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MieterEcho 385 / Dezember 2016

Immobilienunternehmer und Rassisten

Neue AfD-Fraktion im Abgeordnetenhaus bedarf Beobachtung

Von Thorsten Janusz                                    

Bei der Wahl zum Abgeordnetenhaus am 18. September hatte die Alternative für Deutschland (AfD) 14,2% geholt. Am 21. September  konstituierte sich ihre Fraktion im Abgeordnetenhaus von Berlin. Nachdem Kay Nerstheimer seinen Verzicht auf die Zugehörigkeit zur Fraktion erklärt hat, besteht diese aus 24 Abgeordneten. Nerstheimer hatte in Lichtenberg ein Direktmandat errungen. Laut Medienberichten soll er Flüchtlinge auf Facebook als „widerliches Gewürm“ und Homosexuelle als „widernatürlich“ bezeichnet haben. Zudem soll er Mitglied der rechtsradikalen Vereinigung „German Defence League“ (Deutsche Verteidigungs-Liga) gewesen sein. Zum Fraktionsvorsitzenden wurde der Landesvorsitzende der Partei Georg Pazderski bestimmt, das Amt des Parlamentarischen Geschäftsführers soll Frank Hansel übernehmen.                            


Der Politologe Frank Hansel ist nicht nur Landesschatzmeister der Berliner AfD, sondern auch der des Bezirksverbands Tempelhof-Schöneberg. Gleichzeitig ist Hansel ein umtriebiger Unternehmer, der nicht nur mit der Berliner Immobilienszene verbandelt sein dürfte. Zumindest nach seinen eigenen Angaben auf einem Fragebogen, den AfD-Listenkandidat/innen einst auszufüllen hatten und der im Internet kursiert, war er von 2002 bis 2012 Deutschland-Geschäftsführer des spanischen Immobilienriesen Metrovacesa. Diesen Posten hatte er laut Fragebogen aufgrund seiner „umfassenden Auslands-erfahrung und der interkulturellen Verhandlungskompetenz im spanisch-sprachigen Raum“ inne. Im Jahr 2012 hatte sich das Unternehmen aus Deutschland zurückgezogen und wollte sich wieder auf den spanischen Markt konzentrieren. Von der Abfindung, die er von der Metrovacesa bekommen haben soll, habe er sich dann sein „eigenes Gehalt als Vollzeitmitarbeiter der AfD“ zahlen können, bewarb Hansel sein anfängliches Engagement für die Partei. Seit 1995 berät er laut eigenen Angaben mit den von ihm gegründeten Firmen CubaCon Wirtschaftsberatung und CONSAL „deutsche Unternehmen in Kuba und Lateinamerika“. Im Jahr 2009 wandelte Hansel ein Unternehmen in die CubaCon Beratungs- und Handels UG um. In einer Meldung an das Handelsregister geht der darin angegebene Unternehmensgegenstand jedoch über reine Beratungsleistungen hinaus: „Gegenstand des Unternehmens ist Handel mit Waren, insbesondere Konsum- und Industriegüter, Investitions- und Markteintrittsberatung für deutsche und europäische Unternehmen in Kuba“, heißt es darin. Die CubaCon wiederum ist Eigentümerin der Domain von Hansels Internetauftritt. Ab 1991 durchlief Hansel verschiedene Stationen bei der Treuhandanstalt bzw. Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben, wie das Unternehmen nach 1995 hieß. Unter anderem arbeitete er für dessen Tochterunternehmen Treuhand Liegenschaftsgesellschaft (TLG), das mit der Verwaltung und Privatisierung ehemaliger DDR-Immobilien beauftragt war. Auch in den Jahren danach befasst sich Hansen mit Immobiliengeschäften. Am 20. Juni 2006 wurde im Handelsregister Charlottenburg eine Gesellschaft namens Liebknechtstraße 65-91 Grundstücksverwaltungsgesellschaft mbH mit Sitz in Berlin eingetragen, deren Gegenstand die Geschäftsführung und Verwaltung einer Objektgesellschaft gleichen Namens in Magdeburg ist. Als Geschäftsführer war Hansel benannt, der allerdings bereits am 6. Juli 2006 diese Position nicht mehr innehatte, wie ebenfalls aus einer Handelsregister-Veröffentlichung hervorgeht.                  

         

