Interessengemeinschaft und Beratung für Berliner Mieter
MieterEcho 381 / Juni 2016

IBB-Wohnungsmarktbericht zeigt steigenden Verdrängungsdruck

Mieten steigen, Umwandlungen nehmen zu und die „Neubauoffensive“
wird teilweise durch Grundstücksspekulation ausgebremst

Von Rainer Balcerowiak                                    

Es gibt wohl keine Institution, die einen vergleichbar guten Überblick über das Geschehen auf dem Berliner Wohnungsmarkt hat, wie die Investitionsbank Berlin (IBB). Als landeseigene Förderbank ist sie einer der zentralen Akteure für die Finanzierung des Wohnungsbaus. Und so ist ihr jährlich erscheinender Wohnungsmarktbericht eine unverzichtbare Datensammlung zur Beurteilung der Entwicklung in der Hauptstadt. Die IBB konstatiert für 2015 und prognostiziert für das laufende und die kommenden Jahre eine weiterhin angespannte Lage auf dem Wohnungsmarkt, die von einer „starken Dynamik“ geprägt sei. Die Nachfrage nach Wohnraum steigt und die Neubautätigkeit kann das bislang bei Weitem nicht kompensieren.                                        


Für die Mietentwicklung hat das dramatische Konsequenzen. Die Medianmiete stieg 2015 gegenüber dem Vorjahr um 6,7% auf 8,80 Euro/qm (nettokalt). Anders als die Durchschnittsmiete bildet der Median den Mittelwert zwischen den oberen und unteren 50% der Angebotsspanne ab. Auch die innerstädtische Spreizung der Angebotsmieten hat deutlich zugenommen. So wurden 2015 in Friedrichshain-Kreuzberg nur 2% aller Wohnungen für weniger als 6 Euro/qm angeboten, aber 67% für mehr als 10 Euro/qm. In Marzahn-Hellersdorf waren es dagegen 58% unter 6 Euro/qm und nur 2% über 10 Euro/qm. Der weiterhin starke Zuzug besonders aus dem europäischen Ausland und die Fokussierung vieler Neuberliner/innen auf die Innenstadt werde die Angebotsmieten dort weiter überproportional steigen lassen und den Verdrängungsdruck auf ärmere Teile der ansässigen Bevölkerung erhöhen, so das Fazit von Arnt von Bodelschwingh, der mit seiner Firma RegioKontext Teile des Berichts im Auftrag der IBB erstellte. Denn in besonders betroffenen Bezirken wie Friedrichshain-Kreuzberg und Mitte steht den überproportional steigenden Mieten ein hoher Anteil an Geringverdienenden und Bedarfsgemeinschaften, die auf Hartz-IV-Leistungen angewiesen sind, gegenüber. Berlinweit betrug deren Anteil an der Gesamtbevölkerung im vergangenen Jahr 15,6%, in Teilen von Kreuzberg, Neukölln und Wedding sind allerdings Quoten von 30% und mehr zu verzeichnen. Auch die Zahl der Umwandlungen von Miet- in Eigentumswohnungen liegt in den betroffenen Altbauquartieren deutlich über dem Landesdurchschnitt. Zwar ist Berlin noch immer eine „Mieterstadt“, in der nur rund 15% der Bewohner/innen in selbst genutztem Wohneigentum leben, in den meisten innerstädtischen Quartieren sogar deutlich weniger. Zum Vergleich: In Hamburg, München und Düsseldorf beträgt diese Quote jeweils ein Viertel und in Stuttgart gar ein Drittel. Doch angesichts der starken Nachfrage und der dadurch für Hauseigentümer zu erzielenden enormen Profite haben die Umwandlungen deutlich zugenommen. 2014 wurden berlinweit über 11.000 Mietwohnungen umgewandelt, was einer Quote von 0,7% des gesamten Bestands entspricht. Auch hier gibt es erhebliche Unterschiede. So betrug die Quote in Kreuzberg-Friedrichshain 1,74%, in Marzahn-Hellersdorf dagegen lediglich 0,02%. Während die Umwandlungsdynamik in Kreuzberg und auch in Prenzlauer Berg wohl ihren Höhepunkt erreicht hat, geht die IBB davon aus, dass die Nachfrage nach Eigentumswohnungen besonders in Neukölln und in Treptow deutlich ansteigen wird.Dem IBB-Bericht zufolge werden diese Verdrängungsfaktoren verbunden mit dem anhaltenden Zuzug mittelfristig zu einem weiteren Anstieg der Mieten auch in den Randbezirken führen. Seit 2012 hat Berlin einen Nettozuwachs von 144.000 Einwohner/innen zu verzeichnen, wobei die vor allem im vergangenen Jahr in großer Zahl angekommenen Geflüchteten noch gar nicht berücksichtigt sind. Bis zum Jahr 2030 wird mit einem weiteren Nettozuwachs um 266.000 Menschen gerechnet und das gilt als eher „defensive“ Prognose.                            

