Interessengemeinschaft und Beratung für Berliner Mieter
MieterEcho 381 / Juni 2016

Hausverbot für Luxusmodernisierungen

Fünf neue Milieuschutzgebiete im Bezirk Mitte

Von Rainer Balcerowiak                                    

 

Die Ausweisung von fünf neuen Milieuschutzgebieten im Bezirk Mitte ist fast in Sack und Tüten. Zwar stand die Veröffentlichung des Beschlusses im Amtsblatt bei Redaktionsschluss noch aus, dennoch können die rund 100.000 Bewohner/innen dieser Gebiete damit rechnen, dass bestimmte Formen der Verdrängung künftig „entschleunigt oder verhindert“ werden, wie der Stadtentwicklungsstadtrat von Mitte, Carsten Spallek (CDU), in einem Interview mit dem RBB erklärte.                            


Die Milieuschutzgebiete befinden sich rund um die Turmstraße, den Leopoldplatz, den Sparrplatz und die Seestraße. Dort besteht laut der Untersuchung für bis zu 75% der Anwohner/innen ein hohes Verdrängungsrisiko. Zum einen sind diese innerstädtischen Altbauquartiere bei Investoren und vermögenden Hinzuziehenden zunehmend begehrt. Zum anderen sind viele Wohnungen eher einfach ausgestattet und bergen daher ein enormes Modernisierungs- und somit auch Verdrängungspotenzial.       Bei der Formulierung der Milieuschutzsatzungen orientierte sich das Bezirksamt im Wesentlichen an den Empfehlungen der Gutachter. Auch in einem Beschluss der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) gibt es ziemlich eindeutige Festlegungen zur Ausgestaltung der Satzungen. So sollen Luxusmodernisierungen umfassend ausgeschlossen werden. Dazu gehören laut Beschluss der Einbau von Gegensprechanlagen mit Videoüberwachung, von Einbauküchen, Kaminen, Panoramafenstern, zusätzlichen Bädern und WCs, Fußbodenheizungen, Balkonen mit einer Größe von mehr als vier Quadratmetern sowie der Anbau von Terrassen, Wintergärten und Loggien. Untersagt werden auch Wohnungszusammenlegungen, Stellplatzanlagen sowie der Anbau „besonders kostenaufwendiger Aufzüge oder Fassadengleiter“. Ohnehin unzulässig ist in Milieuschutzgebieten die Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen.    

 

Vorkaufsrecht des Bezirks        

Spannend wird es bei einigen weiteren Festlegungen. So sollen laut BVV-Beschluss auch Modernisierungen, die im Prinzip geduldet werden müssen und mit 11% der Kosten auf die Miete umgelegt werden können, nur genehmigt werden, wenn die dann zu entrichtende Miete die Werte eines „gebietsspezifischen Mietspiegels“ nicht übersteigt. Auch energetische Modernisierungen sollen – soweit rechtlich möglich – begrenzt werden. Für Maßnahmen zur Energieeinsparung soll der Nachweis verlangt werden, „dass sie den Anforderungen der jeweils geltenden Energieeinsparverordnung (EnEV) entsprechen und unter Berücksichtigung der Beschaffenheit des Gebäudes (Bauart, Ausrichtung, Fassadenbeschaffenheit etc.) dessen Energieeffizienz nicht nur geringfügig verbessern und die Modernisierungsumlage die zu erwartende Heizkostenersparnis nicht wesentlich übersteigt“. Ob diese Formulierungen tatsächlich in die Satzung eingehen, bleibt abzuwarten. Spallek erklärte mehrfach, dass er die „Rechtssicherheit“ dieser Punkte prüfen müsse.         

Unklar ist bislang auch, ob und in welcher Form der Bezirk das Vorkaufsrecht bei Wohngebäuden wahrnehmen kann, um spekulative Verkäufe zu verhindern und die Bewohner/innen vor Verdrängung zu schützen. Spallek betont, dass der Bezirk derzeit weder personell noch finanziell in der Lage sei, entsprechende Verfahren in die Wege zu leiten. Der von den Oppositionsparteien geforderte berlinweite Aufkauffonds wurde bislang noch nicht eingerichtet. Die Bezirke Tempelhof-Schöneberg und Kreuzberg-Friedrichshain haben das Vorkaufsrecht in Kooperation mit dem Senat und städtischen Wohnungsbaugesellschaften bereits eingesetzt.    Natürlich sind Milieuschutzsatzungen, selbst wenn sie an die Grenzen des rechtlich Möglichen gehen, kein Allheilmittel gegen Verdrängung, zumal sie keinen individuellen Schutz von Mieter/innen beinhalten. Dennoch werten örtliche Initiativen wie der „Runde Tisch gegen Gentrifizierung“ in Moabit die jetzt gefällten Beschlüsse als kleinen Erfolg ihrer beharrlichen Arbeit. Denn jahrelang hatte sich das Bezirksamt geweigert, das Thema Milieuschutz auch nur ernsthaft zu diskutieren. Jetzt geht es darum, die Umsetzung wachsam zu begleiten.                    

 

 


MieterEcho 381 / Juni 2016

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