Politischer Realismus gegen „Antifa-Strukturen“            

Hansel, der sich in der Beantwortung des oben erwähnten Fragebogens als Politprofi zu gerieren versucht, kündigte darin auch gleich einen Schwerpunkt seiner künftigen Parlamentsarbeit an. So wolle er im „Haushaltsausschuss“ – gemeint ist wahrscheinlich der Hauptausschuss – des Abgeordnetenhauses dahingehend wirken, „insbesondere die intransparenten Querfinanzierungen linker Trägervereine und von diesen gedeckte Antifa-Strukturen trocken zu legen“. Die AfD wolle er als „Partei des politischen Realismus aus der Mitte der Gesellschaft“ etablieren, sagte er bei einer Rede auf dem Landesparteitag im April dieses Jahres.                 
Ähnlich liberal gibt sich auf den ersten Blick der Sprecher des AfD-Bezirksverbands Friedrichshain-Kreuzberg, der Diplom-Ingenieur Frank Scheermesser. In einem Video, welches die AfD-Friedrichshain-Kreuzberg auf ihrer Facebook-Seite veröffentlicht, bezeichnet sich Scheermesser als sehr toleranten Menschen, der liberal und konservativ sei. Für Kreuzberg sei es wichtig, Freiheit und Toleranz zu erhalten. In der Beantwortung des Parteifragebogens verweist er auf seine langjährigen „Erfahrungen durch meine erfolgreiche Tätigkeit in der Immobilienbranche, als Wirtschaftsberater und Trainer“. Hierzu unterhält Scheermesser die Tucasa Immobilienmanagement in Friedrichshain, die laut ihrer Website eine „professionelle Objektverwaltung“ anbietet und für eine „ertragreiche Bewirtschaftung Ihres Objekts“ steht. Ihr Maklerteam kümmere sich „von der Finanzierung bis zur Übernahme um alle Angelegenheiten“.  Nach eigenen Angaben ebenfalls in der Immobilienbranche tätig ist die Neu-Abgeordnete Kristin Brinker. Deren Ehemann Günter Brinker war der erste Vorsitzende des 2013 gegründeten Landesverbands der Partei und zuvor Präsident des Berliner Landesverbands des Bundes der Steuerzahler.                             

Baracken für Geflüchtete        

Ganz im Gegensatz zu den vordergründig eher gemäßigt auftretenden Unternehmern Hansel und Scheermesser steht der ebenfalls ins Abgeordnetenhaus eingezogene Sozialpädagoge Andreas Wild. Er fährt einen brachialen und dumpf-populistischen Kurs. So trat er beispielsweise bei einer Demonstration der AfD-Thüringen im Mai dieses Jahres in Erfurt auf und schwadronierte über „ungebetene Gäste“, womit er Geflüchtete meinte. In seiner Rede sparte er nicht mit rassistischen Vorurteilen über den „Zigeuner aus Rumänien“ oder den „nordafrikanischen Moslem“, der es auf deutsche Frauen abgesehen hätte. Geflüchtete wären für Wild am besten in Baracken-Lagern jenseits der Städte untergebracht: „Bereits in Deutschland lebende Menschen können wir derweil in spärlich besiedelte Landstriche Deutschlands bringen und sie dort geschützt unterbringen. Dafür genügen ein paar Quadratkilometer Heide. (…) Wir brauchen dafür Bauholz, Hämmer, Sägen, und Nägel. (…) Und natürlich darf da nicht jeder raus oder rein wie es ihm gefällt“, haspelte Wild ins Mikrofon. Seine bisherige Haupttätigkeit war der Betrieb der Arbeitsvermittlung und Zeitarbeitsfirma „Arbeit und Beratung“, die ein Büro in Lichtenberg und eines in Steglitz unterhält und in der auch seine Frau Daniela Wild mitwirkt. „Wir beraten Sie für Ihren ganz eigenen Ruf zum Beruf“, heißt es etwas ungelenk auf deren Website. Kurzzeitig hatte sich Wild auch im Baugeschäft versucht. So war er seit Juni 2012 Geschäftsführer der Summak Bauservice GmbH, die erst im Jahr davor errichtet worden war. Wie aus dem Protokoll der Gesellschafterversammlung vom 17. Januar 2013 hervorgeht, wurde Wild bei dieser Versammlung als Geschäftsführer wieder abberufen, nachdem er bereits im Dezember 2012 von diesem Posten zurückgetreten war. Wild verwehrt sich offenbar bei all seiner Abneigung gegen Flüchtlinge nicht dagegen, sich am großen Geschäft mit deren Unterbringung zu beteiligen. So vermittelt sein Unternehmen unter anderem auch Stellen in der „Bewachung von Migranteneinrichtungen im Brandenburger Land“ für 10 Euro Stundenlohn.                                                   

Dass es sich bei der Berliner AfD keinesfalls nur um eine nationalkonservative Partei handelt, wie es ihre Vertreter/innen gerne darzustellen versuchen, belegen Recherchen des Antifaschistischen Pressearchiv und Bildungszentrums (apabiz). In dessen noch vor der Abgeordnetenhauswahl veröffentlichter Recherche sind „Verknüpfungen zu Neonazis und langjährigen extrem rechten Netzwerken“ benannt. So weist das Apabiz unter anderem auf die Teilnahme mehrerer AfD-Funktionäre an Bärgida-Demonstrationen sowie auf die Teilnahme zweier Funktionäre an Treffen mit dem Neonazi Horst Mahler hin. Ein Kandidat soll noch vor wenigen Jahren als Aktivist der extrem rechten „Identitären Bewegung“ (IB) an einer Störaktion in der Bezirksverordnetenversammlung Reinickendorf beteiligt gewesen sein. Ein Vorstandsmitglied der „Jungen Alternative“ soll ebenfalls bei der IB aktiv sein. Der ebenfalls ins Abgeordnetenhaus gewählte Pressesprecher des AfD-Landesverbands Ronald Gläser wiederum sei Redakteur der rechten Wochenzeitung „Junge Freiheit“.

 

 

Weitere Informationen: www.apabiz.de

 

 


MieterEcho 385 / Dezember 2016

Schlüsselbegriffe: AfD, German Defence League, Berliner Abgeordnetenhaus, Metrovacesa, Frank Hansel, CubaCon, Tucasa Immobilienmanagement, Summak Bauservice GmbH, Flüchtlinge