Immer weniger Sozialwohnungen    

Eine durchgreifende Bremsung des Anstiegs der Mieten ist nicht in Sicht. Erstens hat der rot-rote Senat in den Jahren 2002 bis 2006 über 100.000 in kommunalem Besitz befindliche Wohnungen an private Investoren verkauft und somit der politischen Einflussnahme auf die Mietgestaltung entzogen. Zweitens sank die Zahl der mietpreisgebundenen Sozialwohnungen in der Vergangenheit erheblich, nämlich zwischen 2005 und 2014 von 209.000 auf 135.000. Nach Prognose der IBB wird dieser Bestand bis 2025 (ohne Berücksichtigung von Neubauten) auf rund 80.000 sinken. Obwohl derzeit 51% aller Berliner Haushalte aufgrund ihrer Einkommenssituation berechtigt wären, eine Sozialwohnung zu beziehen, beträgt der Anteil von Sozialwohnungen an allen Mietwohnungen derzeit nur 8,4%. Im Bericht heißt es dazu, dass man auf dieses Segment „ein besonderes Augenmerk legen“ müsse und weiter: „Das dramatische Abschmelzen der Sozialwohnungsbestände verknappt jedoch gerade diejenigen Wohnungen, auf die sich bei Miete und Belegung Einfluss nehmen lässt. Und der freie Wohnungsmarkt bietet immer weniger niedrigpreisige Wohnungen selbst in dezentralen Lagen.“    Durch das „Mietenbündnis“ des Senats mit den sechs verbliebenen städtischen Wohnungsbaugesellschaften soll dieser eklatante Mangel wenigstens teilweise kompensiert werden. Für die Mieter/innen dieser Wohnungen greifen teilweise einkommensbezogene Mietobergrenzen (siehe Kasten). Auch hat der Senat nach langen Jahren der wohnungspolitischen Untätigkeit einige längst überfällige Schritte zur Eindämmung der Verdrängung auf den Weg gebracht. Für die ganze Stadt gilt ein Zweckentfremdungsverbot für Mietwohnungen, mit dem vor allem deren Nutzung als Ferienapartments unterbunden werden soll. Mit der Umwandlungsverordnung wird den Bezirken die Handhabe gegeben, in Milieuschutzgebieten die Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen zu unterbinden. Als erstes Bundesland setzte Berlin die „Mietpreisbremse“ um, mit der die Erhöhung der Mieten bei Neuvermietungen bei 10% oberhalb des Mietspiegelwerts gedeckelt werden soll. Doch bei der Vorstellung des Wohnungsbauberichts überwog bei den IBB-Vertretern eine gewisse Skepsis in Bezug auf die durchgreifende Wirkung dieser Maßnahmen.                            

Baugenehmigungen ohne Neubauten                

Als Schlüssel für die nachhaltige Entspannung des Wohnungsmarkts nennt der Bericht Wohnungsneubau in beträchtlichen Größenordnungen. Zwar hat die Neubautätigkeit in jüngster Vergangenheit deutlich zugenommen, aber bei Weitem noch nicht das Ausmaß erreicht, das nötig wäre und vom Senat auch angestrebt wird. 2014 und 2015 wurden Baugenehmigungen für 19.000 bzw. 22.000 Wohnungen erteilt, doch die Diskrepanz zu den tatsächlich gebauten Einheiten oder wenigstens begonnenen Baumaßnahmen ist erheblich. Für 2014 verzeichnet der Bericht 8.744 fertiggestellte Wohnungen, davon aber lediglich 7.069 tatsächlich neu gebaute. Der Rest waren Ersatzbauten. Für 2015 lagen noch keine Zahlen vor, es wird von 12.000 bis 13.000 ausgegangen. Stadtentwicklungssenator Andreas Geisel (SPD) äußerte in einer Pressekonferenz zum IBB-Bericht, viele Investoren würden Baugenehmigungen einholen und die baureifen Grundstücke anschließend brachliegen lassen, um durch Weiterverkauf Spekulationsgewinne zu erzielen. Dagegen wolle die Politik nun verstärkt vorgehen, unter anderem mit einer Bonus-Malus-Regelung bei der Grundsteuer. Für einen „Bauzwang“ bei Erteilung der Baugenehmigung sieht der Senator allerdings keine rechtliche Handhabe. Auch die 2014 erstmals aufgelegten und 2015 erweiterten Förderprogramme des Senats für die Schaffung bezahlbaren Wohnraums haben bislang kaum gegriffen und wurden nur für rund 10% der Wohnungen in Anspruch genommen. Mittelfristig sei aber „vorstellbar“, dass sich dieser Anteil auf 20 bis 25% erhöhen könne, beteuerte der IBB-Vorstandsvorsitzende Jürgen Allerkamp bei der Vorstellung des Berichts. Allerdings kann niemand einen privaten Bauherrn, der ein im Privatbesitz befindliches Baugrundstück erwirbt, dazu zwingen, Fördermittel in Anspruch zu nehmen und dafür Belegungs- und Mietpreisbindungen für einen Teil der Wohnungen abzutreten. Und angesichts der historisch niedrigen Zinsen auf dem Kapitalmarkt dürfte es vielen Investoren sehr leicht fallen, auf Förderung zu verzichten.                
Deutlich wird, dass der IBB-Bericht alles andere als einen optimistischen Ausblick auf die Wohnungsmarktentwicklung vermittelt. Weder eine nachhaltige Dämpfung des Anstiegs der Bestandsmieten noch die Fertigstellung von ausreichend Wohnungen im unteren Preissegment ist in Sicht.

 


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Weitere Informationen und Download des Wohnungsmarktberichts: www.stadtentwicklung.berlin.de/wohnen/wohnungsmarktbericht

 

 

 

 


MieterEcho 381 / Juni 2016

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