbR/Bernhard Grote, Integrationszentrum für Flüchtlinge, Harmonie e.V., Bima, Vorkaufsrecht, Milieuschutzgebiet, Luxussanierungen, Gewobag, Quartiersrat Schöneberg Nord